Welche Anwendungsfelder es für Unternehmen geben wird

Das „Metaverse“ – abseits des Hypes

Metaversum, Metaverse

Das Metaverse spaltet weiterhin die Gemüter: die Metaverse-Jünger à la Zuckerberg prognostizieren eine alles verändernde Revolution. Die zurückhaltenden Skeptiker belächeln dies als überzogenen Hype und sehen im Metaverse eher eine bunte Spielwiese für Tech-Nerds. Nicht wenige sehen das Metaverse noch deutlich kritischer und verbinden es mit dystopischen Zukunftsszenarien.

Wir seitens The Nunatak Group nehmen eine optimistische Perspektive ein und sehen vielfältige Chancen im Metaverse, die weit über die bunte Spielwiese hinausgehen. Dabei werden sich jedoch langfristig nur solche Use Cases durchsetzen, die durch eine Virtualisierung von Interaktionen oder Prozessen einen echten Mehrwert für die Nutzer schaffen, z.B. weil sie im realen Umfeld ineffizient, anstrengend oder unnötig sind. Denn auch im Metaverse bleiben die menschlichen Grundbedürfnisse gleich, und Unternehmen muss es gelingen, diese im virtuellen Umfeld besser zu erfüllen als heute im realen. Dann eröffnen sich Potenziale, die deutlich vielfältiger sind, als es die aktuell prominentesten Metaverse-Experimente nahelegen (die zumeist primär Marketing-Zwecken dienen). Sie reichen von virtuellen Produkten und Dienstleistungen über innovative virtuelle Arbeitswelten bis hin zur Virtualisierung ganzer Fabrikanlagen oder Fertigungsprozesse.

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Für Unternehmen relevante Dimensionen

Derzeit gibt es nicht „ein Metaverse“ – vielmehr gibt es viele verschiedene Insellösungen, die nebeneinander existieren. Weitere Welten werden hinzukommen. Welche davon den größten Mehrwert erzeugen und sich damit durchsetzen, ist noch offen. Drei Bereiche lassen sich jedoch bereits heute identifizieren und sind für Unternehmen von Bedeutung:

Das „Social Metaverse“ bildet Alltagserlebnisse ab

Zunächst gibt es das „Social Metaverse“ (soziales Metaverse). Es kommt dem am nächsten, was die meisten Menschen heute bereits unter dem Metaverse verstehen: Das Abbild einer Vision der Realität in einem virtuellen Raum, zum Beispiel durch 3D-Konzerte, Häuser, digitale Turnschuhe, virtuelle Yogastunden oder Dating. Ein Social Metaverse beinhaltet alles, was den (sozialen) Alltag der Menschen betrifft. Aus Unternehmenssicht kann man auch von einem “Metaverse der Konsument:innen” sprechen. Eine aktuelle Studie von Gartner geht davon aus, dass schon im Jahr 2026 25 Prozent der Konsument:innen mindestens eine Stunde im Metaverse verweilen werden.

Mit derartigen Prognosen im Hinterkopf bauen einige Unternehmen bereits heute Revenue Streams auf: Modemarken bieten beispielsweise virtuelle Kleidung an. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es künftig Unternehmen geben wird, die digitalaffine Zielgruppen ausschließlich mit digitaler Kleidung und Skins versorgen werden – seien es neue, mutige Anbieter oder auch etablierte, die ihr gesamtes Geschäftsmodell umstellen. Nike zum Beispiel verdiente im Jahr 2021 über 185 Millionen Dollar im Metaverse. Als Vorreiterunternehmen betreibt es dort Projekte wie „Nikeland“ in „Roblox“, seine eigene Web3-Plattform „.swoosh“, und sein Studio „RTFKT“. Unter anderem verkaufte das Unternehmen 67.000 NFTs mit virtuellen Sneakern und Clone-X-Avataren. Gucci wiederum wagte sich als erste Luxusmarke in „The Sandbox“ und „Roblox“. Dort nutzt es Avatare als Fashion-Leinwände und bietet Konsument:innen NFTs, Spiele und Lotterien an.

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Das „Industrial Metaverse“ – virtueller Spiegel von Maschinen und Produktion

Des Weiteren bestehen heute schon Formen des „Industrial Metaverse“ (industrielles Metaverse). Ein industrielles Metaversum bildet zum Beispiel Maschinen oder die gesamte Produktion in einer virtuellen Umgebung ab. Künftig könnten Unternehmen damit Produkte, Designs oder ihre ganze Lieferkette optimieren. Anders als das soziale Metaversum wird es dabei immer einen direkten Bezug zu einem realen System geben. In diesem Zusammenhang spricht man auch von „digitalen Zwillingen“. Im industriellen Metaverse geht es in erster Linie darum, menschliche und künstliche Intelligenz miteinander zu verbinden und so neue Potenziale zu erschließen.

Das produzierende Gewerbe kann beispielsweise neue Werke mittels Virtual Reality (VR) testen, noch bevor diese gebaut wurden. So können Mitarbeitende die Fabrik digital erleben und Schwachpunkte ausmachen, unter anderem in Bezug auf Laufwege. Ebenso könnte ein Unternehmen ein Produkt virtuell designen, konstruieren und betreiben. Digitale Technologien, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen dienen zur Simulation seiner Funktionen. Bereits anhand solcher Simulationen lassen sich Optimierungspotenziale beim Produkt erkennen, umsetzen und testen. Schon heute optimiert BMW im Industrial Metaverse seine Fertigungsprozesse und erzielt dadurch eine um 30 Prozent höhere Effizienz in der Planung. Die Deutsche Bahn nutzt VR und künstliche Intelligenz (KI) für Wartungsarbeiten. Bereits 5.000 Mitarbeitende erhielten dort außerdem Schulungen, während derer sie unter anderem virtuelle Versionen von Weichen bearbeiten, Einzelteile ein- und ausbauen oder Reparaturen üben konnten.

Das „Workplace Metaverse“ überbrückt für Unternehmen Zeit und Raum

Zum Dritten sprechen wir von einem „Workplace Metaverse“ (Arbeitsplatz-Metaverse), welches Zeit und Raum für Unternehmen überbrückt. Das Workplace Metaverse kann mit immersiven Erlebnissen konventionelle Arbeitsweisen in Frage stellen und verändern. Indem neue Formen von standortunabhängiger Arbeit ermöglicht werden, können Unternehmen verbesserte Wege der Zusammenarbeit finden und traditionelle Organisationsstrukturen überdenken. Zum Beispiel können Mitarbeitende in unterschiedlichen Ländern sitzen, aber im virtuellen 3D-Raum gemeinsam am Whiteboard oder an 3D-Modellen arbeiten. Die Vorteile: Nicht nur die Produktivität, sondern auch die gesamte Mitarbeitendenzufriedenheit lassen sich dadurch verbessern.

Ein vollwertiges Workplace Metaverse kann es Unternehmen außerdem erleichtern, weltweit Mitarbeiter:innen einzustellen, die Vielfalt am Arbeitsplatz zu erhöhen, Talente anzuziehen und zu halten sowie das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeiter:innen zu fördern. Auch für Schulungen und Wissensmanagement bestehen vielfältige Optionen, denn dreidimensionale Lernerfahrungen lassen feste Zeitpläne oder Reisen überflüssig werden. Branchen, in denen die Mitarbeitenden Risikoumfeldern ausgesetzt sind, nutzen das Workplace Metaverse darum schon heute für Trainings – zum Beispiel die Industrie und das Baugewerbe.

In drei Schritten zum Unternehmensmetaverse

1. Exploration: Chancen erkunden und Risiken abschätzen

Entscheidend für ein Unternehmen sind seine individuellen Chancen und Risiken im Metaverse. Diese lassen sich besser einschätzen, indem heutige virtuelle Welten und Benchmarks regelmäßig live erlebt werden. So werden die unzähligen Anwendungsmöglichkeiten besser greifbar und die Vorstellungskraft beflügelt. Neben dem Testen und Ausprobieren sollten auch erste Antworten auf grundlegende Fragen gefunden werden wie: „Welche Bereiche meines Geschäftsmodells wären betroffen, wenn ein Großteil meiner Kunden mehr Zeit in digitalen Welten als in der realen Welt verbringt?“

2. Formulieren einer Metaverse-Strategie

Nach der Bestandsaufnahme sollten Unternehmen eine eigene Metaverse-Strategie erarbeiten. Heutige Geschäftsmodelle sollten kritisch hinterfragt werden. Unternehmen sollten verschiedene Zukunftsszenarien entwickeln, da es nicht “den einen” richtigen Weg geben wird. Sie sollten entscheiden, mit welchem Ambitionsniveau sie ins Metaverse einsteigen möchten; welche Rolle sie dort also spielen möchten. Wichtig ist es auch herauszuarbeiten, welchen konkrete Ziele durch das Metaverse erfüllt werden sollen. Zudem sollten Entscheider:innen klar formulieren, welche konkreten Mehrwerte sie ihren Zielgruppen bieten könnten und daraus ableiten, warum und in welchen Bereichen sie im Metaverse aktiv werden wollen.

3. Pilotprojekte umsetzen

Entlang der Metaverse-Strategie können Unternehmen dann Pilotprojekte umsetzen. Dabei geht es darum, anhand konkreter erster Use Cases kontinuierlich zu testen und zu lernen. Zum Beispiel könnte ein Unternehmen seinen Customer Support in der virtuellen Welt abbilden oder ein eigenes Trainingsprogramm entwickeln. Auch eine Monetarisierung erster Use Cases ist in dieser Phase teilweise bereits möglich.

Fazit

Das genaue Ausmaß der Veränderung durch das Metaverse ist heute noch völlig unklar – da sind sich sogar alle einig. Wir sind trotzdem davon überzeugt, dass Unternehmen sich schon heute mit dem Metaverse beschäftigen sollten, um mögliche Chancen früh zu ergreifen. Alle Unternehmer:innen und Führungskräfte sollten Antworten auf die Fragen bereithalten, wie sich ihr spezifisches Marktumfeld verändern wird, wenn die digitale Welt für große Teile der physischen Welt Alternativen bereithält. Die heutigen, teils dystopischen Beschreibungen des Metaverse können sensibilisieren und dabei helfen, die Veränderungen in die richtige Richtung zu lenken. Denn weil es auch in dieser neuen Evolutionsstufe der Technologie kein Zurück geben wird, sollten wir die Zukunft proaktiv mitgestalten.

Juliane Veits The Nunatak Group

Juliane

Veits

Managing Director

The Nunatak Group

Juliane Veits ist Managing Director bei der Digitalberatung The Nunatak Group. Sie begleitet ihre Kund:innen in verschiedenen Branchen bei der digitalen Transformation und entwickelt dabei digitale Innovationsstrategien und neue Geschäftsmodelle. Zuvor war sie Projektleiterin im Innovationsteam bei CHECK24 und Managerin bei Simon-Kucher & Partners.
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