„Wenn Sie einen scheiß Prozess digitalisieren, haben Sie hinterher einen scheiß digitalen Prozess” – so sagte es der damalige Chef von O2, Thorsten Dirks, vor einigen Jahren. Und er hat Recht – denn viel zu häufig wird bei der Digitalisierung vergessen, dass der Einsatz von Technologie allein keine der gewünschten Wirkungen entfalten wird.
Ein Kommentar von Johannes Woithon, CEO und Gründer Orgavision.
Die Einführung eines neuen Cloud-Dienstes allein wird das Produkterlebnis für die Kund:innen nicht besser machen, wenn nur die alte Systemarchitektur auf die Systeme von Cloud-Anbietern transferiert wird. Eine Digitalisierung der Abrechnungssoftware allein wird nicht dabei helfen, die Rechnungsprozesse schneller, flexibler und mit weniger Personaleinsatz durchzuführen.
Kurzum: Maximaler Kund:innenfokus entsteht nicht allein durch Technologie.
Denn die Wertschöpfung eines jeden Unternehmens liegt am Ende im Zusammenspiel der eingesetzten Technologie mit den Mitarbeiter:innen. Und dafür werden vor allem saubere, gut dokumentierte Prozesse benötigt. Nur so kann Qualität nachhaltig gesichert werden.
Bei der Digitalisierung den Menschen mitnehmen
Unternehmen, die sich am Markt behaupten wollen, sind heute einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen. Und damit werden die Zyklen, innerhalb derer Mitarbeiter:innen neue Dinge lernen müssen, immer kürzer. Was dann passiert, ist in vielen schnell wachsenden Unternehmen sichtbar: Chaos. Neue Mitarbeiter:innen bekommen kein verlässliches Onboarding, weil kaum einer mehr einen Überblick über all die Tools, Prozesse und wichtigen Dokumente hat.
Und Mitarbeiter:innen, die schon länger dabei sind, sind frustriert, weil sie mit der Veränderung kaum mehr Schritt halten können und die ursprüngliche Vision des Unternehmens im alltäglichen Chaos des Tagesgeschäftes untergeht.
Die Wissenschaftlerin Jeanne W. Ross hat im Jahr 2013 vier Stufen der IT-Transformation in Unternehmen identifiziert. Die funktionelle Optimierung der IT, die Erhöhung der Effizienz der IT – meist ausgedrückt in Kosteneinsparungen – durch Standardisierung, die Optimierung von Prozessen in Verbindung mit optimierter Datenhaltung und schließlich die vierte Stufe, in der ein strategischer Einsatz von IT unter anderem durch Modularisierung möglich wird.
Diese stufenweise Entwicklung kann aber nur gelingen, wenn Mitarbeiter:innen im Unternehmen dabei sinnvoll mitgenommen werden. Warum ist es notwendig, die bisher einzeln gepflegten Datenbanken zu konsolidieren? Wie genau funktionieren die neuen Prozesse, die zur Erhöhung der Effizienz eingeführt wurden? All das sollte gut nachvollziehbar dokumentiert sein. Dabei hilft ein softwaregetriebenes Qualitätsmanagement, aus dem Prozesse, Ansprechparter:innen und wichtige Dokumente schnell und einfach ersichtlich werden.
Qualitätsmanagement hilft den Mitarbeitern – und ist keine Belastung
Ich weiß, was Sie jetzt denken: Dem alltäglichen Wahnsinn mit vielen Tools und Prozessen soll jetzt ausgerechnet durch die Einführung eines neuen Tools begegnet werden? Ich kann ihre Skepsis verstehen.
Aber aus der Praxis der Implementierung bei unseren Kunden kann ich Ihnen versichern, dass ein gut eingeführtes Qualitätsmanagement in der Regel sehr schnell eine hohe Akzeptanz bei den Mitarbeiter:innen erfährt. Denn wenn Informationen schnell, qualitätsgesichert und stets up to date vorliegen, beseitigt das viele Frustrationsmomente im Arbeitsalltag. Inmitten der Transformation erweist sich das Qualitätsmanagement sogar oft als Konstante, die den Mitarbeitenden Sicherheit in ihrem Tun bietet. Schließlich besagt es, wie Prozesse sein sollten, liefert also Leitplanken für die Arbeit. Und sollte sich in der Umsetzung doch herausstellen, dass die Praxis anders funktioniert, als in der Theorie gedacht bzw. dokumentiert, greift im Qualitätsmanagement immer der kontinuierliche Verbesserungsprozess. Hervorgegangen aus der japanischen Managementphilosophie Kaizen, fördert dieser Ansatz das stetige Streben nach Verbesserung der Produkt-, Service- und eben auch Prozessqualität in kleinen Schritten.
Nehmen Sie einen unserer Kunden – das Klinikum Südostbayern. Unser Qualitätsmanagementsystem wurde hier nach und nach eingeführt. Schrittweise wurden weiter Abteilungen, Funktionen und Prozesse hinzugefügt, um den Mitarbeitenden Zeit zu geben, sich mit dem System vertraut zu machen. Die Software konnte sich so im Alltag eine hohe Akzeptanz und Relevanz durch die Mitarbeiter:innen sichern. Sätze wie “Endlich sehe ich, wer wofür zuständig ist” oder “Heute finde ich Formulare viel schneller” gehören zum Alltag. So bleibt mehr Zeit für die Pflege der Patient:innen – und vielleicht auch mal ein paar Minuten zum Durchschnaufen im stressigen Krankenhausalltag.
Die soziale Ebene der Digitalisierung
Sie sehen: Digitalisierung lässt sich nicht auf den Aspekt Technologie reduzieren. Software ist lediglich die Infrastruktur für die Verbesserung von Prozessen, Dienstleistungen und Produkten. Viel wichtiger ist die soziale Ebene, denn was bringt die beste digitale Infrastruktur, wenn sie nicht oder nur unzureichend genutzt wird? Daher kann ich sie nur ermutigen: Beziehen Sie ihrer Mitarbeiter:innen von vornherein in ihre Digitalisierungsstrategie mit ein. Und setzen Sie auf Qualität. Sie werden es nicht bereuen.
Autor: Johannes Woithon, CEO und Gründer Orgavision
www.orgavision.com