Die Finanzdienstleistungsbranche hat in den letzten Jahrzehnten einen großen Wandel hin zu digitalen Lösungen vollzogen. Neue Akteure, die nahezu ausschließlich auf digital setzen, wollen diese Entwicklung fortführen. Gerade in Deutschland scheint die Strategie aufzugehen, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Online-Banking und Drittanbieter werden in Deutschland gut angenommen, während man in Spanien, Großbritannien und Frankreich noch verstärkt auf traditionelle Banken setzt. Wie die anderen Nationen wollen jedoch auch die Deutschen nicht vollständig auf persönliche Beratung verzichten.
Die Art und Weise, wie Verbraucher Bankdienstleistungen nutzen, hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Die größte Veränderung war die Einführung der ersten Internet-Bankdienstleistungen in den späten 1990er Jahren, die sich mit der Verbreitung von Breitbandanschlüssen weiterentwickelten. Deutschland war in vielerlei Hinsicht führend beim digitalen Banking. 1990 legte die Deutsche Bundespost in Bonn den Grundstein, indem sie ihre Computer mit zunächst 200 Kunden in einer Testregion in Neuss und Düsseldorf vernetzte, um digitale Banküberweisungen zu ermöglichen. Im Jahr 2000 gab es dann in jedem größeren europäischen Land mindestens einen Internetbanking-Dienst, der Teil einer umfassenden Digitalisierung der Finanzmärkte darstellte. Das Wachstum des Online-Handels wiederum hat die Verwendung von Debit- und Kreditkarten gefördert, die heute das Bargeld als bevorzugtes Zahlungsmittel der Deutschen überholt haben.
Online-Banking ja, aber Beratung lieber persönlich
Das stetige Wachstum des digitalen Bankwesens über die letzten zehn Jahre wurde durch die anhaltende Pandemie noch beschleunigt. Da viele Banken eingeschränkte Öffnungszeiten hatten – und in einigen Fällen für längere Zeit komplett schließen mussten – haben sich die Kunden verstärkt dem Internetbanking zugewandt. Eine aktuelle Studie von NetApp zeigt jedoch, dass die Deutschen zwar von einigen digitalen Bankdienstleistungen begeistert sind, die persönliche Beratung aber immer noch hoch im Kurs steht.
Die unabhängige Studie, die vom Marktforschungsinstitut moweb im April und Mai 2021 durchgeführt wurde, befragte 800 Verbraucher aus Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien. Ziel war es, herauszufinden, wofür die Verbraucher in Bezug auf die Digitalisierung der Finanzdienstleistungsbranche bereit sind. Dabei haben die Nationen manches gemeinsam. So möchten beispielsweise mehr als drei Viertel der Befragten in allen vier Ländern den Großteil ihrer Finanzgeschäfte erledigen, ohne eine Filiale aufsuchen zu müssen. In einigen Punkten gingen die Antworten jedoch teils deutlich auseinander.
So sind traditionelle Banken immer noch die häufigste Wahl für die Befragten aller Ländern (Deutschland 82 Prozent, Großbritannien 94 Prozent, Spanien 87 Prozent, Frankreich 94 Prozent). Die Akzeptanz von Online-Banken wie N26 oder DKB sowie Drittanbietern wie PayPal und Apple Pay befindet sich allerdings in sehr unterschiedlichen Stadien. In Deutschland sind Online-Banken auf dem Vormarsch: Fast die Hälfte der Befragten (49 Prozent) nutzt sie bereits. Im Vergleich dazu nutzen 47 Prozent der Spanier, 35 Prozent der Briten und weniger als ein Viertel (20 Prozent) der Franzosen Online-Banken.
Drittanbieter überzeugen die Deutschen
Am vielleicht überraschendsten war das Wachstum von Drittanbietern wie PayPal, Apple Pay und Google Pay, die mittlerweile von 68 Prozent der Deutschen genutzt werden. Im Vergleich dazu nutzen nur 37 Prozent der Franzosen Drittanbieter – der niedrigste Wert von den vier Ländern. In Spanien liegt dieser immerhin bei 62 Prozent und in Großbritannien bei 57 Prozent.
Eine Erklärung für diese Zurückhaltung könnte sein, dass die Mehrheit der Befragten aus Großbritannien (64 Prozent), Spanien (75 Prozent) und Frankreich (73 Prozent) Angst davor hat, dass ihre persönlichen Kontodaten bei der Nutzung von Drittanbietern von Kriminellen gestohlen werden. Die Deutschen hingegen sind vertrauensvoller: Nur 42 Prozent teilen diese Befürchtung. Die Mehrzahl der Befragten aller Länder glaubt, dass die persönlichen Daten, die ihre Bank über sie hat, vor Hackern sicher sind. Außerdem sind 80 Prozent mit Ausnahme von Frankreich (73 Prozent) der Meinung, dass ihr Geld bei ihrer Bank sicher ist. Ein weiterer Grund für die geringe Nutzung von Drittanbietern speziell in Frankreich könnte darin liegen, dass 56 Prozent der Franzosen nicht wissen, wie diese funktionieren.
Mensch schlägt Maschine
Wenn es um den Zugang zu Bankdienstleistungen geht, sind die Website und App die bevorzugten Interaktionsmethoden für alle Nationen. Mit dem Unterschied, dass die Spanier eine App (82 Prozent) einer Website (63 Prozent) vorziehen, während die Briten eine Website (82 Prozent) gegenüber einer App (65 Prozent) bevorzugen. Rund 70 Prozent der Deutschen favorisieren diese beiden Interaktionsmethoden.
Aber auch der persönliche Service am Telefon oder in der Filiale ist beliebt: Etwas weniger als die Hälfte der deutschen Befragten zieht es vor, eine Filiale aufzusuchen (47 Prozent) oder mit einem Bankangestellten telefonisch zu sprechen (44 Prozent). In Frankreich ist diese Vorliebe am größten (Filiale: 61 Prozent, Telefon: 53 Prozent). Obwohl die digitalen Mittel die physischen Kontaktmöglichkeiten überholt haben, bleiben sie also relevant.
Die persönliche Beratung hat nach wie vor einen hohen Stellenwert im Bankgeschäft, wobei die Franzosen sie besonders schätzen. Im Gegensatz dazu hat sich der Einsatz automatisierter Bots als eher unbeliebt erwiesen. Online-Chat-Tools mit einer realen Person wurden zumindest von 31 Prozent der Deutschen gewünscht, jedoch fiel diese Zahl um die Hälfte auf nur 15 Prozent für Chatbots und noch weiter auf nur 6 Prozent für Sprachbots. Dieses Muster spiegelte sich auch in allen anderen Ländern wider, wobei Online-Chatbots und Sprachbots durchweg die unbeliebtesten Kontaktmöglichkeiten waren.
Künstliche Intelligenz (KI) wird zögerlich angenommen
Etwa die Hälfte der britischen, spanischen und französischen Befragten möchte nicht, dass Finanzdienstleistungen automatisiert und KI-basiert sind. Die Deutschen stehen der Idee etwas offener gegenüber – nur 34 Prozent sind dagegen. Die Anlageberatung durch KI-gesteuerte Robo-Advisors hat jedoch in allen Ländern einen niedrigen Stellenwert.
Auf die Frage nach den ihnen wichtigsten Finanzdienstleistungen nannten die Deutschen Online-Banking (92 Prozent), Überweisungen (84 Prozent) sowie Zahlungen über Drittanbieter (80 Prozent) als die drei wichtigsten. Am unwichtigsten sind die Anlageberatung durch Robo-Advisors (13 Prozent), der 24/7-Service über einen Chatbot (16 Prozent) und die Online-Live-Beratung (17 Prozent). Im Gegensatz dazu schätzen 80 Prozent der Franzosen die Online-Live-Beratung und nur 28 Prozent der Briten elektronische Überweisungen.
Die Zukunft ist hybrid – digital und persönlich
Das Fazit der Studie: Die Digitalisierung der Finanzdienstleistungsbranche wird in Deutschland verglichen mit anderen europäischen Ländern bereits gut angenommen. Innovationen wie KI – auch wenn dem Verbraucher dafür aktuell noch etwas die Akzeptanz fehlt – werden sich mit der Zeit weiterentwickeln. Die jüngste Pandemie hat die Nutzung von Zahlungssystemen Dritter in Deutschland beschleunigt. Open Banking, das durch die PSD2 (Zweite Zahlungsdiensterichtlinie) untermauert wird, forciert diese Entwicklung weiter. Damit sollten Banken Daten einfacher mit Kunden und auch der neuen Generation von Finanzdienstleistern aus dem Einzelhandel, der Telekommunikation und anderen Bereichen austauschen können. Wie man sieht, ist die Innovation im digitalen Bankwesen nicht aufzuhalten und die Deutschen scheinen den Wandel zu begrüßen. Neue und alte Akteure im Finanzsektor, die von diesem Wandel profitieren wollen, sollten jedoch sicherstellen, dass die menschliche Komponente nicht gänzlich verschwindet.
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