Anna Klaft, Vice President Solution Sales IT bei Rittal und Vorsitzende der German Datacenter Association, im Interview über Entwicklungen bei der IT-Infrastruktur, die Hürden des Energieeffizienzgesetzes und Standardisierung als Tempomacher.
Nachdem lange vor allem von Cloud und ihren Anwendungen die Rede war, rückt jetzt auch die physische Infrastruktur wieder mehr in die Aufmerksamkeit. Wo sehen Sie die Gründe?
Anna Klaft: In der Sache war die Relevanz nie klein. Denn jede Cloud und das gesamte Internet „wohnt“ irgendwo auf der Welt in einem Rechenzentrum – auch wenn die Nutzer gar nicht darüber nachdenken.
Es gibt aber gute Gründe, warum die Rechenzentren jetzt noch stärker ins allgemeine Interesse rücken – einerseits als hochrelevante Infrastruktur und andererseits, weil der dafür nötige Stromverbrauch gemanagt werden muss. Klar ist: Sie müssen dringend weiter ausgebaut werden, denn Rechenzentren sind das Rückgrat der digitalen Transformation.
Ob Energiewende mit Smart Grids oder sämtliche Kritische Infrastruktur für das öffentliche Leben und fast alle Prozesse in den Unternehmen – das alles wird erst durch leistungsfähige IT-Infrastruktur möglich. Durch neue Anwendungen wie generative künstliche Intelligenz (GenAI) steigt der Bedarf an Rechenleistung und Strom jetzt geradezu dramatisch.
Was heißt das für die Rechenzentrums-Betreiber?
Anna Klaft: Wir müssen die Infrastruktur schnellstens skalieren. Die Analysten von Omdia gehen davon aus, dass sich der Bedarf in den nächsten fünf Jahren verzehnfacht. Sie prognostizieren CAPEX-Ausgaben von 30 Milliarden Dollar allein für GenAI. Mit der immensen Rechenleistung und ihrem Strombedarf erhält auch Energieeffizienz eine Bedeutung auf ganz anderen Level – und zwar für alle, nicht nur für Hyperscaler. Auch Colocators und klassische Enterprise-Rechenzentren rüsten auf. In Deutschland könnte genau hier ein erheblicher Stolperstein liegen. Das neue Energieeffizienz-Gesetz enthält ungeschickt gewählte Vorgaben für Rechenzentren, die nicht zur Digitalisierungs-Bremse werden dürfen.
Können Sie das Energieeffizienz-Gesetz für unsere Leser einordnen?
Anna Klaft: Rechenzentren sind elektrische Großverbraucher. Daher ist völlig klar, dass ihre Energieeffizienz mit hoher Priorität bis an die Grenze des physikalisch und wirtschaftlich Möglichen optimiert werden muss. Das machen die meisten Rechenzentrumsbetreiber schon längst, nicht nur aus Kostengründen. Verständlich, dass die Politik diesen Prozess beschleunigen möchte. Aber es hätte geholfen, wenn das gut Gemeinte auch gut gemacht worden wäre – mit differenzierten und realistischen Vorgaben. Die Praktiker der Rechenzentrums-Branche hätten sicher einen konstruktiven Beitrag geleistet, wenn man sie denn einbezogen hätte.
Als Vorsitzende der German Datacenter Association (GDA) habe ich mich schon während des laufenden Gesetzgebungsprozesses dafür stark gemacht, dass die erstrebenswerte Energieeffizienz nicht den Ausbau der dringend benötigten Digitalinfrastruktur bremsen darf. Deutschland ist bei der Digitalisierung die Nummer 27 in der Welt. Wir müssten aufholen, nicht bremsen.
Rechenzentren müssen dringend weiter ausgebaut werden, denn sie sind das Rückgrat der digitalen Transformation.
Anna Klaft, Rittal
Wo liegen die größten Stolpersteine der neuen Vorgaben?
Anna Klaft: Das Gesetz sieht für Rechenzentren, die ab Juli 2026 den Betrieb aufnehmen, eine Power Usage Effectiveness (PUE) von 1,2 vor. Dieser Wert zur Energieeffizienz ist ein sehr ambitioniertes Ziel, das die meisten Rechenzentrumsbetreiber trotzdem schon anstreben. Dennoch bleiben bei der Vorgabe drei entscheidende Aspekte unberücksichtigt:
#1 Ein derart niedriger Wert muss von Anfang an eingeplant werden – die Rechenzentren, die 2026 ihren Betrieb aufnehmen, sind heute bereits geplant oder genehmigt. Wenn das Gesetz den Bau verzögert, bremst es den Ausbau dringend benötigter Infrastruktur, auch für die Energiewende.
#2 Um diesen Wert zu erreichen, benötigen die IT-Systeme eine definierte Auslastung. Colocation-Anbieter haben darauf aber gar keinen Einfluss. Sie stellen als Betreiber lediglich die Infrastruktur zur Verfügung. Bis 2025 soll dieses Betreiber-Modell 50 Prozent des deutschen Marktes ausmachen.
#3 Der technische und wirtschaftliche Aufwand hängt stark von den lokalen Gegebenheiten ab. Im norwegischen Lefdal betreibt Rittal beispielsweise eines der grünsten Rechenzentren Europas und erreicht eine PUE unter 1,15. Durch die idealen Bedingungen in einer Mine ist das sogar mit Garantie möglich.
In Frankfurter Stadtlage dagegen wäre es – wenn überhaupt – nur mit immens höherem Aufwand umsetzbar.
Noch deutlicher wird der Mangel an Differenzierung beim Thema Wärmerückgewinnung. Mit einer pauschalen Verpflichtung ist keine Garantie von Effizienzsteigerung verbunden. Stattdessen kommt diese Vorgabe vielerorts defacto einem Verbot für neue Rechenzentren gleich. Die Nutzung von Abwärme ist immer dann sinnvoll, wenn es einen klaren Abnehmer gibt.
Immerhin sind die Vorgaben seit dem Bundestagsbeschluss klar. Jetzt können wir in der Branche gemeinsam die Challenge angehen. Es liegt nun bei Betreibern, Planern und Anbietern wie Rittal, Lösungen für die manchmal unrealistisch scheinenden Vorgaben zu finden.
Wie sehen Sie die Situation der Rechenzentrumsbetreiber?
Anna Klaft: Auch ohne neues Gesetz mussten die Betreiber schon eine dynamische Situation managen. Welche Rechenleistung wird in fünf Jahren benötigt? Und mit welcher Latenz, welcher Verfügbarkeit und welcher physischen Sicherheit? Jetzt kommt in Deutschland noch die drängende Frage hinzu: Erreichen meine Bestands-Rechenzentren die vorgeschriebenen Effizienzwerte der Stufen ab 2027 und 2030? Nehme ich das Gesetz zum Anlass für Optimierung als Retrofit oder doch für ein neues RZ, zum Beispiel als schlüsselfertiger Container? Oder verlagere ich mehr Richtung Colocation und Cloud?
Wie unterstützt Rittal dabei?
Anna Klaft: Eine wesentliche Frage unserer Kunden lautet: Mit welcher Strategie erreiche ich die nötige Kapazität, Verfügbarkeit und Energieeffizienz technologisch und wirtschaftlich am besten? Für die Antworten müssen Digitalisierungs-, IT- und OT-Strategie mit ganzheitlicher Betrachtung ineinandergreifen. Ebenso sollte das Rechenzentrum selbst als Gesamtsystem aufgefasst werden, um zum Beispiel Optimierungs-Effekte für die Energieeffizienz besser vorhersehen zu können.
Für Flexibilität, Skalierbarkeit und Tempo sorgen hohe Standardisierung und Module. Rittal berät ganzheitlich bei der Strategie und setzt sie für die IT-Infrastruktur mit hohem Tempo um. Wir haben dafür die Plattform RiMatrix mit den modularen Säulen Rack, Cooling, Power, Monitoring und Security entwickelt. Je nach Umfeld kommen Raum-im-Raum-Konzepte, schlüsselfertige Container mit Blue e+ Kühlung, kleinere Microdatacenter oder weitere Konzepte in Frage. Zudem unterstützen wir bei ROI-Berechnungen, PoC und Analysen mit Computational Fluid Dynamics (CFD).
Wo sehen Sie den größten technologischen Umbruch?
Anna Klaft: Ganz klar bei der Kühlung. Anwendungen für generative AI erfordern Hochleistungs-Prozessoren (GPU). Diese erzeugen so viel Wärme, dass die Hersteller sie gleich für Flüssigkeitskühlung auslegen. Wasser wird dabei wieder eine größere Rolle spielen, vor allem für einphasige direkte Flüssigkeitskühlung. Rittal ist Hauptlieferant für Racks bei mehreren großen Hyperscalern. Mit ihnen sind wir im intensiven Austausch bei der Entwicklung der passenden modularen Kühllösungen. Das nützt dann auch Rechenzentren in Deutschland, weil diese Form der Kühlung bessere Voraussetzungen bietet, um die gesetzlichen Vorgaben zur W.rmerückgewinnung umzusetzen.
Frau Klaft, wir danken für das Gespräch.