Merkel fordert Digitalsteuer

Datensteuer: Gräbt die Politik das Öl der Digitalwirtschaft ab?

Sie will Daten einen angemessenen Wert zuweisen und Online-Händler, Soziale Netzwerke oder Streaminganbieter zur Kasse bitten – Bundeskanzlerin Angela Merkel wünscht sich eine radikale Reform des deutschen Steuersystems. 

Mit ihrer Forderung auf dem Global Solutions Summit nach einer Bepreisung und steuerlichen Berücksichtigung persönlicher Daten hat die Bundeskanzlerin Öl ins Feuer einer bereits hitzig geführten Debatte gegossen. Es geht um Steuergerechtigkeit im Zeitalter der Digitalisierung. Im Nachgang wurde die Kanzlerin oft mit der Forderung nach einer Datensteuer zitiert. Ist eine solche Besteuerung von Daten überhaupt möglich? Gräbt nicht die Politik mit dieser Forderung das Öl der Digitalwirtschaft ab?

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Gegenwärtig werden in Deutschland mehr als 30 Steuerarten erhoben. Steuertatbestände knüpfen traditionell entweder an die Vermögenssubstanz (zum Beispiel die Grundsteuer), an den Vermögenserwerb (zum Beispiel die Einkommen- und Körperschaftsteuer) oder an den privaten Vermögensverbrauch (zum Beispiel die Umsatzsteuer). Steuern müssen laut Verfassung aber nicht zwangsläufig in erster Linie der Erzielung von Einnahmen des Staates dienen. Zulässig ist auch die Verfolgung von Lenkungszwecken, wie sie etwa auch für die CO2-Steuer oder die Finanztransaktionssteuer diskutiert werden. Wie lässt sich eine Datensteuer in dieses System einfügen?

Datensteuer als Substanz- oder Verbrauchs-Steuer nicht praktikabel

Daten werden gemeinhin als der Rohstoff der Digitalisierung bezeichnet. Eine Substanz-Besteuerung von Daten muss aus heutiger Sicht bereits an deren fehlender rechtlicher Zuordenbarkeit scheitern. Das geltende Recht kennt kein „Dateneigentum“ in Form einer verbindlichen Zuordnung von Nutzungs- oder Ausschließlichkeitsrechten an Daten. Es fehlt damit schon an einem eindeutig bestimmbaren Rechtsträger, der als Steuerpflichtiger zu einer Datensteuer herangezogen werden könnte. Eine Lenkungsteuer auf Daten, mit dem Ziel Unternehmen zur Zurückhaltung und Mäßigung bei der Erhebung und Verarbeitung insbesondere personenbezogener Daten anzuhalten, wäre ebenfalls nicht sinnvoll – ja sogar kontraproduktiv. Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen weisen seit Jahren im Vergleich zur analogen Wirtschaft überproportionale Wachstumsraten aus. Und Grundlage und Werttreiber der Digitalwirtschaft sind nun einmal Daten. Diese zu besteuern hieße, den auf Hochtouren laufenden Motor ins Stottern zu bringen.

Eine Verbrauchs-Besteuerung im Hinblick auf Daten erscheint gegenwärtig ebenfalls nicht praktikabel. Zwar wird die Frage diskutiert, ob nicht bereits bei Bereitstellung vermeintlich kostenloser Internetangebote im Gegenzug gegen die Preisgabe und Auswertung nutzerbezogener Daten ein der Umsatzsteuer unterliegendes Austauschgeschäft vorliege. In der Praxis scheitert eine solche Steuererhebung derzeit jedoch an der völlig offenen Frage der Bewertung der Gegenleistung „Einräumung eines Datenverwertungsrechts“. Offen ist auch die Frage, woraus eine vom Unternehmen in Euro zu zahlende Umsatzsteuer ohne Cash-Zufluss überhaupt finanziert werden soll.

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Stufenplan der EU-Kommission zur Besteuerung der Digitalwirtschaft

Bei der Ertrags-Besteuerung erscheint eine Berücksichtigung von Daten derzeit am Wahrscheinlichsten. Aus Sicht der Wirtschaft sind aktuelle Bestrebungen der EU-Kommission nach einer effektiven Besteuerung der digitalen Wirtschaft von Bedeutung. Mit den heutigen Vorschriften können Gewinne international tätiger Digitalunternehmen, die auf die Vermarktung von Nutzerdaten und nutzergenerierten Daten setzen, nicht wirksam besteuert werden. Es fehlt in der Regel mangels physischer Präsenz ein Anknüpfungspunkt für ein nationales Besteuerungsrecht. Die Europäische Kommission hat darauf reagiert und in einem Ende März veröffentlichten Entwurf einen Zwei-Stufen-Plan für neue Besteuerungsregeln für digitale Unternehmen in der EU vorgelegt.

Auf der ersten Stufe ist die kurzfristige Einführung einer Sondersteuer in Höhe von drei Prozent auf bestimmte digitale Umsätze vorgesehen. Als Übergangssteuer soll sie bis zur Anpassung des Systems der allgemeinen Besteuerung an die Besonderheiten digitaler Geschäftsmodelle auf der zweiten Stufe gelten. Die Steuer soll ausschließlich für digitale Dienstleistungen gelten, die in besonderem Maße auf Nutzerbeteiligung oder von Nutzern generierte Daten angewiesen sind. Dazu zählen Werbung und Verkauf nutzergenerierter Daten wie beispielsweise bei Social-Media-Unternehmen oder Suchmaschinenanbietern. Ebenfalls betroffen sind digitale Plattformen, die einen Austausch zwischen Nutzern ermöglichen, um Waren oder Dienstleistungen austauschen zu können.

Der Sondersteuer sollen nur Unternehmen mit jährlichen weltweiten Erträgen in Höhe von 750 Millionen Euro und EU-Erträgen in Höhe von insgesamt 50 Millionen Euro unterliegen. Dadurch soll die Steuer auf Unternehmen einer gewissen Größe begrenzt werden und sichergestellt sein, dass kleinere und junge Unternehmen nicht belastet werden und die Steuer nur für Unternehmen mit einem hinreichenden digitalen Fußabdruck in der EU gilt.

Auf der zweiten Stufe ist vorgesehen, den EU-Staaten ein Besteuerungsrecht für Gewinne zuzuweisen, die in ihrem Hoheitsgebiet durch eine signifikante digitale Präsenz eines Unternehmens erwirtschaftet werden, auch wenn das betreffende Unternehmen dort keine physische Präsenz hat. Von einer signifikanten digitalen Präsenz eines Unternehmens in einem Mitgliedstaat soll auszugehen sein, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

  • Jährliche Erträge von mehr als 7 Millionen Euro aus digitalen Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat;
  • Mehr als 100 000 Nutzer, die die digitalen Dienstleistungen eines Unternehmens in einem Steuerjahr in einem Mitgliedstaat in Anspruch nehmen; oder
  • Abschluss von mehr als 3000 Geschäftsverträgen über digitale Dienstleistungen zwischen dem Unternehmen und gewerblichen Nutzern in einem Steuerjahr.
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Konsequenzen und Ausblick

Langfristig ist nach aktuellen Plänen der EU vorgesehen, den Mitgliedstaaten ein Besteuerungsrecht für Gewinne zuzuweisen, die in ihrem Hoheitsgebiet durch eine signifikante digitale Präsenz eines Unternehmens erwirtschaftet werden. Die Staaten, in denen die Nutzer Beiträge zur Wertschöpfung von Digitalunternehmen leisten, sollen ihren Anteil am Gewinn besteuern dürfen. Damit würden die Staaten, in denen der digitale Rohstoff gefördert wird am wirtschaftlichen Erfolg internationaler Konzern beteiligt, den diese mit der Nutzung und Verarbeitung von Daten erzielen. Zwingend erforderlich ist jedoch nicht nur ein EU-weiter, sondern ein internationaler Konsens, wie der Steuerkuchen fair zu verteilen ist. Sonst drohen zum Nachteil der Digitalwirtschaft Doppel- und Mehrfachbesteuerungen.

Dr. Andreas GertenDr. Andreas Gerten, LL.M. (NYU) ist Counsel im Münchener Büro der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Der Rechtsanwalt und Steuerberater berät sowohl mittelständische Unternehmen als auch Konzerne im nationalen und internationalen Unternehmenssteuerrecht.

cms.law/de
 

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