Und plötzlich geht’s doch. Die Angestellten sind mit Notebooks ausgestattet, sie halten ihre Meetings mit Videoconferencing-Tools ab und organisieren ihre Zusammenarbeit über Digital-Collaboration-
Halb Deutschland arbeitet wegen des Coronavirus nun an digitalisierten Arbeitsplätzen von zu Hause aus, und auch wenn es hier und da zunächst einmal gehakt haben mag: es läuft. Die Coronakrise hat Deutschland in Sachen Digitalisierung um mehrere Jahre nach vorne katapultiert.
Digitale Abhängigkeit von den USA
Diesen Schwung muss Deutschland unbedingt mitnehmen, wenn es im Juli die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernimmt – und in die richtigen Bahnen lenken. Soll die Digitalisierung nachhaltig bleiben, gilt es dafür vor allem ein zentrales Thema anzugehen: die digitale Abhängigkeit Deutschlands und ganz Europas von den USA. Diese Abhängigkeit wurde während der Coronakrise sichtbarer denn je. Als es darauf ankam, binnen kurzer Zeit massenhaftes Arbeiten im Home Office zu ermöglichen, setzten viele IT-Abteilungen einfach kurzerhand auf die bekannten und gängigen Public-Cloud-Dienste der US-amerikanischen Internetgiganten. In vielen Fällen schlichtweg deshalb, weil es scheinbar keine Alternativen gab.
Diese Abhängigkeit sorgt in mehrerlei Hinsicht für Probleme. Eines davon heißt US Cloud Act. Amerikanische Behörden haben durch dieses Gesetz die Möglichkeit, von Cloud-Providern aus ihrem Land die Herausgabe sämtlicher Daten einer Person oder eines Unternehmens zu verlangen. Und das selbst dann, wenn sie sich auf Servern befinden, die gar nicht in den USA stehen. Das läuft nicht nur dem großen Datenschutzregelwerk der Europäischen Union, der DSGVO, diametral entgegen. Es beraubt unsere Unternehmen und Behörden auch der Souveränität über ihre eigenen, oft hochsensiblen Daten. Nachhaltige Digitalisierung sieht anders aus.
Darüber hinaus schränkt die digitale Abhängigkeit von den USA die strategische Handlungsfähigkeit Europas und seiner Unternehmen ebenso ein wie deren Möglichkeiten zur Wertschöpfung. Die USA zeigen sich sehr aktiv und geschickt in der Kontrolle von Drittstaaten über digitale Fangnetze und technologische Monopolstellungen. Sie eröffnen ihnen Druckmittel und Handlungsoption, die sich für Europa nachteilig auswirken und seine eigenen Spielräume deutlich einschränken. Ein anschauliches Beispiel dafür, wie die USA ihre Marktmacht über die IT- und Dateninfrastrukturen zu ihrem eigenen Vorteil nutzen, lieferte etwa der Android-Boykott gegen Huawei. Einem solchen Erpressungspotenzial sollte sich Europa nicht länger aussetzen.
Aufbau europäischer Cloud-Infrastrukturen
Wir müssen den Aufbau europäischer Cloud-Infrastrukturen weiter vorantreiben. Die ideale Basis dafür liefert die Open-Source-Community. Sie kann bereits zahlreiche Erfolgsprojekte vorweisen, auf denen sich aufbauen lässt. Doch nicht nur das. Open-Source-Software verfügt auch über eine ganz ureigene Stärke, die Unabhängigkeit und Datensouveränität praktisch von Haus aus gewährleistet: Da ihr Quellcode frei verfügbar ist, kann sich jeder selbst davon überzeugen, ob eine Software Hintertüren enthält, über die Daten an unbefugte Dritte abfließen können; und die Abhängigkeiten proprietärer Systeme kennt Open-Source-Software ebenfalls nicht.
Das kann aber nur funktionieren, wenn der Staat selbst mit gutem Beispiel vorangeht. Seine Behörden und Organisationen sollten künftig selbst Abstand von US-amerikanischen Cloud-Diensten nehmen und auf Open-Source-Lösungen setzen, die datenschutzkonform und transparent in Europa gehostet werden. Und damit noch ein weiteres wichtiges Signal setzen: Die Steuermittel, die in die Digitalisierung fließen, sollten ausschließlich in europäische Technologien investiert werden. „Cloud made in Europe“ hat einen klaren Standortvorteil und kann mit Unterstützung der Politik zum echten Exportschlager werden.