Die Diskussion um die Besteuerung von digitalen Geschäftsmodellen geht in eine neue Runde: Die führenden Wirtschaftsmächte haben sich auf dem jüngsten G20-Treffen in Japan auf einen ambitionierten Fahrplan zur Reform der internationalen Besteuerung von Unternehmen verständigt.
Bis 2020 wollen sie staatliche Besteuerungsrechte neu verteilen und ein Konzept für eine globale Mindeststeuer vorlegen, um so vor allem große Digitalunternehmen stärker zur Kasse zu bitten.
Nationale Alleingänge setzen Staatengemeinschaft unter Zugzwang
Gewinne international tätiger Digitalunternehmen, die auf die Vermarktung von Nutzerdaten und nutzergenerierten Daten setzen, können mit den geltenden Vorschriften nicht wirksam besteuert werden. Es fehlt in der Regel mangels physischer Präsenz (Betriebsstätte) ein Anknüpfungspunkt für ein nationales Besteuerungsrecht.
Bereits im März 2018 hatte die Europäische Kommission darauf reagiert und einen Zwei-Stufen-Plan für neue Besteuerungsregeln für digitale Unternehmen in der EU vorgelegt. Doch die Einführung einer europäischen Digitalsteuer scheiterte am Widerstand der EU-Finanzminister. Als Reaktion darauf haben einzelne Länder in nationalen Alleingängen einseitig Digitalsteuern eingeführt oder deren Einführung konkret in Aussicht gestellt.
Es droht ein Flickenteppich aus nationalen Sondersteuern für Digitalunternehmen und damit die Gefahr unerwünschter Doppel- und Mehrfachbesteuerung. Auf diesen Druck haben die G20-Staaten mit dem verabschiedeten Fahrplan zur Reform der internationalen Besteuerung von Un-ternehmen reagiert.
Agenda der OECD/G20 zur Reform der Besteuerung der Digitalwirtschaft
Dabei verfolgt die OECD/G20 für eine künftige internationale Besteuerung der digitalen Wirtschaft eine auf zwei Säulen basierende Strategie:
Ausgangspunkt der ersten Säule ist, die Besteuerungsrechte künftig auch auf die sogenannten Markt- oder Nutzerstaaten zu verteilen, in denen sich die Nutzer von digitalen Dienstleistungen befinden, wo Absatzmärkte liegen oder nutzergenerierte Daten gewonnen werden. Dazu bedarf es zum einen einer Modifikation des rechtlichen Anknüpfungspunkts für eine Besteuerung, durch eine Erweiterung des bisherigen Betriebsstättenbegriffs um nicht-physische Komponenten oder die Schaffung eines eigenen Anknüpfungspunkts für ein nationales Besteuerungsrecht in Ergänzung zum physischen Betriebsstättenkonzept. Darüber hinaus müssen die internationalen Regelungen zur Allokation von Gewinnen angepasst werden. Hier werden in Ergänzung zum bisherigen Fremdvergleichsgrundsatz Methoden für eine Gewinnallokation erörtert, die eine proportionale Aufteilung von Unternehmensgewinnen entsprechend der Wertschöpfung in einem bestimmten Markt oder im Verhältnis der Aufwendungen für Marketing, Vertrieb und nutzerbezogene Aktivitäten vorsehen.
Die zweite Säule der Strategie besteht darin, ein bestimmtes Mindestbesteuerungsniveau für Digitalunternehmen sicherzustellen. Dies soll geschehen zum einen durch eine Mindestbesteuerung im Ansässigkeitsstaat und zum anderen durch Abzugsbeschränkungen bei Zahlungen ins Ausland, wenn diese dort keiner oder einer niedrigen Besteuerung unterliegen.
Auswirkungen auf die digitale Wirtschaft
Kurz- bis mittelfristig werden sich international tätige Unternehmen wohl neuen steuerlichen Regeln gegenübersehen. Was wären die Auswirkungen und Folgen? Es steht zu befürchten, dass der bürokratische Aufwand für die Erfüllung steuerlicher Pflichten weiter steigen wird:
- die geplante Ausweitung von Anknüpfungspunkten für staatliche Besteuerungsrechte dürften mit zusätzlichen Steuererklärungspflichten einhergehen;
- bestehende Systeme zur konzerninternen Gewinnabgrenzung (bisher orientiert am Fremdvergleichsgrundsatz) wären an neue Regeln anzupassen;
- geplante Abzugsbeschränkungen für Zahlungen ins niedrig besteuernde Ausland würden das zahlungsverpflichtete Unternehmen verpflichten, Informationen zu Umfang und Ausmaß der Steuerpflicht des Zahlungsempfängers einzuholen.
Fazit
Der Wunsch der Politik, sich den Zugriff auf Unternehmensgewinne von Digitalunternehmen zu sichern, mag zunächst verständlich sein. Zu beachten sind aber auch die Begehrlichkeiten anderer Staaten. So werden sich gerade exportorientierte Nationen wie Deutschland einem möglichen Steuerzugriff ausländischer Staaten auf Gewinne inländischer Unternehmen gegenübersehen.
Zentrales Element des Fahrplans der OECD/G20 ist daher die Untersuchung und Modellberechnung der ökonomischen Konsequenzen avisierter Maßnahmen. Neben den ökonomischen Folgen für die beteiligten Staatshaushalte und die Steuerpflichtigen sollen auch die Verwaltungskosten für die Finanzverwaltung und die Steuerpflichtigen ermittelt werden.
Zum Schwur wird es dann kommen, wenn auch diejenigen Staaten sich einer globalen Lösung zur Neuordnung von Besteuerungsbefugnissen nicht entziehen, die mit Blick auf das künftig zu erwartende Steueraufkommen zu den Verlierern einer Reform zählen.