Das Quantenjahrzehnt schreitet schnell voran

Quantencomputing, Quanten

Es ist an der Zeit, sich auf die Vorteile der Technologie vorzubereiten und den potenziellen Risiken einen Schritt voraus zu sein. Quantencomputing ist eine sich rasch entwickelnde Technologie, die sich die Gesetze der Quantenmechanik zunutze macht. Damit wird sie bald Probleme lösen, die die leistungsfähigsten Supercomputer von heute praktisch nicht lösen können.

Was ist Quantencomputing?

Quantencomputer bestehen größtenteils aus Kryogenik, um den Prozessor auf einer ultrakalten (-273 °C) Temperatur zu halten, damit er funktioniert. Wenn es um die Verarbeitung von Informationen geht, verwendet ein klassischer Prozessor Bits, die nur eine Null oder eine Eins sein können, um seine Operationen durchzuführen. Ein Quantencomputer verwendet Qubits, um multidimensionale Quantenalgorithmen auszuführen.

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Die Quanteninformatik ist kein futuristisches Konzept mehr. Das Quantenjahrzehnt hat begonnen – eine Ära, in der Wirtschaft und Wissenschaft beginnen, den Wert des Quantencomputings zu erkennen und dessen Vorteile zu nutzen.

Beispiel aus der Wirtschaft

Wenn man die Fortschritte der Quanteninformatik in den letzten Jahren verfolgt, hat man vielleicht das Gefühl, reine Versprechungen zu hören. Betrachtet man jedoch die Fortschritte, die die Technologie allein im letzten Jahr gemacht hat, wird klar, warum es für verschiedene Branchen sinnvoll ist, sich vorzubereiten. Quantencomputing wird bei der Lösung von Problemen helfen, die für das klassische Computing immer unerreichbar sein werden – wie etwa bei der Entdeckung neuartiger Materialien und chemischer Verbindungen von Medikamenten bis hin zu Batterien.

So gab Europas größte anwendungsorientierte Forschungsorganisation, die Fraunhofer-Gesellschaft, im Jahr 2021 bekannt, dass ihr IBM Quantum System One betriebsbereit ist und für die Forschung sowie den Aufbau von quantenkundigen Arbeitskräften eingesetzt wird. Fraunhofer war die erste Einrichtung außerhalb der USA, die über ein solches System verfügte. Auch Bosch ist dem IBM Quantum Network beigetreten, um gemeinsame Forschungs-, Befähigungs- und Anwendungsprojekte auf dem Gebiet der Materialwissenschaft für Brennstoffzellen, Elektromotoren oder fortschrittliche Sensormaterialien durchzuführen. Und T-Systems ist in diesem Jahr dem Netzwerk beigetreten, um seinen Kunden einen Cloud-Zugang zu IBM-Quantencomputern zu ermöglichen und um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich Quantentechnologie für ihr Geschäft nutzen lässt.

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Aktueller Stand

Wir arbeiten seit Jahrzehnten an den Bausteinen des Quantencomputings: von den ersten Theorien zur Quanteninformation in den 1970er Jahren bis hin zur Inbetriebnahme des ersten Quantencomputers im Jahr 2016. Im Jahr 2020 haben wir unseren Entwicklungsplan veröffentlicht – bis heute haben wir jedes Ziel erreicht, einschließlich der Markteinführung eines 433-Qubit-Prozessors im vergangenen November. Wir sind auf dem Weg zu unserem erklärten Ziel, bis zum Jahr 2025 Prozessoren mit mehr als 4.000 Qubits zu entwickeln, die über die derzeitigen Möglichkeiten rein klassischer Computer hinausgehen werden. Damit diese Meilensteine zu einem Vorteil führen, müssen wir die Quantentechnologie mit dem klassischen Supercomputing kombinieren.

Erfolg durch ein Ökosystem

Die Herausforderungen der Quanteninformatik insgesamt sind zu groß für einzelne Unternehmen. Auf dem Weg vom Labor in die reale Welt bilden sich Ökosysteme, die gemeinsam Innovationen und Open-Source-Entwicklung unterstützen. Potenzielle Ökosysteme umfassen i.d.R. einen Technologiepartner für Quantencomputing, Entwickler, Fachexperten und akademische Partner.

IBM hat eine solche Open-Source-Community rund um das Software-Entwicklungskit Qiskit gegründet, um die notwendigen Codierungswerkzeuge und Bibliotheken für Quantenentwickler zu erstellen. Die Community bietet auch Tausenden von Quantenstudenten die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zu verbessern.

Im Mai 2021 haben wir demonstriert, wie unsere Softwareumgebung Qiskit Runtime die Geschwindigkeit von Quantenalgorithmen um das 120-fache steigern kann, so dass Entwickler bestimmte Aufgaben an einem einzigen Tag lösen können, für die sie früher Monate gebraucht hätten. Und wir arbeiten weiter an der Verbesserung der Qiskit Runtime Services mit sog. „Primitives“: vorgefertigte Programme, die den Entwicklern von Algorithmen einen einfachen Zugriff auf die Ergebnisse von Quantenberechnungen ermöglichen, ohne dass sie ein tiefes Verständnis der Hardware benötigen.

Die Industrie braucht dennoch qualifizierte Quantenfachkräfte. Die derzeitige Basis muss vervielfacht werden, um das volle Potenzial der Quantenforschung in diesem Jahrzehnt und darüber hinaus auszuschöpfen.

Künftigen Risiken zuvorkommen

Die rasche Entwicklung von Quantencomputern birgt auch Risiken: Zukünftige Quantencomputer könnten Verschlüsselungssysteme knacken, die wertvolle Daten wie Gesundheitsdaten und Finanzdaten schützen.

Während wir an der Entwicklung von Quantencomputern arbeiten, die praktische Vorteile gegenüber den heutigen Computern bieten, müssen wir auch sicherstellen, dass wir weiterhin sensible Systeme und Daten schützen.

Eine unmittelbare Sorge bereiten Angriffe, bei denen sensible verschlüsselte Daten gestohlen werden, um sie mit zukünftigen Quantencomputern zu entschlüsseln. Dies ist besonders kritisch für Regierungen und stark regulierte Branchen wie Finanzwesen, Gesundheitswesen und Telekommunikation. Laut dem IBM Bericht „2022 Cost of a Data Breach Report“ haben 83 % der Unternehmen mehr als eine Datenschutzverletzung in ihrem Leben erlebt. Die gute Nachricht ist, dass es bereits heute eine quantensichere Kryptografie gibt, die diese Informationen schützen und auf klassischer Hardware eingesetzt werden kann.

Im Juli letzten Jahres kündigte das amerikanische National Institute of Standards and Technology (NIST) vier quantensichere Algorithmen für die kryptografische Post-Quantum-Standardisierung an, die 2024 veröffentlicht werden sollen. Drei dieser Algorithmen wurden von IBM Wissenschaftlern in Zusammenarbeit mit Industrie- und Hochschulpartnern entwickelt. Um das Verständnis und die Prioritätensetzung bei der Frage, welche Daten zuerst geschützt werden müssen, zu beschleunigen, hat IBM vor kurzem die erste „Cryptography Bill of Materials“ (CBOM) vorgestellt. Ähnlich wie das Software Bill of Materials-Konzept aus Software-Lieferketten vereinfacht IBMs CBOM die Bewertung des Kryptographie-Inventars über Software, Dienste und Infrastruktur hinweg, um benötigte kryptographische Komponenten zu identifizieren.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat eine Reihe von Empfehlungen zur Vorbereitung, zur Implementierung von Krypto-Agilität und vorläufigen Schutzmaßnahmen sowie zur Implementierung von Post-Quantum-Kryptographie veröffentlicht. Darüber hinaus betont das BSI den Bedarf an weiterer Forschung, um offene Fragen zu Post-Quantum-Kryptographie zu klären.

Der Blick in die Zukunft

Angesichts des sich abzeichnenden Quantenvorteils sollten sich die Unternehmen darauf vorbereiten, wie sie davon profitieren können. Sie sollten sich aber auch über die Risiken künftiger fehlertoleranter Quantencomputer im Klaren sein und sich mit quantensicherer Kryptografie zum Schutz ihrer Daten und Systeme befassen.

Was wird die nahe Zukunft bringen? Zweifellos wird es weitere Durchbrüche bei Hardware und Software geben. In der gesamten Branche, ganz zu schweigen von den wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, sind viele kluge Köpfe am Werk, die die Technologie weiter vorantreiben.

Aber was uns wirklich interessiert, ist das, was wir nicht wissen. Wie werden Regierungen das Quantencomputing als Teil ihrer wirtschaftlichen Wachstumsstrategien einsetzen? Welche neuen Anwendungsfälle werden Forscher entdecken und ins Spiel bringen? Denn man sollte sich nicht täuschen lassen: Das Quantencomputing ist ein völlig neues Paradigma, und niemand kann heute alles erfassen, was es leisten kann.

Eines wissen wir doch: Das Ende des Quantenjahrzehnts wird ganz anders aussehen als der Anfang. Wir werden mit Quantenprozessoren mit Tausenden von Qubits arbeiten, wir werden eine ganze Reihe von Mitarbeitenden mit Erfahrung im Quantenbereich haben, und die Unternehmen werden den Nutzen der Quanten-Technologie erkannt haben. Jeder heutige Technologieführer, der die Quantenphysik nicht aktiv in seine Pläne einbezieht, läuft Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten.

Dr. Jan-Rainer Lahmann IBM

Jan-Rainer

Lahmann

Distinguished Engineer

IBM

Dr. Jan-Rainer Lahmann ist Distinguished Engineer im IBM Quantum Computing Team in der DACH Region. Seit 2017 begeistert sich Jan für Quantencomputing, insbesondere für Algorithmen, relevante Anwendungsfälle und den potenziellen Wert von Quantencomputing. Er liebt ‚Serious Games‘ für Quantencomputing und baut Modelle von echten Quantencomputern. Jan leitet wichtige Quantencomputing-Initiativen
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