Daten sind mittlerweile ein zentrales Wirtschaftsgut. Doch wie stehen wir zum Umgang mit unseren Daten und welchen Wert haben sie für Privatperson und Unternehmen? Diese Fragen werden in der aktuellen Studie „Was sind Daten wert?“ des Finanzdienstleisters EOS adressiert.
Das Potenzial ist also groß, jedoch schöpfen Unternehmen es noch nicht aus. Ein Interview mit Dr. Henning Stolze, Leiter Data Governance & Data Management bei EOS Deutscher Inkassodienst.
1. Was erwarten Verbraucher*innen als Gegengenleistung für die Preisgabe ihrer Daten?
„Wie unsere aktuelle Studie zum Thema Daten zeigt, sind die Deutschen erstaunlich offen, was die Datenpreisgabe betrifft – wenn sie dafür eine Vergütung erhalten: Insgesamt wären 36 Prozent der Befragten dazu bereit, bei den unter 35-Jährigen sind es sogar 46 Prozent. Als Gegenleistung stehen für rund die Hälfte der Verbraucher*innen Rabatte und Sachprämien hoch im Kurs, ein Drittel kann sich für zusätzliche Treuepunkte bei Bonusprogrammen begeistern. Ein privilegierter Kundenstatus, die Teilnahme an Gewinnspielen oder bessere Serviceleistungen sind hingegen weniger interessant.“
2. Was müssen Unternehmen tun, um das dafür notwendige Vertrauen herzustellen?
„Die Bereitschaft zur Preisgabe hängt maßgeblich vom Vertrauen der Konsument*innen in den sorgfältigen Umgang mit Daten seitens der Unternehmen ab. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, beispielsweise der DSGVO, legt hier den Grundstein. Aus meiner Sicht ist vor allem Transparenz wichtig: Wofür werden die Daten genau genutzt? Also zu welchem konkreten Zweck? Wenn ein Unternehmen deutlich machen kann, dass auch die Verbraucher*innen davon profitieren, wenn sie ihre Daten teilen, kann eine Win-Win-Situation entstehen. Im besten Fall bietet das Unternehmen sogar individuelle Angebote – je nach Bereitschaft zur Datenpreisgabe. Banken könnten ihren Kund*innen beispielsweise bessere Kreditangebote gewähren, wenn diese mehr Daten preisgeben und das Kreditinstitut dadurch Ausfallrisiken zuverlässiger berechnen kann. Zudem sollte der Ansatz der Datenminimierung verfolgt werden: Statt so viele Daten wie möglich zu sammeln, werden nur diejenigen Daten erhoben, die wirklich benötigt werden oder einen Mehrwert fürs Geschäft stiften.“
3. Wie lässt sich der Wert von Daten sinnvoll ermitteln?
„Eine gute Möglichkeit ist der sogenannte Value-Approach, also die Nutzenbetrachtung. Hier stellt sich das Unternehmen die Frage, welchen Nutzen – in Euro – eine bestimmte, zusätzliche Information im Vergleich bietet. Im Forderungsmanagement könnte das eine neue Kontaktmöglichkeit zum säumigen Zahler sein. Also: Wie verändert sich mein Zahlungseingang, wenn ich neben der Adresse auch die Telefonnummer kenne? Wenn ich das systematisch vergleiche, kann ich ausrechnen, welchen Wert diese Information für mich hat. Und ich weiß im Umkehrschluss, welchen Aufwand ich maximal betreiben sollte, um sie zu ermitteln – in diesem Beispiel also an die Telefonnummer des Kunden zu kommen. Eine andere Möglichkeit ist der Cost-Approach. Hier erfolgt die Wertbestimmung im Wesentlichen über die Wiederbeschaffungskosten. Als Unternehmen frage ich mich: Was würde es mich kosten, diese Daten nach einem Verlust wiederzubeschaffen? Auch so kann ich meine wichtigsten Daten und ihren Wert bestimmen.“
4. Wie werden Daten im Finanzsektor und speziell im Forderungsmanagement genutzt?
„Aus vielen Geschäftsmodellen sind Daten heute nicht mehr wegzudenken und auch im Finanzsektor ergeben sich unzählige Nutzungsmöglichkeiten. So kann im Inkassoprozess mit Hilfe intelligenter Datenanalyse zum Beispiel der jeweils beste nächste Bearbeitungsschritt bestimmt werden. Sprich: Soll ich den säumigen Kunden anrufen oder ihm lieber einen Brief oder eine SMS schicken? Falls ich zum Hörer greife, wann ist der beste Zeitpunkt, damit der Anruf auch entgegengenommen wird? Und wenn ich es doch lieber schriftlich versuche, welchen Textbaustein sollte ich dann idealerweise verwenden? Für alle diese Fragen kann mir ein datengestütztes System Hilfestellung geben. Denn auf Basis vorheriger Maßnahmen und daraus resultierender Erfahrungswerte lassen sich Wahrscheinlichkeiten berechnen, mit denen der erfolgversprechendste nächste Schritt ausgewählt werden kann.“
5. Warum setzt sich gerade ein Inkasso-Unternehmen mit der Frage nach dem Wert von Daten auseinander?
„Mahn- und Inkassoprozesse werden immer digitaler und EOS hat sich in den letzten Jahren zu einem datengetriebenen Finanzdienstleister entwickelt. Daten sind für uns zum Treibstoff analytischer Entscheidungen geworden und der berühmte Leitsatz ‚Daten sind das neue Öl‘ gilt natürlich auch für unsere Branche. Mit dem Projekt ‚Top20 Assets‘ versuchen wir, unsere wichtigsten Datenfelder zu bestimmen und sie mit einem konkreten Wert zu beziffern. Ziel ist es, Daten künftig wie Assets zu behandeln und im gesamten Unternehmen ein besseres Verständnis für ihren Wert zu schaffen. So sollen Entscheidungen noch stärker datenbasiert getroffen werden.“
Über die EOS Studie „Was sind Daten wert?“ 2020
Die EOS Studie, die in Kooperation mit dem Marktforschungsinstitut Kantar im Frühjahr 2020 durchgeführt wurde, ist repräsentativ für die (Online-) Bevölkerung ab 18 Jahren in den 17 untersuchten Ländern. Eine Stichprobe von jeweils 1.000 Befragten aus Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kroatien, Polen, Rumänien, Russland, der Schweiz, Serbien, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und den USA sowie von 300 Befragten aus Nordmazedonien wurde für die Auswertung verwendet. Die Teilnehmer*innen beantworteten Fragen zu ihrem persönlichen Umgang mit Daten und deren Freigabe, ihrem Vertrauen in Unternehmen sowie ihrer Bereitschaft, Daten gegen Vergütung zu veräußern.
Die Studie sollte hier zum Download zur Verfügung stehen.