Umdenken im Eilverfahren:

Wie Corona die digitale Transformation vorantreibt

Die vergangenen Monate haben deutlich gemacht, wie schnell Veränderungen eintreten, wenn die Notwendigkeit groß genug ist. Die Geschwindigkeit, mit der sich Unternehmen hierzulande auf die Pandemie-Maßnahmen eingestellt haben, war in weiten Teilen beeindruckend.

Innerhalb weniger Tage wechselten Hunderttausende Mitarbeiter vom Büro ins Homeoffice. Abstimmungsprozesse mussten neu definiert und skalierbare Anwendungsinfrastrukturen bereitgestellt werden. Eine Medaille mit zwei Seiten: Die Corona-Krise zeigt zwar, dass viele Unternehmen der Situation technologisch gewachsen sind; sie offenbart allerdings auch, wo in Sachen Digitalisierung noch Hausaufgaben zu machen sind. Gut fünf Monate nach dem Lockdown ist es an der Zeit für ein Resümee. 

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„#WirBleibenZuhause“ – mit diesem Appell brachte die Bundesregierung im Frühjahr dieses Jahres Maßnahmen gegen die Verbreitung des neuen Coronavirus auf den Weg, die von großer Tragweite für das berufliche und soziale Leben waren und deren Auswirkungen bis heute nur schwer abzuschätzen sind. Eines ist allerdings sicher: In Sachen Digitalisierung – ob nun im Bildungsbereich, im Gesundheitswesen, in der privaten Kommunikation oder in der Arbeitswelt – hat das Gebot der sozialen Distanz viele ins kalte Wasser geworfen. Und, wie sich mittlerweile zeigt, ebenso einige überfällige Steine ins Rollen gebracht. Denn während die rein technologische Transformation in den meisten Unternehmen ohnehin auf dem Weg war, schaffte die erzwungene Umstellung aufs Homeoffice vor allem einen unternehmenskulturellen Sinneswandel. Heute sind zahlreiche Vorgesetzte und Personalverantwortliche deutlich entspannter, wenn es um das Vertrauen in heimische Arbeitsleistungen geht. Eine neue Offenheit, die sich zum Nährboden für deutlich flexiblere Beschäftigungsmodelle entwickeln könnte.

Verteilte Zusammenarbeit: Je etablierter, umso schneller

Wer heute ein Unternehmen gründet, der denkt die Digitalisierung von Prozessen in der Regel schon am sprichwörtlichen Reißbrett mit. Schließlich sind die Geschäftsmodelle vieler Startups ohne eine weitreichende technische Infrastruktur überhaupt nicht realisierbar und müssen deshalb vom ersten Tag an detailliert geplant werden. Es ist also wenig überraschend, dass viele junge Unternehmen im März quasi aus dem Stand die Besetzung ihre Büros auf ein Minimum herunterfahren konnten. Der Clou lag allerdings nicht nur in der Bereitstellung von Smartphones, Laptops und einem sicheren Zugriff auf alle wichtigen Anwendungen und Dateien, sondern ebenso in der Überzeugung, dass die Kolleginnen und Kollegen zuhause genauso effizient arbeiten können wie im Büro – in Zeiten familien- und mitarbeiterfreundlicher HR-Strategien vielerorts eine Annahme, die auf Erfahrung beruht.

Für zahlreiche junge Teams gehört die Kombination aus Homeoffice und Präsenztagen seit Langem zum Alltag. Tools zur Terminkoordination, Kollaborationsplattformen und der Remote-Zugriff auf Daten und Dokumente sind vertrautes Terrain. Ebenso wichtig wie das rein technische Anwendungs-Knowhow waren und sind die weichen Faktoren: Eine direkte, zugleich respektvolle Kommunikation, agile Abstimmungsprozesse und die Einhaltung von klar definierten Workflows sind unabdingbar, damit verteilte Teams stets an einem Strang ziehen. Und zudem enorm hilfreich, wenn Herausforderungen wie der Lockdown im Frühjahr eine schnelle Reaktion fordern. 

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Mehr als eine Frage der Technik: Digitalisierung ist kultureller Wandel

Dass die Arbeitsstrukturen und Workflows junger Unternehmen noch im Werden und damit tendenziell flexibler sind, liegt in der Natur der Sache. Es soll allerdings nicht bedeuten, dass etablierte Betriebe der technischen Entwicklung per se hinterherhinken. Im Gegenteil, hier ist der Trend eher vielversprechend: Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom zeigten sich bereits Anfang 2019 und damit weit vor Corona knapp 80 Prozent der Unternehmen offen für die Digitalisierung – ebenso viele der quer durch alle Branchen befragten IT-Manager setzten schon zum Zeitpunkt der Untersuchung auf Cloud-basierte Lösungen. Es mangelt also mitnichten am Willen, technische Investitionen zu tätigen.

Ohne Zweifel ist die Aufgabe, bestehende Systeme auf den neuesten Stand zu bringen und möglichst sämtliche Prozesse in die digitale Infrastruktur einzubinden, ein forderndes Unterfangen. Doch in diesem Punkt hat die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahren deutlich an Land gewonnen. Wenn es Defizite gab, die sich im Pandemie-Lockdown bemerkbar gemacht haben, dann waren sie überraschenderweise oft unternehmenskultureller Natur, und das sowohl auf Seiten der Belegschaft als auch unter Vorgesetzten. Die eigentlichen Herausforderungen scheinen damit weit weniger in den harten Faktoren als in einer weitreichenden Akzeptanz der digitalen Transformation zu liegen.
 

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Weniger Zweifel an eigenen Fähigkeiten: Homeoffice gewinnt an Akzeptanz

Das Beratungshaus PwC fand in einer Untersuchung Ende vergangenen Jahres heraus, dass sich nur die Hälfte der Deutschen ausreichend für den Einsatz neuer Technologien gerüstet fühlen. Mit dieser Unsicherheit im Gepäck lässt sich die Digitalisierung von Prozessen und Arbeitsabläufen nur schwer als Vorteil verkaufen. Ein Umstand, den Führungskräfte glücklicherweise bereits 2019 erkannt haben: Laut erwähnter Bitkom-Studie sahen bereits damals 84 Prozent der befragten Unternehmen Digitalkompetenz als eine relevante Fähigkeit im Rahmen der Digitalisierung.

Diese Annahme dürfte seit März vielfach Bestätigung gefunden haben – der Großteil der skeptischen Heimarbeiter wird den erzwungenen Sprung ins kalte Wasser allerdings deutlich besser gemeistert haben, als erwartet. Laut einer Studie der Krankenkasse DAK habe die Gewöhnung an das Homeoffice zwar ein wenig gedauert, Stand Juli 2020 äußerten allerdings sage und schreibe Dreiviertel der Befragten den Wunsch, auch nach der Corona-Krise (zumindest teilweise) weiter von zu Hause zu arbeiten. Was noch erfreulicher ist: Die Anzahl derjenigen, die in der Digitalisierung eine Belastung sehen, ist im Vergleich zu Voruntersuchungen der DAK um 80 Prozent gesunken. 
 

Die Zukunft des Arbeitsplatzes: Kreativität bei Führungskräften ist gefragt

Nicht nur auf Arbeitnehmerseite, auch in den Chefetagen ist das Umdenken noch in vollem Gange: Wie Forscher vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO im Mai dieses Jahres herausfanden, gehörten selbst mitten in der Krise noch fehlende Betriebsvereinbarungen mit knapp 58 Prozent zu den größten Barrieren für den Wechsel ins Homeoffice. 30 Prozent der insgesamt 500 befragten Unternehmen gaben zudem an, dass ihrer Geschäftsführung beim Thema Distanzarbeit auf die Bremse tritt. Diese Skepsis kategorisch als Unwillen abzutun, wäre allerdings verfehlt und würde der Tragweite vieler Bedenken nicht gerecht werden. Sorgen um den Datenschutz, um verlustreichere Abstimmungsprozesse oder die eingeschränkte soziale Interaktion in den Teams sind ebenso wie arbeitsergonomische Überlegungen wichtige Aspekte, die nach zukunftsfähigen Lösungen verlangen.

Hier werden künftig neue, hybride Kommunikations- und Kollaborationskonzepte nötig sein, die Homeoffice-Arbeit und Präsenz sinnvoll miteinander integrieren – ohne unnötige Reibungsverluste an den Schnittstellen entstehen zu lassen. Eine Orientierungshilfe hierzu liefert möglicher Weise die New Work-Barometer der Berlin University of Applied Sciences. Das Team rund um den Wissenschaftler Carsten Schermuly untersucht dabei, inwiefern Unternehmen beispielsweise mit holakratischen Organisationsformen oder agilen Praktiken besser durch die Krise kommen und auch darüber hinaus von neuen Arbeitsstrukturen profitieren können. Für das künftige Arbeitsplatzmanagement wird es unverzichtbar sein, soziale und kulturelle Faktoren noch stärker einzubeziehen. Die gute Nachricht: Noch nie war die Akzeptanz für digitales Arbeiten so groß wie heute – eine Situation, die Manager und Personalverantwortliche nutzen sollten, um nachhaltig neue Strukturen zu etablieren.

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