Als der Europäische Gerichtshof im Jahr 2020 den EU- Datenschutzschild für ungültig erklärte, mussten tausende von Unternehmen von heute auf morgen sicherstellen, dass ihre Datenübertragungen rechtskonform sind. Das war eine große Herausforderung und warf eine noch größere Frage auf: Wer kontrolliert eigentlich die digitalen Assets eines Unternehmens?
Dieser Vorfall zeigte eindrücklich, warum das Konzept der digitalen Souveränität in der heutigen datengesteuerten Welt so wichtig ist. Das Thema ist nicht mehr nur eine Aufgabe der IT-Abteilungen, sondern hat Top-Priorität in den Vorstandsetagen.
Was genau ist digitale Souveränität – und warum spielt sie für jedes Unternehmen eine so wichtige Rolle?
Die drei Säulen der digitalen Souveränität
Digitale Unabhängigkeit ist ein vielschichtiges Konzept, das die Fähigkeit eines Landes oder einer Organisation umfasst, die Kontrolle über ihre digitalen Vermögenswerte, Infrastrukturen und Daten zu sichern. Sie geht über das bloße Eigentum hinaus und erstreckt sich auch auf die Fähigkeit, digitale Ressourcen unabhängig zu verwalten, zu entwickeln und zu steuern. Gemeint ist, tatsächlich die volle Hoheit zu haben. Dazu gehört wo und wie Daten gespeichert und verarbeitet werden, aber auch die Förderung der Unabhängigkeit bei der technologischen Entwicklung bis hin zur Durchsetzung lokaler Gesetze und Vorschriften im digitalen Raum.
Insgesamt geht es darum, dass digitale Souveränität Unternehmen in die Lage versetzt, autonome Entscheidungen über ihre digitale Präsenz und deren Betrieb zu treffen, frei von externem Druck oder Abhängigkeiten. In der Praxis kein leichtes Unterfangen.
Die Tabelle beschreibt die drei Säulen der digitalen Unabhängigkeit:
Bestandteil | Beschreibung |
---|---|
Datenhoheit | |
Souveränität der Infrastruktur | Beinhaltet die Aufrechterhaltung der Kontrolle über die physische und virtuelle Infrastruktur, die den digitalen Betrieb unterstützt. Dazu gehören Rechenzentren, Netzwerke und Cloud-Dienste. Ziel ist es, die Abhängigkeit von importierten Technologien zu verringern und die Widerstandsfähigkeit und Sicherheit kritischer digitaler Infrastrukturen gegen externe Bedrohungen oder Störungen zu gewährleisten. |
Technologische Souveränität | Umfasst die Fähigkeit, Schlüsseltechnologien selbstständig zu entwickeln, zu warten und zu steuern. Dazu gehört die Förderung lokaler Innovationen, die Unterstützung der heimischen Technologieindustrie und die Verringerung der Abhängigkeit von ausländischem geistigem Eigentum. Sie ermöglicht es Nationen und Organisationen, ihre technologische Zukunft zu gestalten und Wettbewerbsvorteile in der globalen digitalen Wirtschaft zu erhalten. |
Das Verständnis dieser drei Komponenten ist entscheidend für Unternehmen, die sich in der komplexen Welt der digitalen Souveränität zurechtfinden müssen. Jede Säule spielt eine wichtige Rolle bei der Gewährleistung einer umfassenden Kontrolle über die digitalen Vermögenswerte und Abläufe eines Unternehmens – was bedeutet, dass jede von ihnen berücksichtigt und korrekt umgesetzt werden muss, um die digitale Souveränität des Unternehmens zu sichern.
Warum digitale Souveränität wichtig ist
Das letzte, was CTOs, CIOs und IT-Entscheider brauchen, sind weitere Prio-A-Projekte auf ihrer digitalen To-Do-Liste ist. Aber es gibt zwingende Gründe, warum Unternehmen die digitale Souveränität ganz konkret angehen sollten – je früher, desto besser.
Hier sind drei davon:
1. Sicherheit und Compliance
Cyber-Bedrohungen nehmen zu, ebenso wie die strengen Datenschutzbestimmungen, die das Ziel haben, Unternehmen und Verbraucher zu schützen. Digitale Souveränität ist Teil der Strategie zum Schutz der digitalen Vermögenswerte eines Unternehmens. Indem die Kontrolle über die Datenverarbeitung und die Speicherung von Daten in geografischer Nachbarschaft bleibt, können Unternehmen das Risiko eines unbefugten Zugriffs auf sensible Informationen verringern. Diese Kontrolle erleichtert es Unternehmen, die lokalen Datenschutzgesetze effektiv einzuhalten. Datenschutzverletzungen können zu hohen Geldstrafen und Reputationsschäden führen. Die Sicherheitsvorteile digitaler Souveränität sind daher nicht hoch genug einzuschätzen.
2. Operative Resilienz
Digitale Souveränität verbessert die Fähigkeit eines Unternehmens, globale Störungen und technologische Herausforderungen zu überstehen. Durch die Verringerung der Abhängigkeit von importierten Technologien und Dienstleistungen in ihren Lieferketten können Unternehmen kritische Abläufe auch dann aufrechterhalten, wenn internationale Lieferketten oder Dienstleistungen beeinträchtigt sind. Diese Widerstandsfähigkeit zeigte sich besonders während der COVID-19-Pandemie, in der Organisationen mit größerer digitaler Souveränität oft besser positioniert waren, um sich an schnelle Veränderungen im globalen Geschäftsumfeld anzupassen. Darüber hinaus ermöglicht die Kontrolle über die digitale Infrastruktur schnellere Reaktionszeiten auf betriebliche Probleme, reduziert Ausfallzeiten und sorgt für die Aufrechterhaltung der Geschäftsabläufe.
3. Innovation und Wettbewerbsfähigkeit
Digitale Souveränität wirkt als Katalysator für Innovation und regionales Wirtschaftswachstum. Durch die Förderung der lokalen Technologieindustrie wird ein fruchtbarer Boden für die Entwicklung modernster Technologien geschaffen, die auf die lokalen Bedürfnisse und Vorschriften zugeschnitten sind. Dies schafft nicht nur Arbeitsplätze im Technologiesektor, sondern treibt auch das Wirtschaftswachstum voran, da diese Innovationen in verschiedenen Branchen angewendet werden. Darüber hinaus sind Unternehmen mit starker digitaler Souveränität besser positioniert, um auf dem globalen Markt zu bestehen, da sie einzigartige digitale Lösungen schneller entwickeln und einsetzen können, ohne durch Abhängigkeiten von importierten Technologien oder ausländischen Vorschriften behindert zu werden.
Im nächsten Teil der Artikelserie zur digitalen Souveränität zeigt der Autor, wie Unternehmen den richtigen Aktionsplan aufstellen, um die technischen und operativen Hürden zu überwinden und ihre Geschäftsmodelle zu sichern. |