Ob automatisierter Wareneingang im Handel oder intelligente Steuerung der Produktion – Künstliche Intelligenz (KI) gehört zu den wichtigsten Zukunftstechnologien für die deutsche Wirtschaft.
Bei der Vielzahl an Digitalisierungsangeboten und Lösungsversprechen fällt es kleinen und mittleren Unternehmen jedoch oftmals schwer, den Überblick zu behalten und die Potenziale für den eigenen Betrieb richtig einzuschätzen. Was bedeutet KI konkret im Unternehmensumfeld? Wo lohnt sich der Einsatz? Und wie gelingt die Finanzierung?
Künstliche Intelligenz (KI) ist auch für den Mittelstand keine Vision mehr, sondern findet zunehmenden den Weg in die Unternehmen. Eine Expertenbefragung von Mittelstand-Digital, einem Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, aus dem letzten Jahr hat dabei gezeigt, dass die größte Herausforderung für den Einsatz von KI bei kleinen und mittleren Unternehmen im fehlenden IT-Know-how liegt. Dazu kommen Datensicherheitsbedenken und die oftmals zu kleine Datenbasis der Betriebe. Die gute Nachricht: All diese Hürden lassen sich mit der richtigen Strategie überwinden. Dabei ist es zunächst wichtig, überhaupt zu verstehen, was mit KI im Unternehmensumfeld gemeint ist und wo sie gewinnbringend eingesetzt werden kann.
Hinter dem Begriff Künstliche Intelligenz steckt Software, die aus Daten lernt, statt umfassend von Softwareentwicklern programmiert zu werden. So helfen KI-Anwendungen kosteneffizient bei der Lösung konkreter Anwendungsprobleme und unterstützen bei komplexen oder wiederholenden Arbeits- und Entscheidungsprozessen. Doch bevor Unternehmer KI nutzen können, gilt es grundlegende Fragen zu beantworten: Was soll mit dem Einsatz im Unternehmen genau erreicht werden? Welche Daten können als Grundlage dienen?
Basierend auf diesen Fragen kann ein zukunftsfähiges Einsatzszenario von KI im eigenen Unternehmen entwickelt werden. Die Einsatzmöglichkeiten reichen von automatisierten Angebotskalkulationen über Chatbots im Kundenservice bis hin zu automatischer Fehlererkennung in der Produktion und vorausschauender Wartung von Maschinen und Anlagen. KI kann also auch kleine und mittlere Unternehmen zum Beispiel im Wissensmanagement, bei der Qualitätskontrolle in der Produktion oder bei der Optimierung von Logistikprozessen unterstützen – und das in jeder Branche.
Die richtige Unternehmensstrategie für Künstliche Intelligenz finden
Seit rund einem Jahr bieten viele der Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren Unterstützung in Form von KI-Trainern an. Mit dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten KI-Trainer-Programm haben kleine und mittlere Unternehmen die Möglichkeit, sich anbieterneutral zu informieren, welche Lösungen für sie sinnvoll sind und wo im eigenen Betrieb Ansatzpunkte für eine KI-Implementierung bestehen. Gemeinsam mit den KI-Trainern können Unternehmer einen individuellen Digitalisierungsfahrplan erstellen, der sie nachhaltig bei erfolgreichen eigenen Digitalisierungsvorhaben unterstützt.
In kostenlosen Veranstaltungen, Workshops und Fachseminaren sensibilisieren die KI-Trainer Mittelständler für die technologischen und wirtschaftlichen Potenziale Künstlicher Intelligenz. Dabei demonstrieren sie den Unternehmen erfolgreiche Implementierungsbeispiele aus der Praxis, qualifizieren sie, die Technologie im eigenen Unternehmen einzuführen und begleiten sie bei der Umsetzung der Projekte.
Bild: 14 Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren bieten das KI-Trainer-Programm an.
Wie die Implementierung von KI im Mittelstand gelingen kann, zeigen heute schon einige Beispiel aus kleinen und mittleren Unternehmen:
Flexible Arbeitszeitmodelle durch Künstliche Intelligenz
Das regionale Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau, eines von 26 Zentren des Mittelstand-Digital-Netzwerks, hat einen thüringischen Hersteller von Dreh- und Frästeilen bei der Flexibilisierung von Arbeitszeiten mithilfe von KI unterstützt. Für die Umsetzung rüstete das Unternehmen alle Produktionsmaschinen mit Sensoren aus, vernetzte sie untereinander und führte alle Daten auf einer Plattform zusammen. Damit war eine entscheidende Voraussetzung für den KI-Einsatz geschaffen. Die gesammelten Maschinendaten werden durch eine selbstlernende Software analysiert und in Echtzeit Lauf-, Stillstand- und Umrüstzeiten mit dem Personaleinsatz abgeglichen. Eine Smartphone-App benachrichtigt die Mitarbeiter rechtzeitig, wenn Dopplungen bei der Maschinenbelegung entstehen, so dass diese sich Wartezeiten sparen und die freie Zeit nutzen können. Somit kann Künstliche Intelligenz auch ein Werkzeug sein, um die Attraktivität als Arbeitgeber zu erhöhen.
Intelligenter Wareneingang durch automatisierte Erkennung von Lieferungen
Um Kundenaufträge in Zukunft effizienter bearbeiten zu können, unterstützte das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Dortmund einen Fachhändler für Werkzeuge, Industriebedarf und Stahl- und Werkstoffe beim Aufbau eines Systems zur automatisierten Erkennung der Wareneingänge. Das Unternehmen bietet seinen Kunden im Online-Shop 40.000 Artikel von 600 verschiedenen Anbietern. Besondere Probleme in der Logistik bereiteten dabei bislang die frühzeitige Identifizierung eingetroffener Sendungen, deren Priorisierung sowie ein lückenloser und transparenter Informationsfluss zwischen Lager und Einkaufsabteilung. Abhilfe schafft nun eine automatisierte Erkennung der Lieferungen auf Basis einer Texterkennungs-Software für Lieferscheine. Diese unterstützt die Logistik, indem sie Lieferungen automatisch erfasst, den Wareneingang priorisiert und Lieferdokumente direkt archiviert. Manuell ergänzte Kommentare auf den Lieferscheinen werden ebenfalls automatisch erfasst. Dank maschinellem Lernen profitiert der Händler von einer optimierten und zeitsparenden Bearbeitung seiner Sendungen und geht so einen wichtigen Schritt in Richtung vollautomatischer Erfassung und Bearbeitung von Paketen.
Mit dem richtigen Partner die Finanzierung stemmen
Zu einem umfassenden Digitalisierungsfahrplan gehört eine passgenaue und langfristig angelegte Finanzierungsstrategie: Welche Mittel stehen zur Verfügung? Welche Investitionen sind sinnvoll und realisierbar? Für eine realistische Einschätzung ist es hilfreich, sich Unterstützung von außen zu holen. Externe Experten haben einen neutralen Blick auf die Ausgangslage des Unternehmens und verfügen über Fachexpertise, um passende Maßnahmen zu identifizieren. Darauf aufbauend kann dann gemeinsam ein Digitalisierungsfahrplan erarbeitet werden, der zum jeweiligen Budget des Unternehmens passt.
Die 26 Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren von Mittelstand-Digital informieren anbieterneutral und kostenfrei über Finanzierungmöglichkeiten, beantworten Fragen nach passenden Maßnahmen und möglichen Finanzierungsoptionen und unterstützen Mittelständler dabei, nachhaltige Finanzierungsstrategien zu entwickeln. So gibt es neben Bankkrediten zahlreiche Förderprogramme der Bundesländer, auf Bundesebene oder der EU, die kleine und mittlere Unternehmen bei der Digitalisierung unterstützen. Ob als Argumentationsgrundlage gegenüber der eigenen Hausbank oder für die Bewerbung auf Fördergelder – ein schlüssiges Digitalisierungskonzept, das bereits die Finanzierung mitdenkt, legt den Grundstein für nachhaltige digitale Geschäftsmodelle.
Die vergangenen Wochen und Monate im Zeichen der Corona-Pandemie zeigten einmal mehr den Digitalisierungsbedarf in der deutschen Wirtschaft auf. Das gilt im Besonderen für den deutschen Mittelstand. Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben und nicht von der internationalen KI-Entwicklung abgehängt zu werden, sollten mittelständische Betriebe sich mit KI-Anwendungsszenarien auseinanderzusetzen und ihre digitale Zukunft aktiv in die Hand nehmen.