Extended Reality in der Weiterbildung

XR-Technologie – „The next big thing“ für die Sicherheitskultur?

XR-Technologie von TÜV Rheinland
Quelle: TÜV Rheinland

Von der Pflichtschulung zum Lernen als Erlebnis – der Einsatz von XR-Medien in der betrieblichen Weiterbildung gilt als eine der lohnendsten Investitionen. Noch aber scheuen viele Entscheider die Verwendung von Extended Reality (XR), dabei sind die Hürden für den Einstieg längst nicht mehr so hoch wie noch vor zwei, drei Jahren. Worauf Unternehmen bei der Einführung der erweiterten Realität achten sollten.

Ob Arbeitsschutz, Brandschutz oder Datenschutz: Betriebliche Unterweisungen zählen bei Mitarbeitenden eher selten zu den Lieblingsthemen. Alle diese Schulungen sind aber wichtig für die Sicherheit am Arbeitsplatz und zudem gesetzlich vorgeschrieben. Denn bei einer Evakuierung, beim Erste-Hilfe-Einsatzoder der Vermeidung von Arbeitsunfällen ist immer noch der Faktor Mensch und sein Bewusstsein für sicherheitsrelevante Risiken entscheidend. In vielen Betrieben laufen diese Unterweisungen allerdings nach der Methode: „Sage es mir, und ich werde es vergessen“. Nicht umsonst ist die jährliche Wiederholung der Schulungen verpflichtend seitens des Gesetzgebers.

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Der Einsatz von XR-Medien (kurz für Extended Reality oder erweiterte Realität) in Trainings könnte die Haltung vieler Mitarbeitender zu Pflichtschulungen wie Weiterbildung insgesamt erheblich verändern – frei nach dem Konfuzianischen Motto: „Lass es mich tun und ich werde es verstehen.“ Unter XR-Medien versteht man das digitale, interaktive Lernen unter Einsatz z.B. von VirtualReality (VR)-Simulationen oder Augmented Reality (AR)-Visualisierungen. Mit XR-Technologie lassen sich reale Gefahrensituationen im digitalen Raum nachstellen, Konsequenzen sichtbar machen und realitätsnah vom Teilnehmer bewältigen. Gelungene Einsätze im Bereich Brandschutz oder Baustellensicherheit belegen dies bereits eindrucksvoll. Durch das Eintauchen in die virtuelle (VR) oder angereicherte (AR) Realität erleben die Teilnehmenden realistische Stressbedingungen, müssen eigene Entscheidungen treffen und erfahren ggf. auch die direkten Konsequenzen ihrer Handlungen. Alles, was die AnwenderInnen dafür benötigen, ist ein Tablet, PC, Smartphone oder eine VR bzw. AR-Brille.

Vorteile von XR

Die Vorteile: Trainings mit XR-Inhalten und Datenbrille ermöglichen ein viel aktiveres Erlernen als die theoretische Vermittlung des richtigen Verhaltens, etwa im Brandfall oder bei einem Unfall am Arbeitsplatz. Nicht selten berichten Teilnehmende nach einer XR-Simulation von einem Aha-Erlebnis: „Ich dachte, ich kenne schon alle Vorschriften, aber so sicher bin ich im Ernstfall ja gar nicht… “ Mikro-Simulationen spiegeln wider, auf welchem Kompetenzniveau sich Mitarbeitende befinden und wo noch Schulungsbedarf herrscht. Die Einsicht in die Notwendigkeit solcher Trainings steigt – während der Interaktion und vor allem beim Anwender selbst.

XR Simulation eines Unfalls
Quelle: TÜV Rheinland

Zu einem der größten Mehrwerte von XR zählt die sogenannte Immersion: Durch das Eintauchen in Themen und Inhalte entsteht ein ganz anderer Fokus und Flow beim Trainingsteilnehmenden als beim frontalen Lernen. Der Teilnehmende kann sich vielmehr voll und ganz auf die jeweilige Trainingssituation einlassen, seine Aufnahmefähigkeit für Inhalte ist um ein Vielfaches besser – insbesondere, wenn es sich um interaktive Trainings handelt und die Aktivität nicht nur auf das Sehen und Konsumieren von Inhalten beschränkt ist.

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Neben der Immersion bietet XR noch andere Vorteile, u. a. die Flexibilität: Teilnehmende der Schulung können sich von überall über ihr mobiles Endgerät einwählen und müssen für eine Schulung nicht extra anreisen. Maschinen werden nicht durch Schulungen blockiert, Produktionsstopps werden minimiert. Folgenschwere Schäden wegen Fehlbedienung werden deutlich verringert, da die Mitarbeitenden in der virtuellen Welt üben. All das spart Zeit und Kosten und steigert die Sicherheit von Mensch und Maschine. Der Umstieg auf XR-Trainings ist somit der Schritt in eine wesentlich kostengünstigere Kompetenzentwicklung und Sicherheitskultur.

Trotz dieser Vorteile muss nicht zwingend das Ziel sein, Präsenztrainings flächendeckend durch XR-Technologie zu ersetzen und Mitarbeitende mit den Anwendungen eigenständig trainieren zu lassen. Im „neuen Normal“, wo Menschen auch wieder in Gruppen aufeinandertreffen, verfolgt die TÜV Rheinland Akademie etwa den Ansatz eines Blended Learning-Konzepts, das Präsenz mit Digitalisierung durch die Einbindung von VR-Inhalten verbindet. Das gefahrlose, interaktive und immersive Erlebnis von zentralen Arbeitsschutzthemen wird von betrieblichen Sicherheitsfachkräften moderiert und angeleitet.

Erfolgsfaktoren für die Einführung von XR-Technologie in Unternehmen

Unternehmen, die die Vorteile von AR- oder VR-Technologie in der betrieblichen Unterweisung bzw. in der Weiterbildung konsequent nutzen wollen, sollten ein paar wesentliche Punkte beachten:

1. Analyse: Auf welchen Gebieten ist der Schulungsbedarf besonders hoch, welche Gebiete sind für unseren Betrieb besonders wichtig? Welchen Lerneffekt wollen wir erzielen bzw. wo benötigt man hohe Handlungskompetenzen?

2. Infrastruktur: Die neuen Lernräume sollten infrastrukturell sinnvoll aufgesetzt sein und auch nicht für Testläufe nur auf Flickwerk beruhen. Die Kombination neuer Tablets mit ggf. schon länger im Betrieb vorhandenen, aber veralteten Datenbrillen, die nicht sauber miteinander kommunizieren, hinterlässt bei Anwendern wie z.B. Sicherheitsfachkräften nur Frust und ist wenig geeignet, das Lernerlebnis positiv zu steigern.

3. Testlauf mit fertig konfigurierten System durchführen: Zum Ausprobieren ohne längere vertragliche Bindung bietet der Markt inzwischen fertig konfigurierte Systeme, die einen intuitiven Zugang zu VR für Unterweisungszwecke ermöglichen und ein komplettes Tool Set beinhalten, mit dem ein nahezu sofortiger Start aus dem Stand weg möglich ist.

4. Verantwortlichkeiten benennen: Nehmen Sie Ihre Sicherheitsfachkraft bzw. Verantwortlichen rechtzeitig mit und lassen Sie sie den Change-Prozess im Bereich Unterweisung und Weiterbildung mit gestalten. Nehmen Sie ihr die Angst, dass XR-Medien demnächst ihre Stellung überflüssig macht, sondern wecken Sie die Neugier auf diese neuen, inspirierenden Möglichkeiten.

5. Externe Unterstützung: Die Begleitung durch externe ExpertInnen kann sinnvoll sein, wenn unternehmensspezifische Szenarien auf Basis von XR-Technologie abzubilden sind. Der Provider sollte Erfahrung im Umgang mit der Technologie haben und in der Lage sein, sinnvolle Lernszenarien zu kreieren. Eine Weiterbildung internen Personals zum XR-Experten bzw. -Trainer durch externe Unterstützung bringt das Unternehmen schneller auf die Erfolgsspur.

Übrigens: An- und Ungelernte bleiben in der Weiterbildung oft auf der Strecke – weil der generelle Zugang oder Grundlagenkompetenzen fehlen. XR-Technologie kann ein wirksamer Ansatz sein, um auch Basic-Workers einen motivierenden Zugang und ersten Einstieg zu Weiterbildung ermöglichen. Die Bundesagentur für Arbeit hat die Mittel zur Qualifizierung Beschäftigter erhöht, aber die Budgets werden bislang kaum abgerufen.

Holger Offermanns TÜV Rheinland Akademie

Holger

Offermanns

Global Head of Digital Learning

TÜV Rheinland Akademie

Holger Offermanns ist Global Head of Digital Learning bei der TÜV Rheinland Akademie, einem Lerndienstleiter, der analoge und digitale Lernlösungen (u.a. E-Learnings & Gamification) mit maßgeschneiderten Plattformangeboten für das systematische betriebliche Weiterbildungsmanagement verknüpft.
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