Serie Teil 8/10

Dematerialisierung: Die Zukunft der Datengesellschaft

Eine Sicherheitslücke nach der anderen, ein Datenskandal jagt den nächsten: Die digitale Transformation befindet sich in einer schwierigen Übergangsphase und die Spielregeln werden jetzt ausgehandelt.

Die Wirtschaft, auf die Daten der Menschen künftig angewiesen, muss verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Vor allem aber muss, auch technologisch, der Schwenk vom Datenschutz zur Datensouveränität gelingen.

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Facebook hat der Wirtschaft einen Bärendienst erwiesen. Dass Cambridge Analytica zigmillionen Datensätze illegal nutzen konnte, ist eine Katastrophe. Soviel Vertrauen, soviel Wohlwollen der Verbraucher hat das Unternehmen damit verspielt. Der wahre Skandal liegt aber woanders, nämlich in der Ignoranz des Unternehmens. Facebook war es offenkundig völlig egal, was mit den Daten seiner Nutzer passiert. Es gab dafür keinen internen Prozess und keine Kontrollinstanz. Und offenbar war auch kein aufmerksamer Manager zur Stelle, der zum richtigen Zeitpunkt eingeschritten wäre.

So erscheint die Cambridge-Analytica-Affäre als bisheriger Höhepunkt einer Reihe von Ereignissen, die das Vertrauen der Menschen in die datengetriebene, auf dem Internet der Dinge basierende ökonomische Zukunft erschüttern. Die Hackangriffe auf Millionen Router und Rechner, die Krankenhäuser und Bahnhöfe lahmlegten, sind noch nicht vergessen. Regelmäßig, wenn auch manchmal mit Jahren Verspätung, kommt ans Licht, dass Kriminelle die Kundendaten eines Unternehmens in großem Stil abgegriffen haben. Das „Smart Home“, wo die Verbraucher am engsten mit dem Internet der Dinge in Verbindung kommen, steht in dem Ruf, eine gigantische Ansammlung an Sicherheitslücken zu sein. Die Hersteller der „Dinge“ schenken dem Thema zu wenig Aufmerksamkeit.

Ein Faux pas sondergleichen, denn mehr denn je ist Vertrauen der entscheidende Erfolgsfaktor in der datengetriebenen Wirtschaft. Wer das Vertrauen der Kunden nicht immer wieder neu erwirbt und rechtfertigt, wird auf Sicht keinen Erfolg mehr haben und dem Digitalen Darwinismus zum Opfer fallen. Die Wirtschaft ist gefordert. Denn wenn nicht einmal führende Unternehmen unter Beweis stellen können, dass sie die Daten und die digitale Sphäre ihrer Kunden schützen können, tritt unweigerlich die Politik auf den Plan und greift stärker regulierend ein. Die Wirtschaft muss verstehen: Jetzt werden die Spielregeln ausgehandelt, die das Business in den nächsten Jahren bestimmen werden.

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Vom Datenschutz zur Datensouveränität

Wir sind in eine entscheidende Phase eingetreten, denn derzeit entstehen erst die Grundlagen des Internets der Dinge, der cyberphysischen Systeme und des Industrial Internets. Wir erleben die zaghaften Anfänge der Digitalisierung und Vernetzung. Doch die Macht der exponentiellen Leistungsentwicklung der IT greift: Das Netz wird sich zu einem feinen Gewebe verdichten, Daten werden in immer größerer Menge erzeugt, die Systeme kommunizieren in zunehmendem Maße autark und ohne Zutun des Menschen miteinander. Billionen Sensoren und Milliarden Geräte prägen mehr und mehr die Lebensumwelt der Menschen. Mal ehrlich: Glaubt jemand ernsthaft, in dieser vollvernetzen Welt könnte ein Verbraucher den Überblick über seine vielfältigen Logins und seine Datenfreigaben behalten, könnte nachhalten, welchem Unternehmen er welche „Permissions“ gegeben hat? Damit wäre er komplett überfordert. Sofern er nicht als digitaler Eremit leben möchte, wird der Konsument seine Daten nicht schützen können.

„Datenschutz“ ist ein Konzept aus dem 20. Jahrhundert. Allein der der Begriff führt in die Irre, weil er nur Gefahr und Missbrauch von Information impliziert. Das Konzept der Zukunft ist „Datensouveränität“, verstanden als bewusster Tausch von Daten gegen Leistung, immer mit der Möglichkeit, die Freigaben und Einwilligungen wieder zurückziehen zu können. Die Datenhandhabung wird aber, wie geschildert, zu komplex, zu undurchschaubar für den Einzelnen sein. Echte Souveränität über seine Daten wird der Mensch nur mit technologischer Unterstützung erreichen.


Lesen Sie auch die anderen Beiträge der Serie „Dematerialisierung“:

Teil 1: Dematerialisierung – Die Neuverteilung der Welt

Teil 2: Dematerialisierung – Die neue Infrastruktur des Wohlstands

Teil 3: Dematerialisierung – Willkommen, KI!

Teil 4: Dematerialisierung: Blockchain – das Betriebssystem der vernetzten Welt
Teil 5: Dematerialisierung: Sharing Economy – Teilen ist das neue Haben
Teil 6: Dematerialisierung: Die Digitalisierung rauscht noch an den Bilanzen vorbei
Teil 7: Dematerialisierung: Liberté, Egalité, Agilité
Teil 8: Dematerialisierung: Die Zukunft der Datengesellschaft


„Privacy Manager“ auf Basis der Blockchain

Die Blockchain wird dabei eine wichtige Rolle spielen und die Grundlage für neuartige „Privacy Manager“ bilden. Mit Hilfe der Blockchain kann nicht nur fälschungssicher festgeschrieben werden, welche Daten eine Person für welche Zwecke zur Verfügung stellt, welche Informationen anonymisiert werden müssen und welche tabu bleiben.

Gleichzeitig lässt sich über automatisierte „smart contracts“ organisieren, dass die Daten nur für die gewünschten Services benutzt werden – etwa für die Mobilitätssysteme einer Stadt, für optimierte Gesundheitsdienstleistungen und die Kommunikation mit dem Arbeitgeber, aber vielleicht nicht für personalisierte Produktwerbung oder Kreditangebote von Finanzdienstleistern. Und es wird Sinn machen, noch einen Schritt weiter zugehen. Warum sollten die Menschen nicht eine persönliche Künstliche Intelligenz, ihren eigenen KI-Assistenten beauftragen können, auf ihre Daten achtzugeben? Dieser KI-Assistent würde die Wünsche, Vorlieben und Verhaltensmuster seines Besitzers kennen und in seinem Sinne „Permissions“ für den Dateneinsatz erteilen oder wieder zurückziehen.

Und: Der KI-Assistent würde Preise aushandeln. Daten avancieren zu dem alles entscheidenden Wirtschaftsgut. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass allein die Unternehmen mit Daten Geld verdienen. Daten dürfen und müssen einen Preis haben. Dieser kann durchaus bei „null“ liegen. Wenn der Verbraucher für seinen Dateneinsatz einen begeisternden, überlegenen Service geboten kommt, kann er sich dazu entscheiden, auf Einnahmen aus seinen persönlichen Informationen zu verzichten. Aber was ist mit Daten für Marktforschung? Oder wenn mehrere Unternehmen ihre Kundendaten zusammenlegen wollen, um eine neue, innovative Dienstleistung zu kreieren? Was ist mit hochsensiblen, ja intimen Daten, etwa zur Gesundheit? Dann sollte der Konsument in der Lage sein, diesen Daten ein Preisschild umzuhängen.

Über solche innovativen Themen sollten Unternehmen, Verbraucherverbände und die Politiker in Berlin und Brüssel intensiver nachdenken. Es geht nicht nur um die berechtigte Sorge der Menschen um ihre Daten, sondern auch um die Grundlagen einer künftigen Ökonomie. Die Datengesellschaft, auf die wir unweigerlich zusteuern, braucht neue Lösungen für eine neue Zeit. Mit den Datenschutz-Philosophien des 20. Jahrhunderts ist kein Staat mehr zu machen. Die Zukunft gehört der Datensouveränität, die durch Künstliche Intelligenz und die Blockchain ermöglicht wird. Sie ist zudem von einer stark marktwirtschaftlichen Komponente geprägt, denn die Verbraucher müssen ihre persönlichen Daten auch bepreisen können. Im Falle des Datenmissbrauchs, wie durch Cambridge Analytica, könnten auch Malus-Zahlungen fällig werden.

Dann blieben uns Schauspiele wie die von Facebook-Chef Mark Zuckerberg erspart. Seine Krisenstrategie – Verantwortung einräumen, Besserung geloben – war genauso lasch wie das Verantwortungsbewusstsein seines Unternehmens. Zuckerberg hat sich natürlich wider besseres Wissen zurückgehalten. Er weiß natürlich, dass die Krise das Geschäftsmodell seines Unternehmens im Kern bedroht. Schließlich sind Big Data, Analytics und Statistik die Geheimnisse des Facebook-Erfolgs. Schon immer hat das Unternehmen die Daten seiner User auf ihre Vorlieben hin analysiert, um Unternehmen Werbevorschläge zu machen. Die Vorlieben kommen in „Likes“ und „Posts“ zum Ausdruck. Facebook ist vermutlich die größte Ansammlung solcher Präferenzen in unserem Universum. Diese Präferenzen lassen sich prima an Unternehmen verkaufen, die Kunden und Kundengruppen identifi zieren oder Interessengruppen und „Infl uencer“ für sich gewinnen möchten.

Dass die Kunden und Konzerne diesen Service auch gerne genutzt haben, zeigen die Zahlen: Facebook machte 2017 insgesamt 40,65 Milliarden Dollar Umsatz und 15,95 Milliarden Dollar Gewinn. Dies nur als eindrucksvolle Hausnummer dazu, um welche Wertschöpfungsdimensionen es in der Diskussion um die Datensouveränität geht.

Karl-Heinz Land Karl-Heinz Land ist Digital Evangelist und Gründer der Strategie- und Transformationsberatung neuland sowie Sprecher der Initiative Deutschland Digital (IDD).

www.neuland.digital
 

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