Die Digitalisierung verändert unsere Wirtschaft. Von diesem Wandel sind alle Branchen, Unternehmen – ob großer Konzern oder kleiner Handwerksbetrieb- und damit auch ihre Geschäftsmodelle betroffen. Auch kleine und mittlere Betriebe sollten die strategischen Weichen für das digitale Zeitalter stellen.
Für viele mittelständische Unternehmen ist dieses Ziel vor allem mit Fragen verbunden. In der Themenserie „Digitale Geschäftsmodelle“ gibt Mittelstand-Digital, ein Angebot des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Antworten darauf.
Die Spannweite reicht von „Was muss ich anbieten, um neue Kunden zu gewinnen?“ bis zu „Brauche ich all das – die Technik, die Umstellung – überhaupt?“. Vor allem letztere Frage kann nur eine Gruppe beantworten: die Kunden.
Lesen Sie in dieser Serie demnächst folgende Beiträge von Dr. Franz Büllingen: Teil 1: Warum der Mittelstand digitale Geschäftsmodell braucht Teil 2: Welche Vorteile digitale Geschäftsmodelle dem Mittelstand bringen (mit Praxisbeispielen) Teil 3: Welche neuen Geschäftsmodelle in der Produktion entstehen Teil 4: Wie man digitale Geschäftsmodelle entwickelt (Vorgehen) Newsletter „Serienmelder“ |
Warum digitale Geschäftsmodelle wichtig sind
Dank der Digitalisierung haben die Kunden in den letzten Jahren stetig an Einfluss gewonnen. Während früher eher Produzenten und Dienstleister das Marktangebot bestimmten, werden die Märkte heute stärker durch die Nachfrage der Kunden geprägt. Ein Ende dieser Machtverschiebung am Markt ist nicht abzusehen. Das hat zwei Gründe: Auf der einen Seite mischen neue Akteure wie Google, Facebook oder Amazon die Märkte auf. Sie wildern seither in immer neuen Bereichen und fordern mit ihren Produkten und Dienstleistungen die bisherigen Platzhirsche, Branchengrößen und Hidden Champions heraus.
Auf der anderen Seite macht der digitale Wandel die Kunden zu gut vernetzten und informierten Akteuren. So garantieren Smartphone und Tablet ihnen permanenten Zugang zum Internet. Auf diese Weise können sie zu jederzeit und an jedem Ort auf Suchmaschinen und Vergleichsportale als Informationsquellen zugreifen und sich über soziale Netzwerke oder Messaging-Dienste austauschen. Dadurch ändert sich auch ihr Konsumverhalten: Heute erwarten Kunden höhere Qualität. Sie bevorzugen individuelle Produkte (zum Preis von Massenware), weil sie wissen, dass dies dank moderner, digitaler Produktionsprozesse technisch machbar ist. Sie wollen ihre Ware schnellstmöglich in den Händen halten und sie sind von Online-Versandhändlern verwöhnt, die die bestellte Ware binnen 24 oder neuerdings sogar einer Stunde liefern. Sie stellen insgesamt hohe Erwartungen, auch an die Zeit nach dem Kauf eines Produktes – weil große Vorreiterunternehmen sich großzügig bei Rücknahmen zeigen oder kostenlose Updates gewähren.
Das digitale Zeitalter verleiht „König Kunde“ so mehr Macht als je zuvor. Die Kunden fordern von den Anbietern erheblich mehr Aufmerksamkeit als bisher. Unternehmen, die im Ringen um die Gunst der Kunden die Oberhand gewinnen und damit auf Dauer wettbewerbsfähig bleiben wollen, sollten ihr Geschäftsmodell deshalb ganz auf diese Bedürfnisse ausrichten und es dafür, wenn nötig, anpassen. Doch was zeichnet ein Geschäftsmodell der digitalen Zukunft aus?
Mehr Effizienz, mehr Wachstum: Neue Geschäftsmodelle als Chance
Grundsätzlich ist ein Geschäftsmodell ein selbst erstelltes Regelwerk, das die Geschäftsprozesse möglichst gewinnbringend ordnet. Es liefert Antworten auf folgende Fragen: Wer ist mein Kunde und wie kommuniziere ich mit ihm? Was biete ich meinem Kunden an? Wie wird die Leistung erbracht? Wie wird der Umsatz generiert und wie erfolgen Transaktionen?
Diese Grundsatzfragen verändern sich inhaltlich nicht. Auch ein digitales Geschäftsmodell muss sie beantworten – allerdings aus einer anderen Perspektive als bisher. Denn ob Produktion oder Kundenkommunikation: Jedes Element der Geschäftsprozesse erzeugt Informationen, die gesammelt, verarbeitet, analysiert oder weiterkommuniziert werden können. Dies leisten digitale Technologien. Einen bruchfreien Einsatz der Technik vorausgesetzt, können so alle Prozesse vollständig automatisiert und die einzelnen Prozessketten besser aufeinander abgestimmt werden. Digitale Technologien verschlanken also die Prozesse und machen Unternehmen effizienter. Darüber hinaus lohnt es sich, den Blick auf die Chancen zu richten, die der digitale Wandel gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen bereithält. Denn mit einer neuen, kreativen Positionierung am Markt, also einer entsprechenden Ausrichtung des Geschäftsmodells, können auch mittelständische Betriebe neue Wachstumsfelder und Erlösquellen für sich erschließen – angefangen von einer Ausrichtung auf neue Zielgruppen über zusätzliche Betätigungsfelder bis hin zu besseren Produkten und Dienstleistungen.
Lernfähigkeit als Schlüssel zu dauerhaftem Erfolg
Manche Beobachter merken in punkto einer notwendigen Anpassung der Geschäftsmodelle zurecht an, dass sich Unternehmen schon immer mit Veränderungen arrangieren mussten. Den Unterschied zu früheren Anpassungsprozessen macht jedoch das hohe Innovationstempo durch die Digitalisierung: Während eine solche Umstellung früher ruhig Jahre dauern durfte, schrumpft die Digitalisierung die Zeitspanne für diesen Prozess auf wenige Jahre zusammen und macht immer schneller und öfter Anpassungen erforderlich. Das digitale Zeitalter beschleunigt also die notwendigen Lern- und Anpassungsphasen drastisch. Um ein auf Dauer erfolgreiches digitales Geschäftsmodell zu entwickeln, müssen Betriebe deshalb vor allem eins entwickeln und kultivieren: ihre Lernfähigkeit. Nur so können sie ihr Geschäftsmodell neu justieren, wann immer es nötig ist, und neue Chancen ergreifen.
Warum Lernfähigkeit keine Frage des Geldbeutels ist
Die Erfahrung digitaler Vorreiterunternehmen zeigt, dass ein wichtiges Werkzeug der Lernfähigkeit in jedem noch so kleinen Betrieb griffbereit liegt: Es ist der Dialog mit den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie der Austausch mit Partnern und Kunden. All diesen Gruppen ist gemeinsam, dass sie wichtige Impulsgeber für das digitale Geschäftsmodell und etwaige Neu- oder Nachjustierungen sein können.
Dr. Franz Büllingen, Leiter der Begleitforschung Mittelstand-Digital, WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste
Studium der Soziologie und Volkswirtschaft an der Universität Bielefeld sowie Projektassistenz an der Freien Universität Berlin. Als Projektleiter tätig im Bereich Innovationsforschung und Systemanalyse bei der TA-Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages sowie der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seit 1993 ist Dr. Büllingen bei der WIK GmbH beschäftigt und leitet die Abteilung „Kommunikation und Innovation“.
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