Die Sanktionen gegen Russland und insbesondere die russischen Kapital- und Finanzmärkte zeigen bereits erste Wirkungen und Reaktionen, doch das Geschäft mit Bitcoin und Co. funktioniert. Die Kryptowährungen haben deutlich Kurssprünge gemacht, nachdem es in diesem Finanzbereich erst jüngst zu relativ großen Abwärtsbewegungen gekommen ist.
Welche Konsequenzen werden hiermit sichtbar? Welche Herausforderungen ergeben sich für den Finanzmarktbereich mit den aktuellen Entwicklungen?
Die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und andere Länder haben weitreichende Sanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht, die sich nicht nur auf die Wirtschaft des Landes auswirken, sondern das tägliche Leben der russischen Bevölkerung betrifft. Immer stärker rücken Zahlungsmodalitäten, Bankaktivitäten sowie Kryptowährungen in den Vordergrund. Bitcoin, Ethereum, Polkadot und andere Kryptowährungen spielen zum ersten Mal eine Rolle in einem modernen Krieg. Sie werden nicht nur eingesetzt, um Flüchtlinge inmitten einer humanitären Krise zu helfen oder die ukrainische Armee zu unterstützen, sondern könnten auch als Mittel zur Umgehung der gegen Russland verhängten Sanktionen verwendet werden.
Welche Rolle spielen Kryptowährungen in diesem Krieg?
Schon zu Beginn der russischen Kampfhandlungen wurde die bedeutende Rolle von Kryptowährungen bei der Unterstützung der angegriffenen Ukraine deutlich. Bereits am 26. Februar twitterte die ukrainische Regierung einen Aufruf zu Spenden in Kryptowährungen. Laut dem Analystenunternehmen Elliptic hat die ukrainische Regierung und eine NGO, die das ukrainische Militär unterstützt, seit Beginn der Invasion umgerechnet 59,7 Millionen US-Dollar durch mehr als 120.000 Kryptowährungsspenden gesammelt.
Was sind die Motive für das Krypto-Wachstum?
Wie das Portal Arcane Research berichtet, hat auch die ukrainische Bevölkerung seit dem Beginn der Invasion mehr Bitcoin gekauft als je zuvor. Besonders deutlich zeichnete sich der Anstieg der Bitcoin-Käufe auf der Kryptowährungsbörse Binance ab. Als Hauptmotiv für dieses Kauffieber ist die Angst vor einem möglichen Zusammenbruch des ukrainischen Bankensystems.
Werden die Sanktionen von Russland mit Kryptowährungen ausgehebelt?
Die mit Kryptowährungen einhergehenden Vorteile können in einer Kriegssituation von beiden Seiten des Konflikts genutzt werden. Das wirft insbesondere die Frage auf, ob Kryptowährungen Russland helfen können, die verhängten Sanktionen zu umgehen.
Von den verhängten Sanktionen sind neben der russischen Zentralbank vor allem die russischen Banken betroffen. Diese wurden teilweise vom SWIFT-System ausgeschlossen, so dass sie faktisch am internationalen Zahlungsverkehr nicht mehr teilnehmen können. Aus diesem Grund könnten russische Banken die Verwendung von Kryptowährungen in Betracht ziehen, da diese eine alternative Möglichkeit für grenzüberschreitende Transaktionen bieten. Diese Vorgehensweise könnte auch für russische Oligarchen eine potentielle Möglichkeit zur Umgehung der Sanktionen darstellen. Aber auch andere Privatpersonen in Russland könnten durch Kryptowährungen Käufe und Bestellungen im Ausland mit Kryptowährungen zu bezahlen.
Welche Schwierigkeiten zeichnen sich ab?
Die Umgehung von Sanktionen auf diese Weise ist jedoch nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Sowohl die russischen Banken als auch die russische Wirtschaft sind auf die überwiegende Nutzung von Kryptowährungen nicht vorbereitet, da insbesondere die dafür nötige Infrastruktur fehlt. Noch im Januar dieses Jahres warnte die russische Zentralbank vor den damit verbundenen Gefahren und schlug einen Ausschluss der Nutzung von Kryptowährungen vor. Darüber hinaus ist das Ausmaß der finanziellen Sanktionen, mit denen Russland konfrontiert ist, so groß, dass der derzeitige Kryptowährungsmarkt nicht in der Lage wäre, die Auswirkungen dieser Restriktionen in vollem Umfang abzumildern, da in diesem Markt zu wenig Liquidität vorhanden ist.
Gibt es noch wirksame Kontrollmechanismen?
Es sollte nicht vergessen werden, dass die Transaktionen mit den meisten Kryptowährungen öffentlich und dauerhaft nachverfolgt werden können. Obwohl die Kryptowährungen selbst dezentral organisiert und häufig unreguliert sind, können Kryptobörsen in verschiedenen Ländern, wie beispielsweise in Deutschland, der Aufsicht unterliegen und zur Identifizierung ihrer Kunden verpflichtet sein. Dies gibt solchen Börsen die Möglichkeit die Transaktionen von sanktionierten Personen und Unternehmen nachzuverfolgen und auszuschließen. Die größten Kryptobörsen Coinbase und Binance haben bereits erklärt, die Nutzung ihrer Dienste durch sanktionierte Personen oder Unternehmen zu untersagen.
Wie reagiert die EU?
Die Problematik der möglichen Umgehung der Sanktionen durch Nutzung von Kryptowährungen ist insbesondere der EU bekannt, sodass bereits die ersten Gegenmaßnahmen ergriffen worden sind. Finanzminister Christian Lindner kündigte an, dass die EU eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland vorbereitet. Die neuen Sanktionen umfassen auch solche Schritte, die die Umgehungen der Finanzsanktionen durch die Nutzung der Kryptowerte ausschließen. Den ersten Medienberichten zufolge sollen Wallets gelisteter Accounts gesperrt werden.
Welche neuen Regeln werden gebraucht?
Der Krieg zwischen Russland und Ukraine zeigt ganz deutlich, dass Kryptowährungen einen äußerst wichtigen Bestandteil der neuen Finanzwelt darstellen. Die mögliche Umgehung der Sanktionen durch Russland mittels Kryptowährungen demonstriert zudem, dass es einer Regulierung von Kryptowerten und der damit verbundenen Dienstleistungen bedarf. Die Einführung neuer Finanzdienstleistungen, wie das Kryptoverwahrgeschäft oder die Kryptowertpapierregisterführung in das deutsche Recht, stellen in diesem Zusammenhang einen ersten wichtigen Schritt mit Vorbildcharakter dar. Auch auf europäischer Ebene wird intensiv daran gearbeitet, eine einheitliche rechtliche Behandlung von Kryptowährungen einzuführen. Dazu gehört insbesondere die „Markets in Crypto-Assets“ (MiCA) Verordnung, welche eine ordnungsgemäße Überwachung und Regulierung der Kryptomärkte in der EU garantieren soll.
Dr. Christian Conreder ist Rechtsanwalt und Partner bei Rödl & Partner und leitet den Bereich Kapitalanlagerecht. Der Schwerpunkt seiner anwaltlichen Tätigkeit liegt im Bank- und Kapitalmarktrecht, namentlich in den Bereichen des Kapitalanlagerechts. Weiterhin ist er auf das Zahlungsverkehrsrecht spezialisiert.
Magdalena Okonska ist als Rechtsanwältin im Hamburger Büro von Rödl & Partner im Bereich Kapitalanlagerecht tätig. Der Schwerpunkt ihrer anwaltlichen Tätigkeit liegt im Bank- und Kapitalmarktrecht, namentlich in den Bereichen des Kapitalanlagerechts. Weiterhin ist Frau Okonska auf das Zahlungsverkehrsrecht spezialisiert.
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