Systematische Nachhaltigkeit in Rechenzentren

Umwelt- und Energiemanagementsysteme helfen Rechenzentren, systematisch nachhaltiger zu werden. Die mit anderen standardisierten Managementsystemen wie zum Beispiel ISO 27 001 gemeinsame High Level Structure ermöglicht Synergieeffekte bei der Umsetzung.

Der Energiebedarf von Rechenzentren nimmt kontinuierlich zu. Er stieg allein in Deutschland von 2019 bis 2020 um sieben Prozent auf 16 Milliarden Kilowattstunden. Zwar verbessert sich die Effizienz der Rechenzentrumsinfrastruktur (Kühlung, Unterbrechungsfreie Stromversorgungen) kontinuierlich, sie war mit einer durchschnittlichen Power Usage Effectiveness (PUE) von 1,63 in 2020 aber immer noch deutlich schlechter als technisch möglich wäre. Rechenzentren haben darüber hinaus weitere Umweltauswirkungen, die beispielsweise durch die Nutzung von klimaschädlichen Kältemitteln oder giftigen Chemikalien im Kühlwasser verursacht werden. Nicht zuletzt sind auch Herstellung und Recycling sowie Entsorgung der Hardware im Wesentlichen umweltrelevant.

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Insbesondere der Energiebedarf ist inzwischen weit mehr als ein reiner Kostenfaktor. Der Klimawandel erfordert, dass auch Rechenzentren sich mit den von ihnen verursachten klimaschädlichen Emissionen auseinandersetzen und schnellstmöglich gegensteuern. Die Handlungsmöglichkeiten sind im Prinzip bekannt und umsetzbar – Stichwort Green-IT. Sehr häufig sind sie sogar – zumindest längerfristig – mit Kosteneinsparungen verbunden.

Nachhaltigkeit ist allerdings nicht das Kerngeschäft von Rechenzentren und häufig noch nicht im täglichen Denken und Handeln verankert. Oft erscheinen andere Aspekte, wie zum Beispiel die Verfügbarkeit vorrangig. Um hier systematisch Fortschritte zu machen, ohne andere Ziele zu gefährden, bietet sich die Nutzung von Managementsystemen an.

Managementsysteme und Umweltlabel

Aufgabe von Managementsystemen ist es, bestimmte Ziele einer Organisation mittels daraus abgeleiteter Maßnahmen, Organisationsstrukturen und Prozessabläufe in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess zielgerichtet zu erreichen.

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Standardisierte Managementsysteme sind aus verschiedenen Bereichen bekannt, in Rechenzentren insbesondere Informationssicherheits-Managementsysteme nach ISO 27 001. In Produktionsstätten und für Dienstleistungen sind sehr häufig Qualitäts-Managementsysteme nach ISO 9 001 installiert. Analog zu diesen Systemen gibt es den Standard ISO 14 001 für Umwelt- und ISO 50 001 für Energie-Managementsysteme.

Die genannten Managementsysteme gehen alle nach den gleichen Prinzipien vor und haben eine gemeinsame Struktur, die sogenannte High Level Structure (HLS). Diese Struktur fokussiert sich stark auf das oberste Management und den Kontext der Organisation. Nach der Festlegung von Zielen und konkreten Maßnahmen erfolgt die Umsetzung in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess durch einen PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act). Sofern mehrere Managementsysteme in einer Organisation implementiert werden, können durch die gemeinsame HLS vor allem auf organisatorischer Ebene Synergieeffekte gehoben werden.

Das europäische Umwelt-Managementsystem EMAS umfasst die ISO 14 001, geht aber noch darüber hinaus. Es beinhaltet unter anderem auch Teile eines Energiemanagementsystems und verpflichtet zur Veröffentlichung einer Umwelterklärung mit allen umweltrelevanten Daten.

Umwelt-Managementsystem
Quelle: Brigitte Lorenz, HLRS

Der Blaue Engel ist ein Umweltlabel für Produkte und Dienstleistungen. Anders als Managementsysteme macht er keine Vorgaben über das „Wie“, sondern nur zum „Was“. Da der Blaue Engel produktspezifische Anforderungen hat, können diese wesentlich konkreter sein als die abstrakten Ziele der Managementsysteme, die die jeweilige Organisation selbst konkretisieren muss.

Der „Blauer Engel für energieeffizienten Rechenzentrumsbetrieb“ DE‑UZ 161 umfasst alle Bereiche eines Rechenzentrums und seiner Infrastruktur. Er verlangt unter anderem die Nutzung von Ökostrom, Maximalwerte für die Power Usage Effectiveness und begrenzte Leistungsaufnahme von Servern im Idle-Zustand sowie die Berücksichtigung der Lebenszykluskosten bei der Hardwarebeschaffung. Außerdem müssen Energieverbräuche, Serverauslastungen und das IT-Inventar kontinuierlich dokumentiert werden. Bereits bestehende Energie- und Umwelt-Managementsysteme reduzieren den Aufwand für den Blauen Engel erheblich. Da Housing-Center keinen direkten Einfluss auf ihre Kundensysteme haben, wird dies beim „Blauer Engel Klimaschonende Co-Location-Rechenzentren“ DE-UZ 214 berücksichtigt.

Was bleibt, ist die Berücksichtigung der großen Umweltauswirkungen von Herstellung und Recycling sowie Entsorgung der Hardware. Leider sind aussagekräftige Lebenswegbetrachtungen bei IT-Hardware aufgrund der Datenlage bisher nur sehr begrenzt möglich. Neben Vorgaben aus der Politik können hier auch wiederkehrende Nachfragen möglichst vieler Kunden zu diesem Thema bei den Herstellern etwas bewirken.

Erfolgreiche Zertifizierungen

Die korrekte Umsetzung der beschriebenen Managementsysteme und Umweltlabel wird in aller Regel von einem zugelassenen, unabhängigen Gutachter überprüft und zertifiziert. Solche Zertifizierungen wirken nach innen (Bestätigung, Motivation) und nach außen (Reputation, Vorbildfunktion). Die Außenwirkung des Blauen Engels geht aufgrund seines sehr hohen Bekanntheitsgrades weit über die der Zertifikate von Managementsystemen hinaus.

Das Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) ist seit 2020 nach EMAS, ISO 14 001 und ISO 50 001 zertifiziert. Außerdem hat das HLRS den Blauen Engel für energieeffizienten Rechenzentrumsbetrieb erhalten. Entscheidend für diese Erfolge waren:

  • Die oberste Führungsebene hat das Thema nicht nur als formale Notwendigkeit begriffen, sondern aktiv und motivierend unterstützt.
  • Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden durch Schulungen sowie Nutzung ihres Wissens und ihrer Erfahrungen von Anfang an mit einbezogen.
  • Es gab einen „Kümmerer“, der das Projekt auch in Details und in schwierigen Situationen vorangetrieben hat.

Das eingeführte Umwelt- und Energiemanagementsystem hat die Nachhaltigkeitsbestrebungen am HLRS systematisiert und dauerhaft zu einem integrierten Bestandteil des Zentrums gemacht. Der Erfolg lässt sich nicht nur an Kennzahlen ablesen, auch die Reputation des Zentrums hat sich erkennbar verbessert. Das gewählte Vorgehen bietet auch für andere Rechenzentren eine sehr gute Möglichkeit, den Nachhaltigkeitsgedanken systematisch und umfassend in die eigene Organisation zu integrieren.

Norbert

Conrad

Deputy Director

Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart

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