Ein Ausblick für die neue Legislaturperiode

Wohin geht der Weg für Europas Digitalbranche?

Digitalbranche

Der Anteil der EU am globalen IKT-Markt hat sich in den letzten zehn Jahren halbiert, von 21,8 auf 11,3 Prozent. Gleichzeitig ist die EU bei über 80 Prozent der digitalen Produkte, Dienstleistungen und Infrastrukturen auf Importe aus dem Ausland angewiesen – insbesondere von Großkonzernen aus den USA und China.

Das sind alarmierende Zahlen, sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Denn solche einseitigen Abhängigkeiten machen uns verwundbar, wie uns bereits im Energiesektor schmerzlich vor Augen geführt wurde. Die anstehende neue EU-Legislatur 2024-2029 muss nun also einen Wendepunktpunkt hin zu einer selbstbestimmten Digitalisierung ‚Made in Europe‘ darstellen. Die mittelständische Digitalwirtschaft fordert dafür einen Digital New Deal.

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Aus Fehlern lernen: Innovation statt Regulierung

Die Notwendigkeit für Digitale Souveränität hat die EU bereits erkannt und sie zum Ziel oder Leitmotiv diverser Initiativen sowie Strategien gemacht. Bis auf einige Ausnahmen, wie etwa den Digital Services Act und den Digital Markets Act, die große Digitalkonzerne stärker in die Verantwortung nehmen und gegen ihre Monopolstellung vorgehen, hat die Gesetzgebung der letzten Legislatur dieses Ziel aber weitestgehend verfehlt. Denn die europäischen Gesetzgeber verlieren dabei zu oft die eigene europäische Digitalwirtschaft aus den Augen.

Zwar wurden auch eine ganze Reihe an weiteren Regulierungen auf den Weg gebracht, die die mächtigen internationalen Tech-Konzerne in Europa kontrollieren und europäische Ethik- und Sicherheitsstandards durchsetzen sollen, darunter der AI Act, der Cyber Resilience Act und die NIS2-Richtlinie. Allerdings treffen diese die heimische Digitalwirtschaft oftmals härter als die ursprünglich anvisierten Konzerne. Denn für die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU), die einen Großteil der europäischen Digitalwirtschaft ausmachen, bringen diese Regulierungen einen unverhältnismäßigen bürokratischen Aufwand sowie schwer zu stemmende Compliance-Kosten mit sich, die für große Konzerne keine Hürden darstellen. 

So werden genau die Unternehmen in ihrer Innovationskraft gehemmt, die die Basis für eine selbstbestimmte und unabhängige Digitalisierung in Europa sind. Denn hier stellen IT-Mittelständler die Mehrheit der Arbeitsplätze und schaffen die meisten Innovationen. Um Digitale Souveränität für Europa zu erreichen, muss der Fokus also auf Freiheit für Innovation und Wachstumschancen für diese Unternehmen liegen. 

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Ein Digital New Deal für Europa

Die Digitalpolitik der EU muss nun neu ausgerichtet werden, um die Potenziale der eigenen mittelständisch geprägten Digitalwirtschaft auszuschöpfen. Dafür braucht Europa einen Digital New Deal, der unter anderem die Verbesserung der Rahmenbedingungen für KMU und europäische Teilhabe an Innovation sowie Schlüsseltechnologien als Kernziele ins Auge fasst. Im Digital New Deal sollte ferner ein neues Leitmotiv der maßgeschneiderten Digitalisierung in Branchen aufgenommen werden, um die Erfolgsgeschichte der klassischen KMU in das digitale Zeitalter zu projizieren.

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Verbesserte Rahmenbedingungen durch Bürokratieabbau

Verbesserte Rahmenbedingungen bedeuten zuallererst den Abbau von Bürokratie und Regulierungslast. Denn beides hat direkte Auswirkungen auf die Erfolgschancen von IT-KMU in Europa. Das bestätigt eine aktuelle Umfrage des Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi) zur Europawahl. Darin stufen 82 Prozent der befragten IT-Unternehmen Bürokratie als größte Hürde für den Erfolg von IT-KMU in Europa ein. Nach einer Legislaturperiode, die von dem Beschluss von zukünftigen Regulierungen und damit einhergehender Bürokratie geprägt war, muss nun eine Phase der Entlastung folgen, um der mittelständischen europäischen Digitalwirtschaft Luft für Innovation zu verschaffen. 

Neben einer europaweiten Digitalisierung der Verwaltung, wie sie laut BITMi-Umfrage 63 Prozent der IT-Mittelständler von der neuen Kommission fordern, müssen dafür bürokratische Prozesse zur Unternehmensgründung und -führung über die Mitgliedstaaten hinweg harmonisiert werden. Durch Fördermöglichkeiten und vereinfachte Börsengänge kann weiterhin das Wachstum von IT-Scale-ups in Europa ermöglicht sowie Wertschöpfung in Europa gehalten werden, ohne auf Investoren außerhalb der EU angewiesen zu sein. 

Wirtschaftliche Teilhabe durch Spezialisierung

Um Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz weiter mitgestalten zu können, muss Europa sich davon lösen, den Breitenerfolg des Silicon Valley nachbauen zu wollen. Was die mittelständisch geprägte IT-Branche Europas von internationalen Tech-Konzernen abhebt, sind Spezialisierung und Nischenexpertise statt einer generalistischen Ausrichtung. Genau dieses Erfolgsmodell hat bereits zahlreiche europäische Mittelständler der traditionellen Branchen, etwa aus der Industrie, zu weltweit bewunderten Nischen-Weltmarktführern gemacht.

Übertragen auf digitale Geschäftsmodelle bedeutet das: gezielte und maßgeschneiderte IT-Lösungen, die auf die spezifischen Bedürfnisse einer Branche eingehen oder sich auf eine Nische spezialisieren. Das kann etwa die Nische europäischer Cybersecurity-Software sein oder die Entwicklung vertikaler KI-Modelle für die öffentliche Verwaltung, Medizin oder Buchhaltung. Mit dieser Nischen-Digitalisierung können wir weltmarktführende digitale Produkte entwickeln, die echte Anwendungsfälle mit Expertise angehen, statt nur die nächste breit angelegte vermeintliche All-in-One-Lösung an den Markt zu bringen.

Oliver-Gruen

Oliver

Grün

Gründer und Geschäftsführer

Grün Software

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