Über die Herausforderungen und Veränderungen für Business & IT sprach it management-Herausgeber Ulrich Parthier mit Dr. Dirk Goldner, Vorstand der eurodata AG.
Die eurodata gibt es seit über 55 Jahren. Können Sie hierzu ein paar aktuelle Kennzahlen nennen?
Dr. Dirk Goldner: Wir haben circa 500 Mitarbeiter in der gesamten Firmengruppe und wachsen weiter. Unsere Softwarelösung edlohn ist mit über 5 Millionen Abrechnungen pro Jahr Deutschlands Online Lohnabrechnung Nummer 1. Aber auch unsere anderen Lösungen sind überaus erfolgreich. Mit unserer Rechnungswesenslösung werden jährlich etwa 12 Millionen Rechnungen bearbeitet – eine Größenordnung, die überdies für bilanzierungsrelevante Dokumente gilt.
Das Jahr 2021 hat begonnen. Worauf sollten sich die Unternehmen hinsichtlich ihres Geschäfts und ihrer IT einstellen?
Dr. Dirk Goldner: In jedem Fall müssen wir erst einmal alle durchhalten. Ich bin überzeugt, dass wir in unserem Business noch länger unter besonderen Voraussetzungen nachgehen werden. Umso wichtiger sind zwei Themen – das mobile Arbeiten und die Sicherheit der Homeoffices. Seit ein Großteil der Unternehmen seine Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt hat, beobachten wir, dass weniger die Unternehmen als vielmehr die Arbeitsplätze der Angestellten angegriffen werden. Doch unabhängig davon dürfen wir das Miteinander nicht aus dem Auge verlieren. Das Zwischenmenschliche ist enorm wichtig und macht 50 Prozent des unternehmerischen Erfolgs aus. Bei eurodata sind wir so etwas wie eine große Familie.
Corona ist ja so etwas wie ein Booster für die Digitalisierung. Erleben Sie das auch bei Ihren Kunden?
Dr. Dirk Goldner: Ja. In vielen Unternehmen wurde bis zum Ausbruch von Corona Büro-Präsenz mit Arbeit gleichgesetzt – sprich wer nicht im Büro war, arbeitete auch nicht. Seit sich die Kommunikation über Videokonferenzen etabliert hat, ist das anders. Corona hat hier für eine Art Dammbruch gesorgt. Wir haben gelernt, dass es durchaus möglich ist, zuhause produktiv zu arbeiten – auch wenn das nicht für alles und jeden gilt. Die Druckstraßen für den Lohnzetteldruck etwa konnten wir nicht ins Homeoffice verlegen. Ich würde sagen, wir sollten alle ein bisschen gelassener werden, einander vertrauen und uns auf hybride Arbeitssituationen einstellen. Innovationskraft und Mut sind mehr gefragt denn je.
Was waren die größten Fehler zu Beginn der Digitalisierung und was hat sich gebessert oder verändert?
Dr. Dirk Goldner: In meinem Büro habe ich eine Postkarte auf der steht: „Alle sagten: das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat´s gemacht.“ Das finde ich sehr treffend. Die Innovationskraft, die in jungen Start Up-Unternehmen steckt, beweist, wie wichtig es ist, dass wir uns von alten Denkmustern lösen. Gerade bei der Digitalisierung ist es wichtig, Bestehendes zu hinterfragen. Etwa Businessmodelle oder Prozesse. Wichtig ist, dass wir uns sukzessiv von hierarchischen Strukturen trennen, dass sich insbesondere IT-Unternehmen ihrer Führungsrolle bewusst werden und sich als Innovatoren für einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel verstehen.
Deutschland wird ja im internationalen Vergleich oft als „Under-Performer“ in Sachen Digitalisierung genannt. Wie sehen Sie das?
Dr. Dirk Goldner: Dazu fällt mir nur eins ein: Woran erkennt ein Österreicher, dass er die deutsche Grenze passiert hat? Er hat kein Netz mehr! Aber Spaß beiseite. Trotz dieser augenscheinlichen Probleme und meinem persönlichen Wunsch nach mehr Bandbreite und einem umfassenden Netz, spielt Deutschland beim Thema KI ganz vorne mit. Leider aber wird es versäumt, diese Kompetenz nach außen zu tragen oder in erfolgreiche Produkte umzuwandeln.
Stichwort Künstliche Intelligenz. Können Sie hier Fortschritte an einem praktischen Beispiel erläutern?
Dr. Dirk Goldner: Ja, es tut sich einiges. Es geht darum, den Anteil manueller Workflows zu reduzieren und durch deren Automatisierung für mehr Effizienz, Transparenz, Validität und eine bessere Qualität zu sorgen. Ich bin als Mensch limitiert. Wenn es mir durch die Nutzung von Algorithmen und Clustern gelingt, Fokuspunkte zu definieren, werde ich wesentlich leistungsfähiger. So nutzen wir KI beispielsweise bei der Automatisierung der Rechnungsabwicklung. Dank KI können die Systeme einfache Buchungen bereits selbständig vornehmen und den Steuerberater entlasten. Dieser hat dann mehr Zeit für die Beratung und für komplexe Themengebiete. KI übernimmt also immer mehr „No-Brainer-Aufgaben“ und schafft so mehr Freiraum für anspruchsvollere oder strategische Fragestellungen. Das sind die schon jetzt greifbaren Mehrwerte von KI.
Durch Corona ist ja die Dezentralisierung fortgeschritten. Welche Veränderung erwarten Sie für die Zukunft vom „Vernetzten Arbeiten“ und warum ist die Integration so wichtig?
Dr. Dirk Goldner: Im Grunde geht es vor allem darum, dass die verschiedenen Mitarbeiter, unabhängig davon wo sie arbeiten, jederzeit Zugriff auf ihre Daten haben und sich austauschen können. Da ist es von zentraler Bedeutung, dass alles miteinander vernetzt ist und nicht jeder für sich in seinem Silo arbeitet. Optimalerweise funktioniert diese Vernetzung nicht nur innerhalb einer Unternehmensstruktur, sondern auch in der Zusammenarbeit mit Partnern oder Kunden.
Welche Rolle spielen beim „Vernetzten Arbeiten“ die Cloud oder zentrale Plattformen, die einfach und unkompliziert genutzt werden können?
Dr. Dirk Goldner: Cloudplattformen sind natürlich eine große Hilfe. Sie versetzen Unternehmen in die Lage, schnell und unkompliziert mobil arbeiten und von überall auf Daten zugreifen zu können. Aber man muss sich immer darüber im Klaren sein, bei wem und wo die Daten gehostet werden. 2020 wurde der Privacy Shield durch das EuGH gekippt. Das hat dazu geführt, dass verstärkt das Schutzniveau von Daten zwischen der USA und der EU in den Fokus gerät. Deshalb muss man sich die Frage stellen, wie man seine Daten auch in den durch amerikanische Unternehmen betriebenen Rechenzentren in der EU schützt respektive wie diese geschützt sind. Deshalb ist unbedingt darauf zu achten, welche Cloudlösung man einsetzt, ob es sich etwa um standardmäßig zertifizierte Lösungen handelt oder ob ein Unternehmen umfassender agiert. Ich würde mir in jedem Fall den Fokus der Zertifizierung anschauen. Bei eurodata beispielsweise legen wir den Maßstab höher und können unseren Kunden damit höchstmögliche Datensicherheit bieten.
eurodata verfügt ja als eines der wenigen deutschen Softwareunternehmen über ein eigenes Rechenzentrum, in dem Sie auch Ihre Cloudlösungen betreiben. Wo sehen Sie die Herausforderungen hinsichtlich der zunehmenden Arbeit in der Cloud und der zunehmenden Datenmengen?
Dr. Dirk Goldner: Die immensen Datenmengen sind natürlich ein Problem, aber ich mache mir mehr Gedanken über die Stabilität der Internetverbindungen. Denn wenn ich Daten speichern will, ist die Verbindung zwischen Rechenzentrum und Provider die kritische Komponente und nicht die Speichermenge. Die mangelnde Bandbreite bis zum Übergabepunkt halte ich für das größere Problem. Was hilft es uns über 5G zu diskutieren, wenn es zielführender wäre, zunächst einmal LTE flächendeckend zur Verfügung zu stellen? Das sind die versteckten Herausforderungen, um die wir uns kümmern müssen, wenn wir auch zukünftig international von Bedeutung sein wollen.
Herr Dr. Goldner, wir danken für das Gespräch!