Digitale Souveränität wird dieser Tage von der Politik gerne als Schlagwort benutzt, um zu vermeintlich neuen Initiativen sowohl in einigen einzelnen Ländern wie Deutschland, der Schweiz, Österreich als auch auf EU-Ebene aufzurufen. Die allgegenwärtige Abhängigkeit Europas und aller ansässigen Unternehmen, beheimateten Behörden sowie Bürger von US-Anbietern ist ohne Zweifel beängstigend und alarmierend.
Nur wenige Ausnahmen zugunsten einer Liberalisierung, wie der einzigartige Markt gebrauchter Softwarelizenzen, bilden hier ein Gegengewicht und eine praktische Perspektive. Im Grundsatz ist die Zielstellung der Digitalen Souveränität daher uneingeschränkt zu unterstützen.
So mancher Mahner hätte sich hingegen bereits vor vielen Jahren entsprechende Initiativen und ein größeres Problembewusstsein gewünscht. Philipp Welte, Vorstand der Hubert Burda Media, stellt zutreffend fest: „Wir leben in fest kartellierten Strukturen, weil es die Regierenden in Berlin und Brüssel über fast zwei Dekaden versäumt haben, die digitalen Märkte offen zu halten.“
Erschwerend kommt auf Seiten des Staates die doppelte Verantwortung hinzu, wie Prof. Michael Eßig – Inhaber des Lehrstuhls für BWL an der Universität der Bundeswehr in München sowie u.a. lehrend an den Universitäten St. Gallen und Wien tätig – im aktuellen Praxishandbuch zur Beschaffung gebrauchter Software-Lizenzen durch öffentliche Auftraggeber erläutert. Denn der Staat ist mit einem Beschaffungsvolumen von geschätzten 350 Milliarden Euro in Deutschland und jeweils etwa 40 Milliarden Euro in Österreich und der Schweiz nicht nur ein wichtiger Großerwerber von Software und Diensten, sondern den Leitlinien der öffentlichen Beschaffung eines fairen, transparenten und insbesondere wettbewerblich geprägten Handelns gegenüber besonders verpflichtet. Dennoch hat die Beratung PwC in 2019 schon erkannt, dass die zunehmende Abhängigkeit von wenigen Softwareanbietern die digitale Souveränität der deutschen Bundesverwaltung erheblich gefährde, so Prof. Eßig weiter. Dieses Thema werde auch andernorts, etwa auch an der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit am Institut für Informatik der Universität Bern intensiv diskutiert.
Marktversagen bei Datenschutz
Die Coronakrise hat den Abhängigkeitsgrad nochmals – durch vermeintlich kostengünstige beziehungsweise inkludierte Angebote wie Microsoft Teams – gravierend verschärft. Schließlich wurde dies als Hebel genutzt, Kunden in Abo-Modelle zu drängen, obwohl dauerhafte On-Premise-Lizenzen vorhanden und oftmals völlig ausreichend waren. Bezeichnend war hier, dass Microsoft im Bewusstsein der Krise kurzum auch noch das „EU-Recht“ (wie auch in der Schweiz) zum Weiterverkauf beim Wechsel „von SA“ der nicht mehr benötigten Lizenzen untersagte, was erst nach fortwährender Kritik, insbesondere der LizenzDirekt, nach über einem Jahr revidiert wurde.
Einige Anstrengungen auf Open Source zu setzen und eigene Cloud-Infrastrukturen wie GAIA-X aufzubauen sowie Publikationen wie etwa herausgegeben von Prof. Dr. Henning Kagermann zur Gestaltung der digitalen Souveränität Europas sind durchaus beachtenswert. Auch gibt es endlich eine veränderte Wahrnehmung und Kultur, den europäischen Grundsätzen – wie dem hohen Stellenwert des Datenschutzes – Ausdruck zu verleihen. Dazu resümiert etwa Peter Ganten, Vorstandschef der OSB Alliance, der Technologie zu GAIA-X beisteuert: „Die Regierung hat erkannt, dass es hier ein Marktversagen gegeben hat“.
Dennoch darf sich hier nicht der Illusion hingegeben werden, dass sich die Zeit einfach zurückdrehen ließe. Schnelle Lösungen wird es oftmals genauso wenig geben wie die Möglichkeit, diese in der Masse unabhängig skalierbar verfügbar zu machen. So überrascht es wenig, dass dem EU-Cloud-Projekt GAIA-X ausgerechnet das auf Big-Data-Analysen spezialisierte US-Unternehmen Palantir angehört, das auch für die US-Geheimdienste tätig sein soll, sowie, dass zuletzt auch die US-Giganten Microsoft und Amazon einbezogen wurden.
Wenn Philipp Welte für die Medienwelt demgemäß feststellt, dass globale Technologieplattformen das Ökosystem des digitalen Medienmarktes okkupiert hätten und längst das Geschehen an den ökonomischen Wurzeln der Medienwelt dominierten, so lässt sich dies gleichermaßen auf die Softwarelandschaft übertragen, weil auch dort Akteure wie Google und Amazon neben Microsoft im Cloud-Business den Markt beherrschen.
Auch kürzlich diskutierte Lösungen aus Frankreich, Cloud-Strukturen durch nationale Anbieter umzusetzen und Microsoft als reinen Softwarelieferanten einzusetzen, überzeugen nur begrenzt, weil auch dann die Datenströme nur eingeschränkt kontrolliert werden können. Hinzu kommt die Problematik, dass entgegen den öffentlichen Vergabegrundsätzen nahezu ausschließlich auf Microsoft-Software im OS- und Office-Bereich gesetzt wird und dies im Cloud-Bereich noch fortgesetzt wird.
In der Praxis zeigt sich damit oftmals, dass es leichter gesagt als getan ist. Dies gilt umso mehr für die alltäglichen Optionen im Unternehmens- und Behördenalltag, wo es primär um die Bewältigung der Arbeit geht und keine Kapazitäten für große strategische oder politische Überlegungen bestehen. Umso mehr kommt es darauf an, nicht mit Extremforderungen beziehungsweise großen Verlautbarungen nach Aufmerksamkeit zu suchen, sondern darum, alltägliches Problembewusstsein zu schärfen und praktikable Lösungen und Handlungsalternativen aufzuzeigen.
Gebrauchte Software
Hierin ist etwa die Überleitung zum europäischen Juwel der gebrauchten Software zu finden. Einerseits ist dies ein Verdienst europäischer Freiheiten, die durch die Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2012 geschützt wurden. Andererseits ergibt sich für den Kunden die Möglichkeit, sowohl erheblich zu sparen als auch gleichzeitig einen Beitrag gegen die monopolistisch geschlossenen Strukturen der Hersteller zu leisten. Genauso möglich ist natürlich, die eigenen Budgets durch den Verkauf nicht mehr benötigter Software zu erhöhen. Zu praktischen Lösungen gehört hier, auf hybride Lizenzstrukturen zu setzen, um damit einen gesunden Mix aus oftmals vorhandener und ausreichender On-Premise Software und ergänzenden Cloud-Diensten zu finden.
Gebrauchte Software kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten und zumindest geringfügig einer Verschlimmerung der Situation um die digitale Souveränität entgegensteuern. Seriöse Anbieter gibt es in ganz Europa und Diskussionen mit den Herstellern gehören schon lange der Vergangenheit an. Öffentliche Ausschreibungen berücksichtigen gebrauchte Software ebenfalls seit vielen Jahren selbstverständlich.
Andreas E. Thyen – diplomierter Volkswirt und Gründer der LizenzDirekt, einer die Pioniere im Gebraucht-Markt – fasst die Situation entsprechend vielschichtig zusammen: „Kategorische Parolen helfen niemanden und dienen nur politischen Scheindebatten. Europa braucht mehr ernstzunehmende Initiativen zur digitalen Autonomie, technische Expertise auf Politebene und ein entsprechendes Öko-System mit nachhaltigen Förderungen europakonformer Angebote. Wir unterstützen Unternehmen und Behörden herstellerunabhängig bei maßgeschneiderten Lösungen mit einem Mix aller Lizenzsysteme und unter Berücksichtigung aller rechtlichen Möglichkeiten in Europa.
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