Die Herausforderungen und Widersprüche, vor denen Wirtschaft und Gesellschaft derzeit stehen, könnten kaum größer sein. Auf der einen Seite sind die Auftragsbücher in den Bereichen erneuerbare Energien, Pharma und IT prall gefüllt. Auf der anderen Seite ächzen Branchen unter explodierenden Energiepreisen, unterbrochenen Lieferketten und Personalmangel. Aber es gibt keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, sagt Razat Gaurav, CEO des Softwareunternehmens Planview. Er glaubt, dass Veränderungen auch Chancen mit sich bringen. Gaurav ist davon überzeugt, dass die Innovationskraft und der Überlebenswille der Wirtschaft mehr Positives bewegen können als es landläufig scheint.
Herr Gaurav, die zunehmenden Probleme verursachen immer mehr Unruhe. Als CEO eines amerikanischen Softwareunternehmens sollte Sie das nicht unberührt lassen. Was ist Ihr Credo?
Razat Gaurav: Anstatt wie viele in Panik zu geraten, sollten wir uns auf das besinnen, was zählt. Die Menschheit ist grundsätzlich viel besser in der Lage, Herausforderungen zu meistern, als viele es ihr zutrauen. Aktuell geht es darum, unsere Widerstandsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Wir dürfen uns nicht von den aktuellen Umständen lähmen lassen, sondern müssen unsere Perspektive ändern – uns auf die positiven Optionen konzentrieren und fundierte Entscheidungen treffen. Führungskräfte können das beispielsweise tun, indem sie ihre Arbeit mit Bedacht machen – auf Grundlage solider Daten. Auf diese Weise können sie sich einen Überblick verschaffen und auch bei Gegenwind die richtigen Initiativen vorantreiben.
Das ist interessant, denn die Unternehmen scheinen zu befürchten, mit den Veränderungen, der sich wandelnden Wirtschaft nicht Schritt halten zu können.
Razat Gaurav: Der Wandel nimmt in allen Geschäftsbereichen an Dynamik zu – manchmal absichtlich, manchmal ausgelöst durch externe Faktoren. Nehmen Sie den massiven Umbruch im Automobilsektor: vom Verbrennungs- zum Elektromotor, den Generationswechsel bei den Konsumenten und das damit einhergehende neue Kaufverhalten oder aber die strukturellen Veränderungen in den Lieferketten infolge der Pandemie. All diese Veränderungen vollziehen sich in einem rasanten Tempo. Damit Unternehmen mit dieser sich verändernden Dynamik Schritt halten können, müssen sie schnell handeln. Aber nicht impulsiv sein. Und sie müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Ich treffe immer noch oft auf Unternehmen, die in traditionellen Strukturen und Prozessen agieren. Einige davon tun sich mit der aktuellen Situation schwer. Sie sind gar nicht in der Lage, sich anzupassen.
Was kann man dagegen tun?
Razat Gaurav: Die Szenarioplanung ist ein bewährter Ansatz, um in unsicheren Zeiten strategische Entscheidungen zu fällen. Deshalb sollten Führungskräfte sie zu ihrer Kernkompetenz machen. Unternehmen müssen smarter und flexibler agieren. Sie müssen auf schnelle Richtungswechsel vorbereitet sein, wenn sie unter den gegebenen Umständen erfolgreich sein wollen. Damit das möglich ist, braucht es eine belastbare Verbindung zwischen der Strategie eines Unternehmens, den Produkten und Dienstleistungen, aber auch den Kundenanforderungen.
In einer Benchmark-Studie haben wir herausgefunden, was ein Unternehmen benötigt, um auch in der Zukunft erfolgreich zu sein. Eine kontinuierliche Unternehmensplanung würde hier zum Beispiel helfen. Die Unternehmen sollten deshalb sicherstellen, dass die Daten, mit denen sie arbeiten, aktuell und nachvollziehbar sind. In diesem Kontext ist es sinnvoll, in Technologien zu investieren, die helfen, die Auswirkungen von Veränderungen möglichst fundiert zu bewerten. Schlussendlich aber müssen die Unternehmen ihre Komfortzone verlassen, ihre Strategien und Prozesse überprüfen und sich anpassen. Auch wenn es weh tut. Dabei spielt vor allem die agile Unternehmensplanung eine wichtige Rolle. 70 Prozent der Unternehmen, die wir in der Studie als Vorreiter identifiziert haben, gaben genau das als ihr Erfolgsrezept an.
Aber wie funktioniert das? Wenn es so einfach wäre, würden sich nicht so viele Unternehmen damit herumschlagen.
Razat Gaurav: Das ist weniger kompliziert, als viele denken. Business Agility ist für Unternehmen zu einer “Anpassungsfrage” geworden. Organisationen, die sich nicht an agilere Arbeitsweisen anpassen, werden in den kommenden Jahren vor großen geschäftlichen Herausforderungen stehen. Unternehmen müssen in der Lage sein, einen organisatorischen Fokus auf wichtige strategische Ergebnisse zu legen. Sie müssen Teams befähigen, ihr Bestes zu geben, unabhängig davon, wie oder wo sie arbeiten. Nur dann können sie besser und flexibler zusammenzuarbeiten und sich organisieren. Das wiederum hilft, das bestehende Geschäftsmodell an die Gegebenheiten anzupassen. Darüber hinaus sind ein transparenter Überblick über die Arbeit, aber auch Investitionen in eine solide Datengrundlage zielführend. Das sind wichtige Voraussetzungen, um intelligente Entscheidungen zu treffen.
Dabei ist die richtige Technologie eine entscheidende Grundlage für den Erfolg – insbesondere Lösungen die Sichtbarkeit, Effizienz und Transparenz im gesamten Unternehmen schaffen. Aus der erwähnten Umfrage geht hervor, dass 49 Prozent der “Strategy Execution Leader” – also der Unternehmen mit den schnellsten und qualitativ hochwertigsten Ergebnissen – in Technologien zur Automatisierung und Effizienzsteigerung investieren. 53 Prozent investieren in Technologien, die den Priorisierungsprozess verbessern, um Ressourcen leichter den wichtigsten Aufgaben zuweisen zu können.
Aber es kann nicht nur an der Technologie liegen. Was ist mit den Menschen? Vor allem jetzt, wo es immer schwieriger wird, Mitarbeiter zu finden und zu halten.
Razat Gaurav: Das ist ein absolut wichtiger Punkt. Konzepte und Plattformen, die die Zusammenarbeit fördern, helfen da. Während es vor zehn Jahren noch unüblich war, sich virtuell abzustimmen, ist das heute eine Selbstverständlichkeit. Nicht zuletzt die Pandemie und das damit verbundene hybride Arbeiten haben dazu beigetragen, dass wir trotz räumlicher Distanz über bessere Verfahren und Lösungen verfügen. Eine weitere Voraussetzung für den Erfolg ist, dass jeder das Ziel des Unternehmens kennt und proaktiv unterstützt. Um das zu erreichen, muss man die Menschen natürlich intensiv einbinden, von Anfang an und auf Augenhöhe. Dabei helfen die Lösungen von Planview im Portfoliomanagement und im Work Management.
Interaktion und Integration also – aber reicht das aus, um in einem überhitzten Markt zu überleben, geschweige denn erfolgreich zu sein?
Razat Gaurav: Es steht außer Frage, dass sich die Wirtschaft und das Business auch in Zukunft verändern und Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen wird. Nichts ist beständiger als der Wandel. Dennoch muss sich das Tempo der digitalen Transformation weiter beschleunigen und darf sich keinesfalls verlangsamen. Sicherlich – es kann einige Zeit in Anspruch nehmen, diese Neuausrichtung eines Unternehmens zu erreichen. Die Verlagerung von Projekten zu Produkten ist eine wichtige Dimension, um die Digitalisierung zu ermöglichen, und die konstante Ausrichtung der Investitionen an derartigen Initiativen ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Unternehmen müssen bei der Planung und Umsetzung dieser Initiativen aber nicht nur über das “Wie”, sondern auch über das “Warum” nachdenken.
Führungskräfte sollten deshalb lieber heute als morgen damit beginnen, Prozesse zu ändern und Fähigkeiten wie Agilität und Flexibilität zu priorisieren. Traditionelle Werte und Methoden funktionieren nicht mehr. Nehmen Sie nur den Aspekt der Nachhaltigkeit. Heute ist es normal, dass internationale Teams zusammenarbeiten, ohne viel zu reisen – und das ist auch gut so, denn es schützt das Klima. So gesehen ist die moderne Technologie ein wichtiger Motor. Sie hilft uns, klimafreundlicher zu wirtschaften und ermöglicht uns, flexibler zu sein und schneller zu reagieren.
Wenn Sie so optimistisch sind, wo sehen Sie die Wirtschaft in drei Jahren?
Razat Gaurav: Ich bin zuversichtlich. Die Wirtschaft wird in der Lage sein, sich anzupassen. Unternehmen, die sich entsprechend weiterentwickeln können, werden weiter erfolgreich sein. Dank einer größeren geschäftlichen Flexibilität werden Unternehmen in der Lage sein, strategische Prioritäten schnell anzupassen. Sie werden Rahmenbedingungen schaffen, unter denen die Mitarbeiter nicht nur beste Arbeit leisten, sondern auch sehen, wie diese die strategische Ausrichtung des Unternehmens und die Kundenzufriedeneinheit beeinflusst. Das alles hat das Potenzial, Mitarbeiter in einen Innovationsprozess einzubinden und die datengesteuerte Entscheidungsfindung zu demokratisieren.
Alles in allem ist es für mich wichtig, dass wir ruhig bleiben und überlegt handeln. Wichtig ist aber auch, dass man etwas tut – sich weiterentwickelt. Ich bin sicher, dass wir in drei Jahren zurückblicken und feststellen werden, welche positiven Impulse wir dieser schwierigen Zeit zu verdanken haben.