Eine Bestandsaufnahme

Digitalisierung der deutschen Wirtschaft stockt

Digitalisierung

Die deutsche Wirtschaft steht vor einer doppelten Herausforderung: Eine schleppende Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Die Mehrheit der Unternehmen sieht in der aktuellen Wirtschaftskrise auch eine Krise der digitalen Transformation.

Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom geben 82 Prozent der Unternehmen an, dass die zögerliche Digitalisierung die Krise mitverursacht hat. 73 Prozent beklagen den Verlust von Marktanteilen, und 78 Prozent befürchten, dass Deutschland ohne Digitalisierung wirtschaftlich zurückfällt.

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Digitalisierung als Problemfeld und zugleich als Chance

Die Herausforderungen in der digitalen Transformation werden immer deutlicher. Noch nie zuvor gaben so viele Unternehmen an, Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu haben: 53 Prozent räumen Probleme ein, während es 2022 lediglich 34 Prozent waren. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Unternehmen, die sich als digitale Vorreiter sehen: Nur noch 32 Prozent würden sich selbst als führend in der Digitalisierung einstufen, während 64 Prozent sich als Nachzügler betrachten. Besonders alarmierend ist, dass 7 Prozent der Unternehmen ihre Existenz durch die Digitalisierung bedroht sehen.

Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst betont die Notwendigkeit eines politischen Kurswechsels: „Die Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt, sehen die Bedeutung der Digitalisierung und wollen mehr investieren – trotz schwieriger Konjunktur. Jetzt ist die deutsche und europäische Politik gefordert. Sie muss das viel zu enge Regulierungskorsett lockern und dafür sorgen, dass die nötigen Investitionen wirklich fließen. Wir brauchen einen grundsätzlichen Kurswechsel bei der Digitalpolitik. Auch in der Digitalisierung muss es jetzt heißen: All in!“

Deutschland im internationalen Vergleich

Die Mehrheit der Unternehmen (53 Prozent) verortet Deutschland in Sachen Digitalisierung im Mittelfeld, während 22 Prozent das Land unter den Nachzüglern sehen. Lediglich 13 Prozent zählen Deutschland zur Spitzengruppe. Führend in der digitalen Transformation gelten für deutsche Unternehmen vor allem die USA (23 Prozent) und China (20 Prozent), mit deutlichem Abstand folgen Singapur (9 Prozent) und Südkorea (6 Prozent).

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Digitale Geschäftsmodelle bleiben Mangelware

Viele deutsche Unternehmen haben Schwierigkeiten, digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. Obwohl sich bei 46 Prozent der Unternehmen das Geschäftsmodell aufgrund der Digitalisierung verändert hat, empfinden nur 16 Prozent die Entwicklung digitaler Konzepte als leicht. Besonders besorgniserregend: 31 Prozent der Unternehmen setzen sich erst gar nicht mit digitalen Geschäftsmodellen auseinander.

Wintergerst warnt vor den Folgen: „Kaum eine Branche kommt noch ohne digitale Dienste aus. Es reicht künftig nicht mehr, das handwerklich beste Produkt oder eine solide Dienstleistung anzubieten, wenn sie nicht vernetzt ist oder zum Beispiel Daten zur weiteren Optimierung nutzt.“

Zukunftstechnologien und deren Nutzung

Einige digitale Technologien haben in deutschen Unternehmen bereits Einzug gehalten. So setzen 44 Prozent Big Data ein, während weitere 38 Prozent eine Einführung planen. Auch Robotik (38 Prozent) und das Internet of Things (37 Prozent) sind auf dem Vormarsch. Künstliche Intelligenz wird aktuell nur von 17 Prozent der Unternehmen genutzt, obwohl 90 Prozent sie für wichtig halten.

Wintergerst fordert ein Umdenken: „Wir müssen digitale Technologien schneller in die Anwendung bringen. Eine Schlüsseltechnologie wie Künstliche Intelligenz hat enormes Potenzial und verändert die Wettbewerbssituation ganzer Branchen – loslegen, ausprobieren und machen sollte unser Ansatz sein.“

Investitionsbereitschaft steigt trotz Krisenstimmung

Trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten planen 29 Prozent der Unternehmen, ihre Investitionen in die Digitalisierung im laufenden Jahr zu erhöhen. Besonders erfreulich: Die Zahl der Unternehmen, die mehr investieren wollen, ist im Vergleich zu 2024 gestiegen.

Hürden für die Digitalisierung bleiben bestehen. Die größten Hemmnisse sind der Datenschutz (88 Prozent), fehlende marktfähige Lösungen (48 Prozent) und mangelnde Risikobereitschaft (43 Prozent). Auch der Fachkräftemangel (74 Prozent) und fehlende finanzielle Mittel (55 Prozent) stellen große Herausforderungen dar.

Wintergerst fordert hier ein Umdenken: „Datenschutz hat sich in Deutschland zum Digitalisierungshemmnis Nummer 1 entwickelt. Datenschutz ist und bleibt wichtig, aber auch im Datenschutz gibt es einen Kipppunkt, wo er mehr schadet als nutzt.“

Bitkom fordert Digitaloffensive für die nächste Regierung

Die Unternehmen stellen der aktuellen Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis aus: Die Digitalpolitik wird im Durchschnitt mit der Note 4,7 bewertet. Die Erwartungen an die nächste Regierung sind daher hoch. 87 Prozent der Unternehmen fordern die Digitalisierung von Staat und Verwaltung, 79 Prozent wünschen sich mehr digitale Souveränität.

Bitkom hat einen Sieben-Punkte-Plan für die ersten 100 Tage der neuen Regierung vorgelegt. Dieser umfasst unter anderem die Schaffung eines eigenständigen Digitalministeriums, die Abschaffung der Schriftformerfordernisse sowie einen Regulierungs-Stopp. Ziel ist es, Deutschland zu einem echten KI-Standort zu entwickeln und digitale Bildung flächendeckend zu fördern.

Wintergerst appelliert an die Politik: „Die neue Bundesregierung muss einen Re-Start in der Digitalpolitik wagen – und zwar von Tag eins an. Was wir brauchen, sind wirksame Maßnahmen bereits in den ersten 100 Tagen.“

Pauline Dornig

Pauline

Dornig

Online-Redakteurin

IT Verlag GmbH

Pauline Dornig verstärkt seit Mai 2020 das Team des IT Verlags als Online-Redakteurin. (pd)
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