Pressegespräch

Deutschland und die Digitalisierung – verschlafen wir nun auch IoT?

Wo bleiben die großen Anwendungsfälle und Erfolgsgeschichten?

Hier eine Zusammenfassung der Kernaussagen aller vier Expert:innen des IoT-Pressegespräches.

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  • Wir bauen derzeit ein nationales LoRaWAN-Netz für IoT in Deutschland auf. Warum? Wenn wir z. B. eine Bewässerung automatisch und effizient steuern wollen, dann brauchen wir Sensoren, die in der Erde stecken. Diese müssen über eine energiesparende und weitreichende kabellose-Funkverbindung an das Internet angeschlossen werden. Und dann benötigt es die Anwendung, die die Daten des Sensors auswertet und die Bewässerung steuert. Diese kann wiederum an die großen IT-Systeme der Unternehmen angebunden werden. melita.io ist für den Aufbau und Betrieb des kabellosen Netzwerkes verantwortlich.
  • IoT hat bereits heute einen riesigen Nutzen für die Wirtschaft und uns Menschen. Nur ein Praxisbeispiel: Ein Kunde nutzt unsere Technik für intelligente Mülltonnen. Damit konnte er 36 Prozent mehr Wertstoffe einsammeln, weil die Tonnen immer nutzbar waren, und 20 Prozent Treibstoff einsparen, weil sie nur noch dann geleert wurden, wenn es wirklich notwendig war. Und darum geht’s im Kern bei IoT im B2B-Bereich: Es geht um Nachhaltigkeit, besseren Einsatz von Ressourcen und Reduzierung der Kosten, indem Informationen transparent gemacht werden, die dann als Entscheidungsgrundlage dienen.
  • Ich glaube, wir müssen noch viel mehr Großprojekte realisieren, wo IoT und dessen Vorteile für die Menschen wirklich sichtbar werden.
  • Wenn wir eine flächendeckende Abdeckung mit NB-IoT und LoRaWAN hätten – was in anderen europäischen Ländern bereits umgesetzt wurde – dann stellen wir ein energieeffizientes Netzwerk zur Verfügung, um jegliche Sensoren anzubinden. Damit hätten wir keine proprietäre Lösung mehr, sondern einen offenen Standard, den mehrere Wettbewerber für sich nutzen können

Harald Rösch Executive Chairman des Connectivity-Providers melita.io und CEO von Melita Ltd.

  • Wir sehen in vielen Projekten im Public Sector, wo wir mit Kommunen und mit Landesregierungen zusammenarbeiten, gerade wirklich die Chance, IoT als ganz wichtigen Baustein einzusetzen, um größere Herausforderungen zu meistern, z. B. hinsichtlich des Klimawandels die Einsparung von Ressourcen zu erreichen.
  • Gerade auf Quartiers-Ebene, z. B. in Städten wie Barcelona, Manchester oder Eindhoven, geht es gut voran. Die Niederlande ist ein tolles Beispiel, wo z. B. derzeit in einem GewerbeQuartier mit den Daten, die exklusiv von den Anwohnern bereitgestellt werden, ein DatenÖkosystem entsteht. Das kann wiederum für neue Produkte und Geschäftsmodelle genutzt werden. Da gilt es, größer zu denken und den Transfer von diesen Projekten in andere Bereiche zu schaffen.
  • Im Energiebereich diskutieren wir gerade müßig über Smart Meter und die Steuerung durch kleine Sensoren auf Ebene einzelner Haushalte. Es gibt jedoch Konzepte, wo eine gesamte Infrastruktur geschaffen wird und ein gesamtes Quartier, also mehrere hundert bis tausend Haushalte gar keinen eigenen Zähler mehr haben, sondern nur noch einen Stromanschluss und der Rest regelt und optimiert sich selbst. Das gibt riesige Potenziale frei. Der Endkunde merkt davon nichts, aber es ist eine andere Architektur, die massiv helfen kann.
  • Es würde uns helfen, von dieser Diskussion „Wir haben ein Regelwerk und damit müssen wir arbeiten“ wegzukommen. Sondern wir sollten schauen, wo können wir davon abweichen, um dann geschützt und gesteuert aus der Neuentwicklung heraus Erkenntnisse abzuleiten für die große Skalierung.
  • Ich glaube, das sind die spannenden Fragen: Wie können wir IoT jetzt mit den guten Rahmenbedingungen und Fundamenten, die wir haben, nutzen, um daraus eine proaktive und starke Missions-Orientierung aufzubauen? Wie setzen wir es richtig ein und wie gestalten wir die Zukunft mit allen relevanten Akteuren? 

 

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Dipl.-Ing. Steffen Braun Direktor | Leitung Forschungsbereich „Urbane Systeme“ beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO

  • Wir haben als BVDW erst kürzlich eine Studie veröffentlicht, gemeinsam mit Deloitte, wo 2.000 Konsumenten befragt wurden. Wir haben festgestellt, dass Consumer-IoT bei Weitem noch nicht voll entwickelt ist und dass da noch sehr viel Potenzial ist – gerade im Smart Home Bereich.
  • Allerdings sehen wir auch, dass es zwei Haupt-Hindernisse in der Entwicklung von ConsumerIoT gibt. Das ist zum einen die Anpassung des Nutzerverhaltens, zum anderen aber eben auch die Sorge der Verbraucher um die Privatsphäre und den Verlust von Datenschutz und Kontrolle. Das sind zwei Herausforderungen, die wir in Zukunft angehen müssen, um die Potenziale von IoT weiterzuentwickeln.
  • Wir müssen im IT-Bereich Use Cases etablieren, die einen nachhaltigen Mehrwert erlebbar machen. Dann steigt auch die Bereitschaft, Daten zu teilen und IoT im Alltag einzusetzen. Ich würde sogar so weit gehen, dass man insgesamt in der Gesellschaft besser darüber aufklären muss, inwieweit Daten auch wichtig sind für die wirtschaftliche Entwicklung. Warum es wichtig ist, dass wir auch einen Teil unserer Daten, natürlich so gut es geht anonymisiert, teilen, damit unsere Wirtschaft am Zahn der Zeit bleiben kann. Aber der Nutzer spielt hier eine ganz zentrale Rolle in seinem Verhalten und in seinen Denkmustern.
  • Gerade im Smart Building und im Smart Home Bereich haben wir die Problematik von unterschiedlichen Schnittstellen, also die fehlende Interoperabilität, die am besten EU-weit geklärt werden sollte. Es gibt aktuell zu viele Insellösungen, die teilweise nicht miteinander kompatibel sind.
  • Was können Unternehmen tun, um Vertrauen bei den Nutzern zu schaffen? Was kann die Politik tun, um einen rechtssicheren, innovationsfreundlichen Rahmen im Umgang mit Daten zu schaffen? Und wie können Use Cases zu einer generellen Bereitschaft der Nutzer beitragen? Ja, da ist noch viel zu tun, aber da ist Musik drin. 

Anna Dietrich Referentin Mobilität, KI und Smart Cities beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.

  • Gerade im Bereich IoT gibt es viele große Datenmengen, die einen hohen gesellschaftlichen Nutzen bringen könnten
  • Vertrauen in Datenverarbeitung und das Vorhandensein und die Integrität der Netze, das ist ganz wichtig. Und da gibt es im politischen Feld viel Diskussionsbedarf. Das, was ich bisher von der Bundesregierung sehe, sind die richtigen Fragen, aber leider keine schlüssigen Antworten und Pläne. Und deswegen hängen wir in Deutschland auch so hinterher.
  • Das wäre auch eine staatliche Aufgabe, z. B. bei der Nutzung im verwaltungstechnischen Bereich, Transparenz über die Datennutzung zu schaffen. Wir haben z. B. gefordert, dass man Zugriffe auf persönliche Daten bei Verwaltungen – wie das Estland bereits macht – als Protokoll abrufen kann, sodass ich als Nutzer sehen kann, wie meine Daten verarbeitet werden. Ich glaube, das steigert das Vertrauen.
  • Es geht um die Bereitschaft zur kollektiven Datennutzung. Also was bin ich bereit, von mir – in welcher Form auch immer – preiszugeben, damit es einen gesellschaftlichen Mehrwert gibt.
  • Wir haben mit der DSGVO eine sehr ausgefeilte, sehr umfangreiche, sehr detaillierte Regelung zu den personenbezogenen Daten. Wir haben aber bisher keine richtige politische Debatte über das Thema nicht-personenbezogene Daten geführt. Wie können wir rechtlich und technisch Datensätze so erfassen und weiterverarbeiten, dass die Datenpunkte keinen Personenbezug haben?
  • Neben der Frage der Infrastruktur, müssen wir darüber sprechen, was machen wir eigentlich mit den ganzen Datenmengen, die dann entstehen? Und da mangelt es schon an Standards. GAIA-X bietet z. B. die Möglichkeit, ein Ökosystem auf einer großen Plattform zu bauen, um auch die digitale Souveränität in Europa wiederherzustellen.
  • Wir brauchen eine strukturelle Änderung oder auch die digitale Transformation von Politik und Verwaltung. Für mich gehört da ein Ministerium für digitale Transformation dazu, das solche Dinge zusammenbindet und Tempo aufnimmt, damit wir endlich wieder mitspielen können, damit wir Projekte in einer Legislatur zu Ende kriegen und nicht in der übernächsten. 

Manuel Höferlin MdB Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda und digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion 

www.beilquadrat.de

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