Hemmschuh für den wirtschaftlichen Erfolg bei Cloud-Anbietern?

Digitale Souveränität

Seit einigen Jahren nimmt der Diskurs rund um die staatliche „digitale Souveränität“ an Fahrt auf.

In der aktuellen Schwerpunktstudie von 2021 definiert das Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie den Begriff, kategorisiert ihn systematisch und stellt heraus: Eine der wichtigsten Bestandteile digitaler Souveränität sei die „Datenhoheit“ – die Befugnis zur Datenspeicherung, -sicherung und -verarbeitung. Genau diese Kategorie stellt außereuropäische, international agierende Cloud-Service-Anbieter allerdings vor wirtschaftliche Herausforderungen.

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Datensouveränität, der Grundsatz wie einzelne Länder die Speicherung von Daten innerhalb ihrer Grenzen regeln, hat sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen politischen Anliegen entwickelt. Die Europäische Union, aber auch die Vereinigten Staaten, Indien und zahlreiche andere Länder arbeiten kontinuierlich an umfassenden rechtlichen Rahmenbedingungen, welche streng regulieren, wie Daten grenzüberschreitend erfasst, gespeichert und verteilt werden.

Bereits im Juli 2020 erklärte der Europäische Gerichtshof mit dem Schrems-II-Urteil das einstige Privacy-Shield-Abkommen zwischen den USA und der EU für ungültig. Die Rechtsprechung wirkt sich auf den Transfer, die Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten zwischen den USA und Europa aus und deklariert die Vereinigten Staaten als unsicheres Drittland. Somit dürfen europäische Daten nicht mehr länger in den USA verarbeitet werden. Außereuropäische Cloud-Provider reagieren, indem sie Rechenzentren in den (europäischen) Ländern errichten, in denen bereits eine Nachfrage für ihre Service-Dienstleistungen besteht oder in denen sie neue Kunden gewinnen wollen – auch dann, wenn sich eine solche Eröffnung wirtschaftlich meist gar nicht lohnt.

Steht der europäische Markt für kleine und mittelständische Cloud-Storage-Anbieter damit vor dem Aus?

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Höhere Kosten für Kunden

Eine solche Annahme erscheint naheliegend, wenn man die Kosten betrachtet. Digitale Souveränität bedeutet nämlich, dass die Verlagerung in die Cloud nicht mehr einfach möglich ist. So darf ein Unternehmen in Indien seine Daten möglicherweise nicht in England speichern, und ein Unternehmen in Deutschland kann bestimmte Daten nicht in den USA speichern. Nun müssen etwa Cloud-Service-Anbieter in jedem Land, in dem sie ihre Dienste vermarkten wollen, physische Einrichtungen errichten – was wenig vorteilhaft ist, weil es für Cloud-Anbieter günstiger ist ein großes Rechenzentrum zu betreiben als ein Dutzend kleiner. Zudem kann der Betrieb einer solchen Einheit zwischen Ländern deutlich variieren.

Ein einfaches Beispiel macht dies deutlich: Während die Stromkosten in Deutschland bei etwa 24 Euro pro kWh liegen, sind sie im Nachbarland Niederlande nur halb so hoch. Wenn deutsche Cloud-Unternehmen gezwungen werden, ihre Daten hierzulande zu speichern, zahlen die Kunden somit möglicherweise mehr, ohne dass sich daraus nennenswerte Vorteile in Bezug auf Sicherheit oder Leistung ergeben. Zumal die Datenschutzgesetze in den Niederlanden den deutschen entsprechen. Digitale Souveränität hieße im schlimmsten Fall also höhere Kosten für Endnutzer, was einige der wirtschaftlichen Vorteile wie etwa den Kapitalzufluss und die Entstehung von Arbeitsplätzen wettmacht – zumindest teilweise.

Darüber hinaus haben die Gesetze zur Datenhoheit einen nennenswerten ökologischen Aspekt. Generell ist der beste Ort für ein Rechenzentrum ein kalter Ort mit Zugang zu billiger Energie, wie Island oder Skandinavien. Wenn sich ein Rechenzentrum kühlen lässt, indem man einfach kalte Frischluft von draußen hereinlässt, anstatt riesige Kühlanlagen in einem heißen Klima betreiben zu müssen, belasten Rechenzentren die Umwelt viel weniger. Die digitale Souveränität erschwert so ein Vorgehen jedoch. In Anbetracht der großen Mengen an Energie, die Rechenzentren verbrauchen, werden die Umweltauswirkungen der digitalen Datenhoheit in den kommenden Jahren vermutlich zu einem ernsteren Thema werden.

Mehr Investitionen und Arbeitsplätze

Abgesehen von den negativen Implikationen für Wirtschaft und Umwelt, haben Urteile wie Schrems II aber eine Reihe von positiven Folgen. Beispielsweise erhöhen sie die Nachfrage nach Rechenzentren in den jeweiligen Märkten. Die Regulierung fördert somit den Zufluss von Kapitalinvestitionen, schafft Arbeitsplätze vor Ort und eine größere Nachfrage nach lokalen Anbietern von Waren und Dienstleistungen. Denn war ein Unternehmen in London früher in der Lage, Daten an kostengünstigen Standorten wie Amsterdam zu speichern, muss es nun Rechen- und Speicherplatz in einem lokalen Rechenzentrum beschaffen. Zudem hindern Gesetze wie Schrems II große Organisationen und Unternehmen daran ihre Kundendaten beliebig außerhalb eines Landes verschieben, in dem sie gesammelt wurden. Nutzerinformationen dürfen erst übermittelt werden, wenn der Kunde dem ausdrücklich zustimmt. Die entsprechenden Gesetze zwingen Organisationen also dazu, Daten lokal zu speichern, selbst wenn dies mit höheren Kosten verbunden ist. Und werden Datenpakete in verschiedenen Ländern gespeichert ist auch ihre Analyse wesentlich schwerer.

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Schlussfolgerung: Regulierung im gemeinsamen Interesse der Beteiligten

Zweifellos sollten Cloud-Storage-Anbieter die Daten der Endnutzer ordnungsgemäß behandeln und sicher speichern. Die jeweiligen Gesetze zur Datensouveränität einzuhalten, ist daher nicht nur eine ethische Entscheidung, sondern ebenso eine geschäftliche. Schließlich müssen die Unternehmen diese befolgen, weil sie die Basis für die Geschäftstätigkeit in ihrem Bereich darstellen. Gleichzeitig spielen die Auswirkungen der unterschiedlichen nationalen Datenschutzgesetzgebungen eine zentrale Rolle und haben sowohl negative als auch positive Auswirkungen: Einerseits erschweren sie die Arbeit der Cloud-Service-Anbieter, indem sie vorschreiben, viele kleine Rechenzentren, statt einiger weniger großer Rechenzentren zu bauen. Andererseits schaffen sie Arbeitsplätze und fördern das jeweilige Tech-Ökosystem eines Landes.

Und obgleich ein Großteil der Debatte rund um die Datensouveränität in der Theorie geführt wird, gilt es zu bedenken, dass die Gesetze in der Realität erhebliche Auswirkungen auf den Lebensunterhalt von Menschen haben. Dies sollten verantwortungsbewusste Politiker in ihren Diskussionen und bei ihren gesetzlichen Entscheidungen berücksichtigen. Sie müssen eine Lösung finden, die im gemeinsamen Interesse von Unternehmen und Endkunden die beste ist.

David

Friend

CEO

Wasabi Technologies

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