Innovationstreiber Blockchain Teil 2/3

Die stille Revolution – Welche Branchen profitieren von Blockchain?

BlockchainOrganisationen aus ganz unterschiedlichen Industrien arbeiten daran, mit Blockchain ihre Prozesseffizienz zu steigern oder sogar vollständig neue Geschäftsmodelle zu realisieren. Der folgende Beitrag gibt dazu einen branchenübergreifenden Überblick, von Finanzdienstleistern über Tourismus bis zur Automobilindustrie.

Die Blockchain-Technologie könnte die nächste Evolutionsstufe des Internets einleiten und das Internet der Werte definieren. Dazu ein Blick zurück: In den 1990er Jahren entstand mit dem World Wide Web das Internet der Information und mit Web 2.0 im neuen Jahrtausend das Internet der sozialen Beziehungen mit seinen Social Media-Plattformen. Bei dem neuen Internet der Werte geht es um eine netzökonomische Evolution, denn mit Blockchain werden Märkte neu geordnet und es wird eine dezentral gesteuerte Internetwirtschaft gefördert. Die Technologie bildet zugleich die Basis für mehr Vertrauen der Marktteilnehmer untereinander, obwohl – oder gerade weil – eine zentrale Vertrauensinstanz fehlt.

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Lesen Sie auch die anderen Beiträge der Serie „Innovationstreiber Blockchain“:

Teil 1: Blockchain bringt Veränderung – Mit Sicherheit handeln
Teil 2: Die stille Revolution – Welche Branchen profitieren von Blockchain?
Teil 3: Wie viel Regulierung und Standards verträgt die neue Technologie?

Der Mechanismus hinter Blockchain erlaubt den sicheren Handel von Werten im Internet. Dies können virtuelle Güter wie Zertifikate, digitale Bilder, Musikstücke und alle anderen immateriellen Werte sein, aber auch Berechtigungen für Zugänge, also zum Beispiel für Sportveranstaltungen. Gleiches gilt für materielle Dinge wie Immobilien oder Autos: Mit Blockchain erfolgt eine sichere digitale Verbriefung dieser Werte, sodass diese ebenfalls zu einer digitalen Handelsware werden. Bislang waren für den Austausch immer vertrauenswürdige Institutionen zwischen den Handelsparteien notwendig, also Banken, Händler, Notare oder Plattformen wie Ebay, Airbnb und Uber. Mit Blockchain wird nun sogar das recht neue Geschäftsmodell der Plattformökonomie wieder angegriffen, da eine zentrale Instanz in vielen Szenarien gar nicht mehr benötigt wird. Der Begriff „Disrupt the Disruptors“ beschreibt treffend, welches Veränderungspotenzial viele Experten in der Blockchain-Technologie sehen.

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Alle guten Dinge sind drei

In der Praxis zeigen sich drei Anwendungsfälle, die auf Basis von Blockchain effizienter ablaufen könnten. Dies ist der klassische Austausch von Werten zwischen Handelspartnern, wie es derzeit bereits mit Bitcoins realisiert wird. Außerdem der digitale Eigentumsnachweis für materielle und immaterielle Dinge. Das dritte Beispiel ist der Herkunftsnachweis, um zum Beispiel eine Transaktions- oder Lieferantenkette transparent darzustellen.

Ein Leben ohne Banken?

Basierend auf diesen Grundlagen lässt sich das Veränderungspotenzial für einzelne Branchen evaluieren. In der Finanzindustrie sind die Auswirkungen durch Bitcoin schon spürbar: Mit der Kryptowährung sind direkte Zahlungen zwischen Handelspartnern ohne eine Bank möglich. Allerdings haben die Banken das Glück, dass ihre Branche sehr stark reguliert ist, wodurch sich kurzfristig keine dramatischen Veränderungen ergeben werden. Der Druck kommt eher von Kundenseite, da dort die Erwartungshaltung für neue Dienste steigt, wie zum Beispiel für Direktzahlungen. Viele Kreditinstitute nähern sich Blockchain tatsächlich vor dem Hintergrund der Kostensenkung und Effizienzsteigerung und versuchen, bestehende Abläufe rund um das „Werte-Management“ – Kontoführung, Überweisungen, Direktzahlungen – zu vereinfachen.

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Autobauer haben Nachholbedarf

Spannend wird die Entwicklung in der Automobilbranche. Im September sagt der Bitkom-Präsident Achim Berg: „Gerade im Verkehrssektor gibt es faszinierende Einsatzszenarien. Viele der aktuellen Herausforderungen der Automobilindustrie können mit Blockchain leichter bewältigt werden“. In einer ebenfalls von Bitkom veröffentlichten Umfrage unter rund 180 Geschäftsführern zeigt sich, dass gerade einmal 34 Prozent der Hersteller und Zulieferer bislang von der Blockchain als Technologie für den Unternehmenseinsatz gehört haben.

Mögliche Szenarien sind die sichere Überwachung der Lieferketten, da Fahrzeughersteller mit komplexen und globalen Supply Chains arbeiten müssen. Hier ist eine engmaschige Kontrolle und transparente Nachverfolgung von Bauteilen und Rohstoffen notwendig. Basierend darauf ist es möglich, die Blockchain als anerkannte Instanz für die vertrauensvolle Zusammenarbeit im gesamten Ökosystem zu etablieren. Für das Fahrzeug selbst könnte die Blockchain zu einem vertrauenswürdigen Hüter für alle servicerelevanten Details im gesamten automobilen Lifecycle werden.

Neue Mobilitätsdienstleister erhalten mit Blockchain eine Technologie, um effizient neue Angebote zu realisieren. Die Prozesse rund um ein Carsharing eignen sich ideal für die Blockchain-Technologie, da sich hiermit der Kunde gegenüber dem Eigentümer legitimiert. Über die Smart Contracts, die eine Ausführung von Regeln innerhalb der Blockchain-Transaktion ermöglichen, könnte eine Prüfung der Zahlung und der Fahrerlaubnis erfolgen. Bei Elektrofahrzeugen ist die Abrechnung an Stromtankstellen und die direkte Zahlung ohne Bank oder PayPal ebenfalls möglich, sodass Blockchain auch branchenübergreifend innerhalb eines Projekts verwendet werden kann.

Blockchain-Wallet künftig in jedem Elektrofahrzeug?

ZF Friedrichshafen plant eine Lösung, um Fahrzeuge mit einer elektronischen Geldbörse auf Basis von Blockchain auszustatten. Mit dem Car eWallet bezahlen Fahrer zum Beispiel automatisch ihren Parkplatz und Elektrofahrzeuge könnten die Benutzung von Induktionsschleifen vollautomatisch abrechnen. Darüber hinaus ist es für Grundstücksbesitzer mit Stromtankstelle sehr einfach möglich, ihren Anschluss anderen Teilnehmern zur Verfügung zu stellen, da eine sichere Abrechnung direkt über ein Blockchain-Netzwerk realisierbar ist.

Immer schön cool bleiben

Die Rückverfolgung von Produkten wird auch in der Lebensmittelindustrie benötigt. Insbesondere Tiefkühlprodukte müssen von der Herstellung über den Transport bis zum Verkauf lückenlos überwacht werden. Wird die Kühlkette unterbrochen, kann dies zur Keimbildung führen. Eine Blockchain mit einem Smart Contract, der den Status von Temperatursensoren dokumentiert, könnte einen regulär durchgeführten Transport fälschungssicher belegen. Weitere Branchen, in denen die Rückverfolgung geschäftskritisch ist, sind die Chemie- und Pharmaindustrie sowie die Prozessindustrie insgesamt.

Wo ist ein Bett frei?

Auch die Tourismusindustrie ist auf den Zug aufgesprungen: So plant TUI, das gesamte Betteninventar aller angeschlossenen Hotels in einer Blockchain zu erfassen. Dies würde dem Reiseveranstalter sowie Reisebüros einen einheitlichen, transparenten und fälschungssicheren Einblick in die globale Verfügbarkeit ihrer Hotelbetten geben und damit auch den Buchungsprozess beschleunigen.

Fazit

Wer sich heute näher mit der Blockchain-Technologie beschäftigen möchte, sollte sich von einer rein technologischen Betrachtung der Möglichkeiten lösen. In der Praxis scheitern tatsächlich viele Projekte daran, dass diese auf einzelne Bereiche im eigenen Unternehmen beschränkt sind. So werden viele Projekte nach ersten Schritten im Teststadium wieder abgebrochen, weil die damit zu lösenden Aufgaben auch mit etablierten Technologien lösbar sind. Wie die Beispiele aus unterschiedlichen Industrien gezeigt haben, sollte Blockchain als eine Querschnittstechnologie angesehen werden, die ihr volles Potenzial über Branchen- und Organisationsgrenzen hinaus entfaltet.

Guido WeilandGuido Weiland, Leiter Innovation Center, Materna

 

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