Interview

Warum agnostischen Ecosystemen die Zukunft gehört

Die Vision lautet, nicht nur am Puls der Zeit zu bleiben, sondern mit neuen Lösungen immer einen Schritt voraus zu sein, um die Chancen neuer Trends und Technologien bestmöglich auszuschöpfen. Lumir Boureanu, CEO der compacer GmbH, einem Tochterunternehmen der eurodata-Gruppe, im Gespräch mit Ulrich Parthier, Publisher it management.

Ihr Unternehmen hat es sich ja zum Auftrag gemacht mit Innovationskraft, umfangreicher Digitalisierungserfahrung sowie technologischem Know-how smarte Lösungen mit Mehrwert zu entwickeln. Gleichzeitig sehen Sie sich als Unternehmen, das sich auf die Integration und Automatisierung geschäftskritischer Prozesse spezialisiert hat. Ist das ein Widerspruch?

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Lumir Boureanu: Sicher nicht. Im Gegenteil. compacer zählt einerseits zu Deutschlands wichtigsten IT-Dienstleistern und ist andererseits als Softwareanbieter für den zuverlässigen und formatunabhängigen Datenaustausch von IT-Systemen bekannt. Mit dieser Kombination unterstützen wir Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Prozesse.

Wir sorgen dafür, dass sich deren IT-Struktur innovativ weiterentwickelt und sie für die Zukunft gerüstet sind, beispielsweise durch den Einsatz von Smart Services Lösungen aus den Bereichen EDI, e-Invoicing, Retrofit, Predictive Maintenance und Blockchain. Deshalb schätzen uns unsere Kunden als vertrauenswürdigen Technologiepartner und Innovator, der ihnen beim Auf- und Ausbau sicherer Ecosysteme hilft und ihre Wertschöpfungskette optimiert. 

Agnostische Ecosysteme, was müssen wir uns unter diesem Begriff vorstellen? In der IT ist die Bedeutung eine ganz andere als im normalen Sprachgebrauch.

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Lumir Boureanu: Ein agnostisches Ecosystem ist aus technologischer Sicht herstellerneutral, technologienunabhängig und in bestehende Unternehmenssysteme integrierbar. Wenn man das agnostische Ecosystem aus gesellschaftlicher Perspektive betrachtet, wäre es vergleichbar mit der Entwicklung einer Monarchie hin zu einer Demokratie. Kurzum: Ein agnostisches Ecosystem ist die Grundlage eines kooperativen, digitalen Geschäftsmodells, so wie es heute, in einer Ära vernetzter Unternehmen, üblich ist. Im Grunde geht es darum, dass Unternehmen einander vertrauen – auch dem unmittelbaren Wettbewerber – und gemeinsam neue Märkte gestalten und Visionen verwirklichen.

Sie kombinieren agnostische Ecosysteme mit dem Begriff der Plattformökonomie. Auch unter diesem Begriff können sich sicher nicht alle Leser etwas vorstellen?

Lumir Boureanu: Plattformunternehmen konzentrieren sich auf die Vermittlung zwischen Angebot und Nachfrage und agieren intermediär, indem sie die verschiedenen Marktteilnehmer digital miteinander verbinden. Dadurch entsteht eine Plattformökonomie, die drei wesentliche Vorteile mit sich bringt: minimale Transaktionskosten, Fokussierung auf den Kundennutzen und positive Netzwerkeffekte.

Sie bilden die Grundlage für unsere B2B– Welt. Wie wichtig und erfolgreich diese Plattformunternehmen sind, sieht man an Konzernen wie Apple, Alphabet/Google, Amazon, Facebook, Microsoft, Tencent und Alibaba. Sie sind heute bereits mehr wert als die großen traditionellen Marktführerund nicht zuletzt daran erkennt man, wo die  Reise hingeht. 

Kernziel der digitalen Transformation ist die Etablierung neuer Geschäftsmodelle. Wie kommen Sie ins Spiel?

Lumir Boureanu: Mit dem Entstehen und der Verbreitung der digitalen Transformation muss sich die Industrie im Allgemeinen, vor allem aber die Fertigungsindustrie und der Maschinenbau, neu erfinden. Sie müssen neue Geschäftsmodelle entwickeln und etablieren. Die Kernfrage ist, wie finden Unternehmen in den sich verändernden Märkten ihren Platz und wie können sie Plattformstrukturen für sich nutzen? An dieser Stelle können wir mit unserer Erfahrung, Marktkenntnis und den richtigen Technologien unterstützen. Wir zeigen auf, wie Ecosysteme und Plattformökonomie im Einzelfall aussehen und funktionieren können. Dabei können beispielweise Industrieplattformen wie Siemens MindSphere, Adamos oder Axoom helfen, denn sie ebnen den Weg zur „Smart Factory“. Letztlich geht es darum, die Erfahrungen aus den B2C-Märkten, also von Airbnb, Google, Amazon, Apple & Co. auf die B2B-Situation zu übertragen. Wie wichtig diese Veränderung ist lässt sich nicht zuletzt daraus schließen, dass Gartner „Digitale Plattformen“ als einen weltweiten Megatrend der digitalen Ökonomie einordnet. 

Sehen Sie zwischen B2C und B2B Unterschiede was die Plattformökonomie angeht?

Lumir Boureanu: Die Plattformökonomie gilt als das Herzstück der digitalen Revolution. Namhafte Beispiele zeigen, welche Potentiale in einer B2C-Plattform stecken.  Im B2B-Sektor gestaltet sich dieser zentralisierte Einsatz von Plattformökonomie aber durchaus schwierig. Der neu geprägte Begriff der Co-opetition, also der Zusammenarbeit unter Mitbewerbern, fordert eine neue Denkweise. Aus Sicht der kooperativen Spieltheorie sind Unternehmen „interdependent“, sprich voneinander abhängig. Sie kooperieren, um neue Werte zu schaffen und eine Steigerung des Marktanteils zu erreichen. Im Kontext der B2B-Plattformen wiederum sprechen wir über dezentral aufgebaute Ecosysteme aus Sicht des Governance- und Betreibermodells. So gesehen gibt es durchaus Unterschiede zwischen den beiden Märkten.

Sie haben in dem Webinar „Plattformökonomie in der Industrie – Lessons learned“ Beispiele vorgestellt. Was war die Quintessenz?

Lumir Boureanu: In diesem Webinar haben wir auf Basis realer Anwendungsbeispiele und Erfahrungen unterschiedlichste Fragen erörtert, etwa warum Unternehmen auf Plattformökonomie setzen und wann es Sinn macht, eine solche Plattform aufzubauen. Es ging aber auch um die Herausforderungen und Besonderheiten agnostischer Ecosysteme. Die Quintessenz war die Tatsache, dass sich B2B-Unternehmen gedanklich und operativ umstellen müssen – weg vom klassischen Konkurrenzkampf und hin zum Kooperationswettbewerb. 

Sie sehen in der Architektur, der Implementierung und der Verbesserung kritischer Business-Prozesse stets die Grundlage und Stabilitätsvoraussetzung für Digitalisierungsprojekte. Woran scheitern Unternehmen oftmals?

Lumir Boureanu: Die meisten Unternehmen scheitern nicht an der Technologie oder dem Know-how. Es sind vielmehr die grundsätzlichen Anforderungen, die eher im Kontext des traditionellen Mindset zu sehen sind, die Probleme bereiten. Anstatt sich mit den Kernkompetenzen und dem Aufbau eines Ecosystems auseinanderzusetzen, werden proprietäre Plattformen gebaut. Diese funktionieren zwar einwandfrei, fokussieren in der Regel aber die eigenen Produkte und Services und weniger den Kunden. Damit sich die Unternehmen besser auf die Kunden und ihre Wünsche konzentrieren können, bieten wir von compacer zertifi zierte Lösungen, die auf geltenden Standards und modernsten Technologien basieren – so bleibt mehr Zeit für das Wesentliche.

Transformation von IT und innovative IT-Projekte, gibt es Empfehlungen von Ihnen das eine oder das andere voranzutreiben? Wo liegen die größten Potenziale für Unternehmen?

Lumir Boureanu: Beim Aufbau eines Ecosystems sind aus meiner Sicht drei Faktoren besonders wichtig. Die Wertsuche, das Erreichen des Maßstabs und das Design der neuen Märkte. Sie sind die Voraussetzung für eine funktionierende Plattformökonomie und zwar unabhängig davon, ob es sich um B2C oder B2B handelt. Bei der Wertsuche geht es um die Wertschöpfung für eine gesamte Branche, die Zusammenarbeit mit Wettbewerbern und das gemeinsame Verständnis, dass es um das gesamte Netzwerk geht und nicht mehr nur um Einzelunternehmen. Im nächsten Schritt müssen minimal lebensfähige Ökosystem (MVE) entwickelt und erprobt werden. Beim Aufbau solcher Netzwerke ist vor allem die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien eine große Herausforderung. Bei der Gestaltung der neuen Märkte schließlich muss ein MVE eingerichtet werden, das alle Netzwerkteilnehmer zum Mitmachen animiert. Es muss klar werden, welches Potential sich durch die neuen Geschäftsmodelle ergibt. Außerdem sollten alle Beteiligten mit verschiedenen Anreizen dazu animiert werden, etwa mit Kostensenkungen oder Umsatzwachstum, das Ecosystem zum Erfolg zu bringen.

Herr Boureanu, wir danken für das Gespräch!

 

Lumir

Boureanu

CEO

compacer GmbH

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