Kommentar

Digitale Bildung trotz Digitalpaket konzeptlos, veraltet und unsicher

Die Corona-Pandemie hat nicht nur das Arbeiten, sondern auch die Bildung digital gemacht. Das zumindest war das Ziel von Home-Schooling. „Allerdings steckt digitale Bildung in Deutschland noch in den Kinderschuhen“, so Patrycja Tulinska. Die IT-Sicherheitsexpertin und Geschäftsführerin der PSW GROUP verweist auf den aktuellen Nationalen Bildungsbericht.

 „Leider wurde wissenschaftlich bestätigt, was zahlreiche Kinder, Jugendliche und Eltern schon seit Mitte März spüren: Auf digitalen Unterricht sind Schulen hierzulande nur mangelhaft vorbereitet“, fasst sie zusammen.

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Erhöhtes Sicherheitsrisiko

Wenn Schulen überhaupt an technischer Ausstattung verfügen, so ist diese laut Bildungsbericht veraltet. „Das führt zu einem erhöhten Sicherheitsrisiko: Mehr Schwachstellen ergeben ein deutlich erhöhtes Potenzial für Hackerangriffe. Fehlt es an Ausstattung, so ist keine ausreichende Bildung in der digitalen Welt möglich“, bringt es Tulinska auf den Punkt. Das führt auch schon zum nächsten Problem: Zum Erwerb digitaler Bildung braucht es erfahrene Lehrkräfte. Wenn diese aber digital ungebildet sind, wie es der Bildungsbericht offenbart, wie sollen ihre Schülerinnen und Schüler dann digitale Bildung erlernen? Um das zu ändern, möchte die Bundesregierung 500 Millionen Euro in Dienstrechner für Lehrkräfte investieren. „500 Millionen Euro für die technische Ausstattung von Lehrern klingt großzügig. Bedenkt man jedoch, dass mehr als 800.000 Lehrkräfte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen beschäftigt sind, reduziert sich das auf rund 600 Euro pro Person. Und Software und Services, die Sicherheit bieten, müssen auch einkalkuliert werden“, gibt Tulinska zu bedenken.

Eine Studie vom April der Deutschen Telekom Stiftung zum Thema Home-Schooling untermauert das Dilemma: Zwar seien Schülerinnen und Schüler zu Hause bestens ausgestattet, auf hochwertigen digitalen Unterricht hätten sie sich jedoch nicht verlassen können. So wurde Wissen weitgehend herkömmlich vermittelt, indem Arbeitsblätter per E-Mail versandt wurden und die Schüler Texte lasen. Kreative Wissensvermittlung über echten Fernunterricht, Erklärvideos oder digitale Gruppenarbeit fanden laut Stiftung kaum statt.

Kein bundeseinheitlicher Standard

„Ein riesiges Problem in der digitalen Bildung ist die Tatsache, dass es keinen bundeseinheitlichen Standard gibt. Jedes Bundesland kocht sein eigenes Süppchen, jedes bietet seine eigene Lernplattform“, bemängelt Patrycja Tulinska und ruft in Erinnerung: „Nicht jede dieser Lernplattformen ist außerdem so sicher, dass Hacker ausgesperrt bleiben. Ich denke beispielsweise an den mebis-Hack, an gekaperten Videounterricht und missbrauchte Schulwebsites.“ Und das ist noch lange nicht alles: In Deutschland existiert kein Konzept für die digitale Bildung.

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Allein mit mehr Endgeräten und Breitbandanschlüssen ist es nicht getan. „Leider ist es so, dass für viele Schulleiterinnen und –leiter Digitalisierung darin besteht, ein PDF-Arbeitsblatt per E-Mail zu versenden. Dabei geht es nicht darum, den Präsenzunterricht 1:1 online abzuhalten, sondern, wie beim Blended-Learning, analoge und digitale Methoden miteinander zu verknüpfen“, meint Patrycja Tulinska und wird genauer: „Seit über anderthalb Jahren existiert der Digitalpakt Schule. Wie kann es da sein, dass es hierzulande immer noch Lehrerinnen und Lehrer gibt, die nicht einmal per E-Mail zu erreichen sind?“

Mit dem Digitalpakt Schule sollten Bildungseinrichtungen mit 5 Milliarden Euro die Digitalisierung voranbringen. „Es bringt doch nichts, wenn lediglich Geräte angeschafft werden. Oder wenn einzelne Bundesländer aus verschiedenen Gründen ihre Mittel einfach nicht abrufen. Es braucht vielmehr ein pädagogisches Konzept, bei dem die Schulung des Schulpersonals hohe Priorität haben sollte“, fordert Tulinska und mahnt: „Darin enthalten muss auch eine Schulung der Awareness sein. Lehrer und Schüler müssen Sicherheitsrisiken erkennen können und wissen, wie sie sich davor schützen. Dieses Wissen reduziert meines Erachtens gleichzeitig auch die hierzulande noch immer verbreiteten Bedenken und die geringe Offenheit gegenüber digitalen Medien im Allgemeinen und dem Home-Schooling im Besonderen.“

Patrycja

Schrenk

Geschäftsführerin

PSW GROUP

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