Nachdem VR die ersten Jahre seit Aufkommen der Technologie einen schweren Start hatte und ein Nischenthema blieb, erlebte die Branche vor fünf Jahren durch die Marktdurchdringung von HTC, Sony und Occulus einen signifikanten Anstieg und machte VR durch bezahlbares Equipment endlich salonfähig.
Mittlerweile findet die Technologie Einsatz in allen wichtigen Bereichen unseres Alltags ‒ ein Trend, der einfach nicht endet! Während früher nur ambitionierte Gamer in virtuellen Weiten unterwegs waren, haben im Jahr 2021 auch Pädagogen, Chirurgen und Ingenieure sprichwörtlich die Brille auf, und dabei geht es längst nicht mehr um Spielerei, sondern um etablierte Arbeitstools.
Kreative Visionäre und innovative Unternehmen erkannten schnell die Zeichen der Zeit und entwickelten Ansätze, diese Technologie in viele weitere Anwendungsbereiche zu portieren.
„Die immersiven Möglichkeiten von VR helfen in der Industrie, Kommunikationsprozesse zu beschleunigen und Fehlerquoten zu senken. Gerade bei großen globalen Maschinenbauprojekten machen innovative Tools wie unseres gemeinsame Treffen aller Stakeholder direkt am Projekt möglich, ohne wirklich anreisen zu müssen, und das gilt sogar für Anlagen, die noch nicht einmal gebaut sind. Selbst diese werden dank VR wirklich erfahrbar und besser begreifbar als eine zweidimensionale Planungsskizze am Monitor. Sowohl im Engineering als auch im Vertrieb stellt der Einsatz von VR damit eine wichtige Weiche“, erklärt Max Noelle, CEO von WeAre.
Es herrscht virtuelle Aufbruchsstimmung, und die Coronapandemie mit all ihren Lockdowns und Reisebeschränkungen wirkt wie ein Katalysator für die Branche. VR ist ein Megatrend.
Arbeiten derzeit rund 15.000 Beschäftigte in Deutschland mit VR, werden es laut Prognosen 2030 rund 400.000 Beschäftigte sein. Bereits in den kommenden zwei Jahren rechnen Experten mit einem Marktvolumen von rund 280 Millionen Euro, wovon etwa die Hälfte die Gamingbranche ausmacht. Bis zum Jahr 2028 wird sich das wirtschaftliche Potential auf 21 Milliarden Euro erhöhen (s. Grafik). Ein Wachstumsmarkt mit Zukunftspotential.
Virtual Reality hat längst Einzug in viele essenzielle Bereiche unseres täglichen Lebens und in die unterschiedlichsten Branchen gehalten und verändert dort den Umgang mit Daten, Digitalisierung und Werkzeugen.
In der Spieleindustrie
Die meisten Spiele-Publisher scheuen bis heute die Investitionskosten für VR-Spiele, da die aktuelle Marktgröße von VR die Risiken nicht rechtfertigt – auch wegen der hohen Qualitätsansprüche heutiger Computer- und Konsolenspieler. Sollten sich die Verkaufszahlen weiter positiv entwickeln, wird sich das aber bald ändern ‒ auch dank der Investitionen von Facebook, Sony und Valve für Leuchtturm-Spieleprojekte, die mehr und mehr Spieler von VR begeistern. Keine andere Technologie vermag es, Spieler in den Bann zu ziehen. Spielwelten können mit Brille und Controller wirklich erlebt und nicht länger nur in 2D angesehen werden.
„Quasi jeder Mensch besitzt mittlerweile eine Spielekonsole. Nicht im Wohnzimmer an einen Fernseher angeschlossen, sondern in der Hosentasche, als Handy getarnt. Nicht alle Menschen benutzen ihr Smartphone zum Spielen, aber die Möglichkeit, es tun zu können, und der Komfort, nur einen Fingerdruck vom Spielen entfernt zu sein, hat das Handy zur weltweiten Spielehardware Nummer 1 aufsteigen lassen“, erzählt Nico Nonne, CTO EXIT Adventures/EXIT VR: „Wenn wir davon ausgehen, dass in zehn Jahren die AR-Brille das Display des Smartphones, das heute fast jeder Deutsche mit sich herumträgt, ersetzen wird und dass VR als Modus in die AR-Hardware integriert sein wird, dann wird in Zukunft fast jede Person Zugriff auf eine VR-Brille haben. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass jede Person zum VR-Gamer wird.“
In der Medizin
Auch hier verändert Virtual Reality den Arbeitsplatz, beispielsweise den von Chirurgen. Längst ist es möglich, dass der operierende Experte am einen Ende Welt sitzt, während der Patient am anderen im Operationssaal liegt. Mit VR-Brille und ferngesteuerten Roboterarmen lassen sich selbst Operationen am offenen Herzen durchführen, ohne dass der Patient oder der Spezialist durch die Weltgeschichte reisen müssen. Auch in der Ausbildung bekommen es Mediziner immer häufiger mit virtuellen Patienten und Operationen an selbigen oder gar mit virtuellen Leichen für das Erlernen des Sezierens zu tun.
„Man kann mit VR sogar Patienten therapieren, etwa bei Phobien, gegen Spinnenphobie, gegen Höhen- oder Flugangst. Die Situation ist erkennbar nicht real, das macht aber nichts, die VR hilft trotzdem oder ist sogar besser, weil man mit ihr viel einfacher auch zu Hause trainieren kann“, erläutert Neurologe und Medizinjournalist Magnus Heier. „Die hohe Wirksamkeit zeigt aber auch, dass wir unterbewusst nur schwer zwischen echt und virtuell unterscheiden. Und da sehe ich ein sehr, sehr großes Suchtpotenzial. Die Flucht in eine gute VR ist verführerisch!“
In der Bildung
Während VR im schulischen Kontext eine sehr untergeordnete Rolle spielt und man hier ‒ ob aufgrund fehlender Hardwareausstattung an Schulen und mangelnden Netzausbaus ‒ lediglich auf einige Leuchtturmprojekte stößt, häufig basierend auf portabler Miethardware, findet VR in der Erwachsenenbildung, vor allem in Schulung und Weiterbildung, schon weitaus häufiger statt. Gefährliche Situationen, die es zu trainieren gilt, sind in der Virtual Reality deutlich leichter und ungefährlicher nachzustellen als in der realen Welt. Erlebte Inhalte bleiben uns obendrein besser im Gedächtnis als auswendig gelernte Fakten. Die Immersion ist hier ein Schlüssel zu besserer, zu einfacherer Bildung.
„Überall wo Bildung stattfindet, kann VR potenziell einen Mehrwert liefern. Meine große Hoffnung ist, dass sie vor allem einen sinnstiftenden Beitrag zur Inklusion und Barrierefreiheit liefert. Gleichzeitig muss man gesellschaftspolitisch dafür Sorge tragen, dass der Digital Divide durch Technologien nicht noch mehr zunimmt“, erklärt Madeleine Wolf, CEO der visionYOU GmbH.
In der Industrie
Im Anlagen- und Maschinenbau beispielsweise setzen die Unternehmen mehr und mehr auf innovative Tools und auf den Einsatz von VR. Herkömmliche CAD-Skizzen werden vollautomatisch in virtuelle dreidimensionale Modelle verwandelt, an und auf denen dann Besprechungen mit allen Gewerken durchgeführt oder virtuelle Begehungen und Inspektionen vorgenommen werden können, ohne wirklich auf der Anlage zu sein. Das alles funktioniert für kleinste Motoren genauso wie für Hunderte Meter lange Produktionsstraßen für die Stahlverarbeitung.
https://weare-rooms.com/