Die Digitalisierung eröffnet auch kleinen und mittleren Betrieben des produzierenden Gewerbes neue Wachstumsperspektiven: angefangen von besseren Produkten und Dienstleistungen über einen größeren Kundenkreis bis hin zu gänzlich neuen Betätigungsfeldern, mit denen sich zusätzliche Einnahmequellen erschließen lassen. Diese Gelegenheiten können sie am Schopf packen, wenn sie digitale Geschäftsmodelle entwickeln.
Trotz Massenfertigung: Individuelle Produkte, maßgeschneidert nach Kundenwunsch
Das wohl bekannteste Beispiel sind Produkte der Losgröße 1: In der digitalen Fabrik lassen sich die Fertigungsprozesse intelligent steuern, sodass die nötige Flexibilität gewonnen wird, um Produkte nach den individuellen Wünschen der Kunden herzustellen. So können kleine und mittlere Unternehmen den Megatrend der Individualisierung, der die Kunden und ihr Konsumverhalten immer stärker prägt, aufgreifen und ihn durch maßgeschneiderte Produkte zu Serienpreisen gewinnbringend für sich nutzen. Ein Weg mit den Kunden zu interagieren und seine Gestaltungswünsche direkt in die Produktion einfließen zu lassen, sind Online-Plattformen mit Konfiguratoren. Sie bieten auch die Möglichkeit, andere Anbieter in den Herstellungsprozess einzubinden. Das ist zum Beispiel nützlich, wenn das eigene Angebot nicht ausreicht, um die Wünsche des Kunden zu erfüllen. Durch die Zusammenarbeit mit einem Geschäftspartner kann man das eigene Leistungsangebot erheblich vergrößern und so dafür sorgen, dass kein Kundenwunsch offenbleibt. Auf diese Weise schaffen die Kooperationspartner auch ein unverkennbares Alleinstellungsmerkmal, welches sie von anderen Marktteilnehmern abhebt.
Lesen Sie in dieser Serie demnächst folgende Beiträge: Teil 1: Warum der Mittelstand digitale Geschäftsmodell braucht Newsletter “Serienmelder” |
Fernwartung bis Vermietung: Neue Chancen entstehen
Ein wesentliches Merkmal ist, dass Unternehmen die Produktionsprozesse in Echtzeit verfolgen und sogar via App steuern können, wodurch sich ein breites Spielfeld an neuen Möglichkeiten ergibt. Zwei Beispiele: Zum einen können Unternehmen sich dadurch freie Anlagenkapazitäten anzeigen lassen und sie an andere Unternehmen vermieten, die gerade zusätzlichen Bedarf haben. Die Zeit des Leerlaufs bzw. Stillstands ist damit passé, sie wird in zusätzlich sprudelnde Einnahmequellen umgewandelt. Zum anderen können zum Beispiel die Hersteller von Maschinen und Anlagen ihre verkauften Produkte fernwarten und so ihren Kunden einen komfortablen Service in der Zeit nach dem Kauf anbieten. Kommt es zu Komplikationen, kann sich der Kunde mit einer Augmented Reality-Brille zur betroffenen Maschine begeben und es dem Techniker des Herstellers via Fernzugriff möglich machen, direkt mit der Analyse und Behebung des Fehlers zu beginnen. Diese Fernwartung ist für beide Seiten von Vorteil: Denn schnelle Fehlersuche und -behebung sind im Sinne der Kunden. Sie sorgen für Zufriedenheit und eine engere Bindung an das Unternehmen, was wiederum dem Hersteller zupasskommt.
Neue Betätigungsfelder im Service: Beratung, Qualifizierung und Data-Mining
Fern- oder Präventivwartung können natürlich auch von Dienstleistern angeboten werden. Das ist eine Facette im breiten Repertoire an neuen Chancen, die sich im Bereich Service auftun. Ein wichtiger Schwerpunkt ist auch die Beratung. Schließlich führen die technischen Neuheiten zu vielen Fragen rund um Recht und IT-Sicherheit, die beantwortet werden wollen. Ein weiteres Feld für neue Geschäftsmodelle sind Qualifizierungsangebote. Wenn die Digitalisierung Einzug in die Produktion hält, verändert sie auch die Aufgaben der Belegschaft. Die Mitarbeiter müssen auf die Übernahme neuer Aufgaben vorbereitet werden. Infolgedessen werden sich Geschäftsmodelle lohnen, die sich mit Qualifizierungsangeboten wie Webinaren, Workshops oder Vor-Ort-Schulungen am Markt in Stellung bringen.
Über all dem steht natürlich der Datensektor selbst. Das Sammeln, Speichern und Verkaufen von Daten ist längst zu einem eigenen Markt geworden; die Branche der Unternehmen, die geeignete Analyse- und Interpretationsverfahren entwickeln und so für ihren Kunden einen echten Nutzen aus den gigantischen Datenmenge ziehen, wird weiterwachsen. Ob ein solches Data-Mining, die Vermietung von Produktionskapazitäten oder Qualifizierungsangebote: Das digitale Zeitalter bringt für die Betriebe des produzierenden Gewerbes enorme Potenziale mit sich, die viel Freiraum für innovative Geschäftsideen bieten und weit über den einfachen Einsatz digitaler Technik hinausgehen.
Wie kleine und mittlere Unternehmen konkret ein digitales Geschäftsmodell entwickeln können, lesen Sie im nächsten Beitrag der Serie „Digitale Geschäftsmodelle“ von Mittelstand-Digital. Mittelstand-Digital informiert kleine und mittlere Unternehmen anbieterneutral über die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung. Regionale Kompetenzzentren helfen vor Ort dem kleinen Einzelhändler genauso wie dem größeren Produktionsbetrieb mit Expertenwissen, Demonstrationszentren, Netzwerken zum Erfahrungsaustausch und praktischen Beispielen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ermöglicht die kostenlose Nutzung aller Angebote von Mittelstand-Digital.
Dr. Franz Büllingen, Leiter der Begleitforschung Mittelstand-Digital, WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste
Studium der Soziologie und Volkswirtschaft an der Universität Bielefeld sowie Projektassistenz an der Freien Universität Berlin. Als Projektleiter tätig im Bereich Innovationsforschung und Systemanalyse bei der TA-Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages sowie der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seit 1993 ist Dr. Büllingen bei der WIK GmbH beschäftigt und leitet die Abteilung „Kommunikation und Innovation”.
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