Die Prozessautomatisierung ist erwachsen geworden

In der Vergangenheit nutzten Unternehmen Geschäftsprozessautomatisierung eher taktisch und nur punktuell. Doch es setzt sich die Erkenntnis durch: Um langfristig erfolgreich zu sein, bedarf es mehr als den Einsatz einzelner Technologien nebeneinander.

Die Digitalisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen steckt also nicht mehr in den Kinderschuhen, sondern ist erwachsen geworden – ihre Bedeutung für die digitale Transformation ist im Bewusstsein der Unternehmen angekommen. Was das genau bedeutet und wie Unternehmen von einer „erwachsenen“ Prozessautomatisierung profitieren, erklärt Rolf Gebhard Stephan, CEO von Axon Ivy.

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Wenn wir über die Themen digitale Transformation und Prozessautomatisierung sprechen, was würden Sie sagen, wie ist der Status Quo?

Rolf Gebhard Stephan: Aktuell befinden wir uns in einer Phase des Umbruchs. Unternehmen haben erkannt, dass es im Hinblick auf ihre Geschäftsprozesse erhebliche Optimierungsbedarfe gibt. Unter anderem ist dabei die Pandemie ein wichtiger Treiber. Das Arbeiten von zu Hause aus erfordert einen höheren Grad an Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen als es bisher der Fall war, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Arbeitsalltag gut und effizient meistern können. Man kann durchaus sagen, dass die meisten Unternehmen ihre digitale Transformation gestartet haben. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass Automatisierungsvorhaben oft nur taktisch oder punktuell umgesetzt werden, ohne dass eine umfassende Strategie zugrunde liegt.

Welchen Herausforderungen sehen sich Unternehmen im Hinblick auf digitale Transformation aktuell gegenüber?

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Rolf Gebhard Stephan: Wenn wir von digitaler Transformation sprechen, muss man diese aus zwei Richtungen betrachten: Disruption und Verbesserung. Disruption bedeutet, dass neue Geschäftsmodelle erfunden werden wie das beispielsweise bei Amazon, Uber oder Tesla der Fall ist. Die Realität zeigt aber, dass die meisten Unternehmen bereits ein gutes und solides Geschäft haben. Dabei gibt es jedoch viel Raum für Verbesserungen mithilfe von konsequenter Digitalisierung und Automatisierung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versenden teilweise immer noch Excel-Sheets als Aktion eines Geschäftsprozesses oder müssen innerhalb eines Vorgangs von einer Anwendung in eine andere wechseln. IT-Systeme sind nicht miteinander verbunden oder integriert, Medienbrüche führen zu langsamen und fehleranfälligen Abläufen sowie einer schlechten User Experience.

Wie können Unternehmen sich hier besser aufstellen?

Rolf Gebhard Stephan: Um es deutlich zu sagen: Bei der digitalen Transformation geht es nicht nur darum, Papier in digitale Daten umzuwandeln. Es geht um die Verbesserung und Optimierung der Geschäftsprozesse selbst. Unternehmen müssen ihre Abläufe einer genauen Analyse unterziehen, sie müssen herausfinden, in welchen Bereichen die größten Optimierungspotenziale liegen und welche Technologien an welcher Stelle die richtigen sind.

Wie sollten Unternehmen vorgehen, um die Automatisierung bestmöglich umzusetzen?

Rolf Gebhard Stephan: Um langfristig erfolgreich zu sein, sollten Unternehmen ein Center of Excellence (CoE) etablieren, das alle Kompetenzen und Funktionen bündelt. Von der Geschäftsführung befähigt, verantwortet es die strategische Herangehensweise an die Automatisierung in der gesamten Organisation. So kann mit bereichsübergreifendem Blick Potenzial identifiziert, das richtige Vorgehen festgelegt und die Automatisierung planvoll umgesetzt werden. Zudem laufen dort Daten und Erfahrungswerte aller Abteilungen zusammen und können optimal ausgewertet werden.

Das CoE kümmert sich also auch darum, welche Technologien eingesetzt werden sollen. Robotic Process Automation (RPA) und Low Code sind momentan der letzte Hype. Können Unternehmen damit ihre Ziele langfristig erreichen?

Rolf Gebhard Stephan: Unternehmen stehen zahlreiche Technologien zur Verfügung. Aber nicht immer ist klar, welche sich wofür am besten eignen und wo einzelne Werkzeuge an ihre Grenzen stoßen. Mittels RPA können beispielsweise standardisierte und sich wiederholende Vorgänge automatisiert werden, die vorher oft manuell und mit viel Aufwand durchgeführt wurden. Das entlastet Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erheblich. Doch im Endeffekt ist es eine Automatisierung einzelner Tätigkeiten, nicht ganzer Prozesse. Daher muss RPA als ein Puzzleteil in einem größeren Kontext angesehen werden. Denn eine End-to-End-Automatisierung kann mit diesem Werkzeug nicht erreicht werden.

Diese Limitierung findet sich auch beim Thema Low Code. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit grundlegendem technischem Verständnis können mittels Low Code Applikationen vollständig modell-getrieben erstellen. Diese sind letztendlich aber nur eingeschränkt einsetzbar. Um unternehmenskritische Abläufe zu automatisieren, reicht Low Code nicht aus.

Was benötigen Unternehmen also für die optimale Prozessautomatisierung?

Rolf Gebhard Stephan: Durch die sinnvolle Kombination verschiedener Technologien können Unternehmen von den Vorteilen der Automatisierung vollumfänglich profitieren. Und dafür bedarf es wiederum einer Digital Process Automation (DPA) Plattform, die als zentraler „Orchestrator“ dient, damit Abfolge und Zusammenspiel einzelner Technologien einwandfrei funktionieren.

Welche Herausforderungen bestehen beim Einsatz einer DPA-Plattform?

Rolf Gebhard Stephan: Beim Einsatz einer DPA-Plattform darf der Fokus nicht auf einzelnen Prozessen liegen. Vielmehr müssen die Abläufe im Unternehmen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Nur so kann ein strategischer Plan für die intelligente Automatisierung entstehen. Dabei gilt es zu beachten, dass es nicht lediglich um das Vereinfachen von Aufgaben geht. Ziel muss es sein, Prozesse übergreifend zu modellieren, zu automatisieren und zu orchestrieren. Die Plattform muss sowohl einfache Workflows als auch hochanspruchsvolle und dynamische Geschäftsabläufe meistern können, genauso wie beispielsweise konditionale Logik und den Einsatz künstlicher Intelligenz. Die Implementierung selbst jedoch sollte so einfach wie möglich erfolgen.

Bei der Automatisierung von Prozessen darf natürlich der Anwender nicht außen vor gelassen werden. Worauf müssen Unternehmen achten, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Neuerungen auch annehmen?

Rolf Gebhard Stephan: Ein wesentlicher Punkt ist die Nutzerfreundlichkeit der Anwendungen. Je intuitiver und anwenderfreundlicher die Applikation, desto höher ihre Akzeptanz. Dabei müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Anfang an mit ins Boot geholt werden, also bereits dann, wenn es um die Potenzialanalyse der Prozesse geht. Eine top-down Herangehensweise funktioniert an dieser Stelle nicht. Es müssen die richtigen Teams zusammengestellt werden, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Fachbereichen einerseits sowie Entwickler und Prozessingenieure andererseits. Die enge Zusammenarbeit sichert den Erfolg.

Die Prozessautomatisierung ist erwachsen geworden. Wie macht sich dieser Umstand bemerkbar, welche Veränderung konnten Sie in den letzten Jahren beobachten?

Rolf Gebhard Stephan: In den vergangenen Jahren hat sich der Fokus der Unternehmen verschoben. Standen bisher Kostenreduzierung und die Verschlankung von Prozessen im Vordergrund, geht es inzwischen viel mehr darum, das gesamte Unternehmen digital zu transformieren. Natürlich werden durch Automatisierungsmaßnahmen weiterhin positive Effekte auf Kosten und Ressourcen erwartet, aber diese Punkte sind nicht mehr der Haupttreiber. Auch die Vorstellung, dass eine vollständige Automatisierung eine gute Kundenerfahrung schafft, hat sich inzwischen gewandelt – zum Glück. Nehmen wir beispielsweise ein Hotel: Die Automatisierung des Check-In-Vorgangs ist nicht zielführend, denn Betreiber wollen eine gewisse Intimität schaffen, indem Gäste persönlich begrüßt werden. Wichtig ist also, zu erkennen, was eine gute Kundenerfahrung ausmacht, und dabei die Chancen der Automatisierung einerseits sowie die Customer Experience andererseits in Einklang zu bringen.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: An welchen Technologien und Konzepten werden Unternehmen nicht vorbei kommen?

Rolf Gebhard Stephan: Viele Unternehmen werden künftig maschinelles Lernen (ML) und künstliche Intelligenz (KI) einsetzen. Diese Technologien finden beispielsweise in der Kundenbonitätsprüfung oder bei der Betrugserkennung Anwendung. Aber auch das Konzept des „Autonomous Enterprise” gewinnt an Bedeutung. Die Idee dahinter: Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können arbeiten, von wo sie wollen – im Homeoffice, im Büro oder auch im Zug auf dem Weg zum nächsten Termin. Die Nutzung der gesamten Applikationsinfrastruktur ist unabhängig vom Arbeitsort gewährleistet. Forciert wird der Einsatz intelligenter Technologien über alle Geschäftsfunktionen hinweg, um so Abläufe zu optimieren und Innovationen voranzutreiben. Zudem liegt ein Fokus darauf, dass das System selbstständig lernt und sich anpasst. Basis dafür sind ML und KI. Hier steckt noch sehr viel Potenzial – aber für ein ideales Zusammenspiel der Technologien bedarf es der Orchestrierung über eine DPA-Plattform.

www.axonivy.com

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