“Zeit ist Geld” trifft auf “Papier ist Geduldig”. So oder so ähnlich, lässt sich der Alltag in vielen Finanzabteilungen Deutscher Unternehmen beschreiben. Wie kommt es, dass Meetings & Co. weitgehend digitalisiert sind, die Buchhaltungen aber vielerorts noch Belege tackern? Manuel Holzer, Enterprise Account Executive bei Payhawk antwortet im Interview.
Herr Holzer, warum ist die Digitalisierung von Finanzteams in Unternehmen Ihrer Meinung nach notwendig?
Manuel Holzer: Das Ziel ist es, Zeit für andere Aufgaben zu schaffen. Gerade in Finanz-Teams laufen nach wie vor noch viele Prozesse manuell, da bisher die notwendigen Tools gefehlt haben, um teils komplexe Anforderungen digital zu bewältigen. Die Digitalisierung hilft dabei, Prozesse viel effizienter zu gestalten und dem Papierdschungel entgegenzuwirken. . Die gewonnene Zeit kann dann andernorts produktiv genutzt werden.
Inwiefern behindern manuelle Prozesse die Arbeit von Buchhaltern und Finanzabteilungen?
Manuel Holzer: Stellen wir uns einmal vor, wir sprechen über ein Unternehmen mit 100 Angestellten, die durch Geschäftsreisen o. ä. jeweils 20 Ausgaben pro Monat erzeugen. Das wären bereits 2.000 Belege, die manuell einer Zahlung zugeordnet, freigegeben, eingescannt, abgelegt und verbucht werden müssen. Wenn wir davon ausgehen, dass dieser Prozess für einen Beleg seitens der Buchhalter nur 1 Minute dauert, sprechen wir bereits von 33 Stunden, also gut 4 Tage, nur um die “Zettelwirtschaft” zu erledigen. Hierbei sind z.B. Postwege bei Unternehmen mit mehreren Standorten noch nicht berücksichtigt, was noch zusätzlich zu erheblichen Verzögerungen im Prozess führen kann. Auch Rückfragen an Mitarbeiter, bzw. die Zeit der Mitarbeiter, die diese für die Buchhaltung vorbereiten, sind noch nicht berücksichtigt. Fazit: Die Zettelwirtschaft ist extrem ineffizient und kostet am Ende viel Zeit.
Welche konkreten Probleme entstehen für Unternehmen durch das analoge Arbeiten?
Manuel Holzer: Die Folgen, die analoge Prozesse mit sich bringen, sind hauptsächlich verlorene Zeit und ein Mangel an Nachvollziehbarkeit. Über den Zeitaufwand haben wir ja bereits gesprochen. In Deutschland müssen nach GoBD (Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme) alle Buchungen und Freigaben nachvollziehbar sein, das ist mit analogen Prozessen nur schwer zu leisten. Ich glaube jeder kennt noch den berühmten Firmenstempel mit Datum, Unterschrift und eventuell sogar Kostenstellen-Feld. Manchmal sind dann Monate vergangen und eine Rechnung muss nachträglich korrigiert werden. Nur: Wo ist die Rechnung? Im schlimmsten Fall in einem Ordner in irgendeinem Aktenschrank. Diese Zeit ist hoffentlich bei den meisten Unternehmen noch eine dunkle Erinnerung, aber sicherlich nicht bei allen. Einen bildlichen Vergleich kann man ziehen, indem man sich die Zeit vor Suchmaschinen vorstellt. Statt zu googlen hat man mal die Gelben Seiten oder den Brockhaus durchgeblättert.
Inwiefern erleichtert die Cloud-basierte Lösung den Zugriff auf Finanzdaten und Ausgabenmanagement für Unternehmen? Und wie sicher ist es?
Manuel Holzer: Der Vorteil von cloud-basierten Lösungen liegt darin, dass der Zugriff von überall möglich ist. Gerade in Zeiten, in denen das Homeoffice fester Bestandteil vieler Unternehmen geworden ist, kommen wir nicht um cloud-basierte Lösungen herum. Sie machen es möglich, dass Nutzer keine Updates laden müssen, da diese direkt eingespielt werden können. Weiter ist der Zugriff mit den eigenen Unternehmensstandards vereinbar, wie z.B. SSO.
Welche Rolle spielen Zertifizierungen und Standards bei der Sicherheit von digitalen Finanzprozessen, insbesondere im Zusammenhang mit Cloud-Lösungen?
Manuel Holzer: Zertifizierungen sind essentiell und sollten von Anwendern immer kontrolliert und eingesehen werden. Diese Zertifizierungen und Standards sind innerhalb Europas streng reguliert und Voraussetzung für jede Finanzsoftware, die Cloud-basiert arbeitet.
Wie kann sichergestellt werden, dass sensible Unternehmensdaten geschützt und Datenschutzbestimmungen eingehalten werden?
Manuel Holzer: Wir bieten unseren Kunden die Möglichkeit, online alle aktuellen Zertifizierungen anzufragen. Dazu gehören z.B. die ISO Zertifizierung, PCI Lizenzen, GoBD Zertifizierung, SOC 1 & 2, uvm. Diese Zertifizierungen sichern unseren Kunden den maximalen Schutz Ihrer Daten zu.
Welche besonderen Herausforderungen und Chancen sehen Sie für deutsche Unternehmen im Kontext der Digitalisierung von Finanzteams im Vergleich zu globalen Playern?
Manuel Holzer: Ich würde hier weniger von Herausforderungen oder Chancen sprechen, sondern eher von einer Notwendigkeit, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Deutschland ist ohnehin ein teurer Standort, also sollten wir uns die größte Mühe geben, unsere Ressourcen auch in den Finanzteams so effizient wie möglich zu nutzen. Zudem erwartet die nächste Generation von Buchhaltern keine Aktenberge mehr, sondern smarte Systeme um auch außerhalb des Büros arbeiten zu können.
Welchen Einfluss hat die aktuelle Rechtslage und Datenschutzgesetzgebung auf die Entwicklung von Finanzlösungen in Deutschland und Europa?
Manuel Holzer: Europa ist bereits sehr vereinheitlicht, was die Datenschutzgesetzgebung angeht. Allerdings gibt es bei Finanzdaten weitere landesspezifische Anforderungen, die von Lösungsanbietern beachtet werden müssen. Um z. B. die Aufbewahrung von Belegen überflüssig zu machen, haben wir für Deutschland die GoBD-Zertifizierung und für Spanien das AEAT-Zertifikat. Dabei “on top” zu bleiben kann eine Herausforderung sein, ist aber notwendig, um als Finanzlösung zu bestehen.
Zum Abschluss: Haben Sie ein konkretes Beispiel, das das Potenzial von digitalisierter Buchhaltung zusammenfasst?
Manuel Holzer: Persönlich finde ich, ist unsere Zusammenarbeit mit ATU eine gute Veranschaulichung. Dort wurden nämlich vorher die Papierrechnungen noch mit LKWs durch Deutschland transportiert. Nachdem wir gemeinsam die Prozesse digitalisiert und automatisiert haben, konnten sie sich allein im ersten Jahr zwei Millionen Euro vom Finanzamt zurückholen, die sonst verloren gegangen wären.