Die aktuelle Situation in Unternehmen ist geprägt von Home-Office, virtuellen Meetings, Web-Konferenzen und digitalen Schulungen. Doch der verstärkte Einsatz von E-Learning-Angeboten steht im Widerspruch zu deren tatsächlicher Attraktivität, da die bestehenden Angebote nur selten die Aufmerksamkeit und Spannung aufrechterhalten und frühzeitig abgebrochen werden.
Um dem zu begegnen, können E-Learning-Einheiten mit Gamification-Elementen ausgestattet werden. Im Rahmen einer Akzeptanzbefragung (n=100) wurde untersucht, ob solche spielerischen Elemente grundsätzlich von Nutzern im Unternehmenskontext angenommen werden und welche Zielgruppen dies besonders akzeptieren. Die höchsten Akzeptanzwerte zeigten sich bei Gamern und in der jüngeren Generation der Befragten. Unternehmen könnten Gamification daher gezielt für E-Learnings dieser spezifischen Zielgruppe einsetzen. Entgegen der ursprünglichen Annahme wiesen die befragten Angestellten dennoch durchweg eine hohe Akzeptanz der Gamification des E-Learnings auf. Somit zeigt sich auch in der Breite ein hohes Potential, wenn die hier diskutierten Empfehlungen berücksichtigt werden.
Das motivationale Potential der Gamification
Die Corona-Maßnahmen haben die Digitalisierung in Unternehmen vorangetrieben. In den letzten Monaten haben viele die Erfahrung gemacht, dass virtuelle Arbeit funktioniert, aber weder die persönliche Interaktion noch die Bedürfnisse nach Abwechslung oder Spaß ersetzen kann, die wir in unserer Arbeit häufig wertschätzen. Während Schulungen früher eine willkommene Abwechslung darstellten, so bieten web-basierte Schulungen und E-Learnings heute kaum noch eine Motivationsbasis. Der Kontrast zum gleichförmigen Alltag vor dem Monitor schwindet. Die aktuellen Angebote des E-Learnings wurden bereits vor diesem Digitalisierungsschub häufig als langweilig wahrgenommen und entsprechend frühzeitig abgebrochen.
Um dem entgegenzusteuern, können E-Learning-Einheiten mit Gamification-Elementen ausgestattet werden. Computer- und Videospiele sind über verschiedene Personengruppen hinweg populär – warum daher nicht auch andere Bereiche des Lebens spielerisch gestalten? Das Phänomen Gamification greift diesen Gedanken auf, indem es Elemente des Spiel-Designs mit spielfremden Kontexten in Verbindung bringt. Beispiele solcher Game-Design Elemente sind Bestenlisten, Abzeichen, Punkte, oder Lernlevel. Durch das hohe Maß an Flexibilität und den Bezug zum spielerischen Lernen eignet sich die Weiterbildung als Einsatzgebiet für Gamification. Insbesondere das E-Learning bietet ein großes Potential für Gamification im Unternehmenskontext. Hiermit ließe sich sowohl die Motivation der Nutzer als auch deren Haltung zum E-Learning steigern, um schließlich die Lernerfolge zu verbessern.
Bestehende Gamification-Modelle beschreiben diese motivationalen Wirkungspfade der Game-Design-Elemente. So wirken Gruppenwettbewerbe über den sozialen Einfluss motivierend und virtuelle Güter oder Sammelpunkte wirken als Antrieb über den psychologischen Besitzwunsch. Zudem können motivationale Bedürfnisse wie Kompetenzerleben oder Leistungsstreben spielerisch angesprochen werden. Tabelle 1 stellt die Vielfalt der Gaming Elemente dar und ordnet diese nach deren jeweils zentraler motivationaler Wirkung auf Basis der Ansätze aus Forschung und Praxis. Der Bildungssektor ist das am stärksten beforschten Gebiet zur Gamification und insbesondere zur Gamification im E-Learning. Die motivationale Wirkung der Gamification konnte aber auch im Unternehmenskontext nachgewiesen werden. So konnte beispielsweise die Leistung der Mitarbeiter bei gamifizierten Compliance-Trainings gesteigert werden.
Tabelle 1: Das Motivationspotential von Game-Design-Elementen
Gamification ist dennoch kein Motivations-Garant, da sich die positiven Effekte nicht für alle Nutzer gleichermaßen einstellen. Die positiven Wirkungen entfalten nur in solchen Anwendungen ihr volles Potential, in denen sich die Nutzer auf die spielerischen Elemente einlassen. Ein wesentlicher Faktor für den Erfolg einer jeden eingesetzten Technologie ist daher zunächst deren Akzeptanz unter den anvisierten Nutzern. Da Freizeit (spielen) und Beruf (arbeiten) zwei psychologisch getrennte Lebens- und Erfahrungseinheiten darstellen, kann eine Akzeptanz im Unternehmenskontext nicht zwingend vorausgesetzt werden. Zudem ist die Zielgruppe der Angestellten eine weitaus heterogene Zielgruppe als dies beispielsweise die Studierenden sind, bei denen Gamification-Elemente bereits stärker eingesetzt werden. Ältere Angestellte und Nicht-Gamer könnten Bedenken in Hinblick auf die Bedienbarkeit aufzeigen oder den Nutzwert solcher Elemente anzweifeln. Nicht jeder wird es für sinnvoll erachten, wenn die Weiterbildung eine Story bekommt und zu einer Abenteuerreise voller Challenges wird.
Akzeptanz als Triebfeder der Gamification
Das Technologie Akzeptanz-Modell beschreibt die Akzeptanz als zentrale Basis auf der solche Wirkmechanismen fundieren. Das Modell wird zur Untersuchung und Vorhersage der Marktdurchdringung und Akzeptanz neuer Technologien verwendet. Bei einer geringen Akzeptanz von Gamification-Elementen kann nur eine verminderte positive motivationale Wirkung erfolgen. Zentrale Maße zur Vorhersage der Akzeptanz einer Technologie sind die positive Einstellung zur Nutzung und die Nutzungsabsicht.
Die beiden zentralen Elemente, welche diese Akzeptanz einer Technologie beeinflussen sind a) die wahrgenommene Nützlichkeit und die b) wahrgenommene Leichtigkeit der Anwendung im Sinne von Bedienbarkeit und Anwenderfreundlichkeit. Sie wurden in Akzeptanzuntersuchungen von Gamification bereits erfolgreich in anderen Kontexten nachgewiesen. Ist eine aufkommende Technologie leicht zu handhaben und erkennen die Anwender den Nutzen, so steigt die Wahrscheinlichkeit der Akzeptanz und Nutzung einer Technologie. Der wahrgenommene Nutzen kann neben funktionalen Nutzwerten auch emotionale Aspekte aufweisen. Das wahrgenommene Vergnügen, welches bereits bei der Akzeptanz von E-Learnings, Gamification oder Computertechnologien im Arbeitskontext beschrieben wurde, berücksichtigt diesen „Spaßfaktor“.
Abbildung 1 stellt diesen zentralen Wirkungspfad der Akzeptanz dar und zeigt sogleich Nutzerbezogene Einflussfaktoren auf, die sich aus der bisherigen Forschung ergeben. Die abgebildeten Einflussfaktoren des Alters und der Gaming-Erfahrung könnten sowohl die Stärke der Akzeptanz als auch die motivationale Wirkung von Gaming Elementen im E-Learning beeinflussen. Ob die Gamification-Elemente stärker oder weniger akzeptiert werden kann beispielsweise davon abhängen, ob der Nutzer bereits ein erfahrener Gamer ist, oder weniger Erfahrung mit Gaming sammeln konnte.
Abbildung 1: Akzeptanzmodell der Gamification unternehmerischen E-Learnings
Akzeptanzstudie zur Gamification unternehmerischen E-Learnings
Im universitären und schulischen Kontext wird Gamification akzeptiert. In Anbetracht der heterogenen Zusammensetzung von Mitarbeitern im Unternehmenskontext, ist es hingegen eher wahrscheinlich, dass ein Großteil der Mitarbeiter weniger aufgeschlossen gegenüber Gaming-Elementen ist. Gerade ältere Generationen werden weniger auf ihren Erfahrungen aus dem eigenen Gaming zurückgreifen können oder bereits auf Kontakte mit gamifizierten E-Learning Angeboten zurückgreifen können. Vor einer breiten Implementierung von Gamification stellt sich daher die Frage, ob die spielerischen Elemente grundsätzlich auch von den Nutzern im Unternehmenskontext angenommen werden und welche Zielgruppen zur Gamification des E-Learnings am ehesten geeignet sind. Vorliegende Befragungsstudie erkundet anhand des Technologie-Akzeptanz-Modells11, inwiefern Gamification im E-Learning akzeptiert wird und welche nutzerbezogenen Faktoren deren Akzeptanz im Unternehmenskontext beeinflussen. Mit diesem Wissen lassen sich Gamification-Elemente gezielter einsetzen. Zugleich können Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz erschlossen werden.
Um dies zu untersuchen wurde eine Stichprobe von einhundert Angestellten untersucht (57% weiblich; Altersdurchschnitt 36,9 Jahre; 55% Digital Natives, <= 36 Jahre; 59% mit Hochschulabschluss). Die Fragen, welche die Angestellten zum Akzeptanz-Modell beantwortet haben, werden in Abbildung 2 zusammengefasst. Alle Fragen wurden mit den Antwortoptionen von 1=“stimme überhaupt nicht zu“ bis 5=“stimme voll und ganz zu“ beantwortet. Erfasst wurde die Akzeptanz von Gaming-Elementen im E-Learning mit fünf Fragen, welche die emotionale und gedankliche Einstellung zu Gaming-Elementen sowie die zukünftige Nutzungsabsicht beinhalten. Zuvor wurde die eigene Erfahrung der Angestellten erfragt (51% Gamer, 41% Erfahrungen mit Gamification im E-Learning). Hierbei wurden die Gaming-Elemente umfassend beschrieben. Die wahrgenommene Nützlichkeit wurde mit drei Fragen erfasst.1 Neben dem Nutzen zum Lernerfolg gaben die Befragten ihre Einschätzung zum vergnüglichen Nutzen ab. Zudem wurde die Bedienbarkeit mit drei Fragen zur wahrgenommenen Leichtigkeit und Problemlosigkeit der Nutzung erfragt. Zur Auswertung wurde ein Mittelwert über die jeweiligen Fragen des Frageblock gebildet. Die Annahmen des Technologie-Akzeptanz-Modells ließen sich bestätigen. Der wahrgenommene Nutzen (β=,49) und die Bedienbarkeit (β=,27) beeinflussen die Akzeptanz der Gaming Elemente positiv. Das Regressionsmodell erklärt einen Anteil von 37% der Varianz in der Akzeptanz der Gamification.
Abbildung 2: Messung des Akzeptanzmodells der Gamification
(Antwortoptionen von 1=stimme überhaupt nicht zu bis 5=stimme voll und ganz zu)
Die Angestellten weisen generell eine sehr positive Akzeptanz gegenüber Gaming-Elementen im E-Learning auf (Akzeptanz, M=4,30; Nutzen, M=4,17; Bedienbarkeit, M=3,90). Zudem zeigen sich keine Unterschiede in der Akzeptanz, wenn die bisherige Erfahrung mit gamifiziertem Lernen, die Ausbildung oder das Geschlecht der Angestellten berücksichtigt wird. Diese übergreifende Akzeptanz spricht für einen breiten Einsatz im E-Learning von Unternehmen. Eine Kernzielgruppe mit überdurchschnittlichen Akzeptanzwerten bleiben die jungen Gamer, wovon Unternehmen mit jungen Mitarbeitern aus der IT-Branche oder der Kreativbranche profitieren könnten. Weitere potenzielle Anwendungsbeispiele ergeben sich in der Welt der Start-Ups, in der die Nutzerprofile oft dieser Kernzielgruppe entsprechen.
Ein Vergleich zwischen den Mitarbeitern ohne Gamingerfahrung (M=4,09) und den Gamern (M=4,50) ergab, dass Gamer signifikant höhere Akzeptanzwerte aufweisen. Es zeigt sich, dass sich den Nicht-Gamern (M=4,01) der Nutzen und Mehrwert nur in geringerem Maße erschließt als den Gamern (M=4,32). Bei einer Implementierung von E-Learning-Angeboten mit Gamification-Elementen müssen den Mitarbeitern die Nutzenaspekte nähergebracht werden. Diese können auch emotional über den Spaßfaktor vermittelt werden.
Die Unterschiede zwischen den Generationen deuten hingegen darauf hin, dass ältere Angestellte (>37 Jahre; M=4,17) etwas geringere Akzeptanzwerte aufweisen, als die Generation der Digital Natives (M=4,41). Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die ältere Generation (M=3,78) tendenziell mehr Bedenken in Hinblick auf die Bedienbarkeit hat als die jüngere Generation (M=4,00). In der Umsetzung ist es daher ratsam, die Komplexität zu reduzieren. Die Game-Design Elemente müssen sich intuitiv bedienen lassen und die Einstellungsoptionen dürfen die Fähigkeit und die Zeit der Mitarbeiter nicht zu stark beanspruchen. Die Anwender sollten eingangs in die Funktionsweisen eingeführt werden. Erfahrene Gamer könnten diese Einführung überspringen. Um alle Anwender zu adressieren, können Gaming-Elemente so umgesetzt werden, dass diese optional zugeschaltet werden können. Somit verbleibt dem Nutzer die Kontrolle und die Möglichkeit die Anwendung schrittweise auszutesten. Dies ermöglicht älteren Mitarbeitern eine Gewöhnung an den Umgang. Tabelle 2 fasst die zentralen Erkenntnisse, Handlungs- und Umsetzungsempfehlungen der Studie zusammen.
Tabelle 2: Ergebnisse und Umsetzungsempfehlungen
Die Befragung stellt keine Repräsentativbefragung dar. Das Technologie-Akzeptanz-Modell erfasst jedoch sehr allgemeine Prozesse der Wahrnehmung und Beurteilung. Auffällige Unterschiede sollten sich auch in der Grundgesamtheit der Angestellten ergeben. Bei Digital Natives sind geringe Sorgen in Bezug auf die eigenen Bedienungsfertigkeiten und bei Gamern eine positive Nutzenwahrnehmung zu erwarten. Hingegen besteht die Möglichkeit, dass kleinere Effekte in dieser Studie nicht ermittelt werden konnten. Zukünftige Forschung könnte einen Fokus auf Unternehmensbezogene Einflussfaktoren setzen und die Umsetzung einbeziehen (z.B. die Freiwilligkeit der Nutzung). Die Studie wurde im November 2019 und damit noch vor der Corona-Pandemie durchgeführt. Damit sind die erhalten Werte nicht von der aktuellen Gleichförmigkeit des Berufsalltags verzerrt. Die hohe Akzeptanz von Gamification-Elementen zeigte sich bereits vor dem rasanten Anstieg an E-Learning-Maßnahmen in Unternehmen. Nach den nun gestiegenen Erfahrungen mit E-Learning ist anzunehmen, dass Angestellte noch aufgeschlossener gegenüber abwechslungsreichen Gestaltungselementen sind. Gerade jetzt sollten Gamification-Elemente verstärkt genutzt werden, da sie nicht nur das Motivationspotential und den Spaßfaktor erhöhen, sondern auch akzeptiert werden.
Dipl. Psych. Roland Kretzschmar ist Dozent der Hochschule für Angewandtes Management und unterrichtet dort Wirtschaftspsychologie
Angela Herzog, Studierte Human Resource Management an der FOM Hochschule in Frankfurt und schrieb ihre Masterthesis über Gamification im E-Learning
Dipl. Kfm. Dietmar Pfaff ist Ehrenprofessor für Internationales Marketing und Management in China, Hochschullehrer an der RHF Köln und Inhaber der infomarketing GmbH
Dr. Patrick Hedfeld ist FOM Hochschuldozent in Frankfurt und unterrichtet dort Wirtschaftsethik und IT-Management. Als freier Publizist widmet er sich modernen Themen an der Schnittstelle zwischen IT und Fachlichkeit