Kommentar

Microsoft nutzt Lock-In-Effekt in der Cloud für Preiserhöhungen

Bildquelle: rafapress / Shutterstock.com

Wie bereits im letzten Jahr angekündigt, hat Microsoft die Preise von 365-Abonnements im März 2022 weltweit um bis zu 25 Prozent (zum Beispiel O365 E1) erhöht. Es geht aber keineswegs nur um Preiserhöhungen: Vielmehr ändert Microsoft mit der neuen „New Commerce Experience (NCE)“-Plattform auch andere Konditionen im Zusammenhang mit den Abonnements.

So ist gegenüber dem bisherigen CSP-Programm eine Stornierung oder Reduzierung der Benutzeranzahl (Seats) nicht mehr jederzeit in der Abonnementlaufzeit, sondern nur noch binnen 72 Stunden ab Buchung möglich.

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Abgesehen von den nunmehr höheren Kosten der Monatsabos gegenüber den Jahresabonnements von bis zu 20 Prozent wurde auch die Preisbindung für Monatsabos offenbar aufgehoben, welche bislang für ein Jahr galt. Wenn Microsoft hingegen die Gebühren für Monats-SKUs erhöht, sollen diese neuen Preise bereits ab dem jeweiligen Folgemonat gelten. Flexibilität und bedarfsgerechte Lizenzierung ist daher nicht mehr möglich oder muss nunmehr teuer extra erkauft werden. Daneben gibt es zahlreiche weitere Änderungen. 

„Die oftmals von Entscheidern an den Tag gelegte Leichtfertigkeit im Umgang mit der Cloud sowie den damit verbundenen elementaren Risiken und Abhängigkeiten erstaunt“, so Andreas E. Thyen, Präsident des Verwaltungsrates der LizenzDirekt AG. Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kam kürzlich eine Studie von Professor Frédéric Jenny im Auftrag der Vereinigung von Cloud-Infrastruktur-Anbietern in Europa (CISPE). Eine zentrale Aussage der Studie ist, dass sich die Verhaltensweisen, die zur heutigen enormen Abhängigkeit im On-Premises-Bereich geführt haben, aktuell im Cloud-Umfeld wiederholen.

Angeführt werden dort unfaire Cloud-Service-Bedingungen durch überhöhte Kosten, eine unangemessene Bindung und eingeschränkte Wahlmöglichkeiten. Betont wird die Torwächterstellung: In den Lizenzbestimmungen seien laut Jenny wettbewerbsfeindliche Praktiken verpackt, darunter höhere Preise bei Nutzung von Software in Clouds Dritter, das Verschwinden von Bring-Your-Own-License-Angeboten, welche auch zum Beispiel „gebraucht“ erworbene Kauf-Lizenzen zuließen und die Abrechnung nach potenzieller Nutzung statt nach tatsächlicher Nutzung. Hinzu kommen undurchsichtige und nachträgliche Änderungen der Lizenzbedingungen sowie die Bündelung und Kopplung von Produkten zur Erhöhung der Kosten für Wettbewerber.

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Die aktuellen Änderungen von Microsoft zeigen die Folgen des vielbesagten Lock-In-Effekts auf. Denn die wenigsten Kunden werden in der Lage sein, Exit-Szenarien realistisch zu bewerten. Hier zeigt sich die Stärke von nach wie vor aktuell erhältlicher On-Premises-Software. Dort, wo gar keine ergänzenden Cloud-Dienste erforderlich sind oder aus Datenschutzgründen – infolge Wegfalls des „EU-US PrivacyShield“ – nicht auf Cloud-Dienste von Microsoft gesetzt werden soll, erscheint die On-Premises-Produktvariante die bessere Wahl. Hierfür streitet entscheidend dank der europäischen Grundsätze auch die Erwerbsmöglichkeit von „gebrauchter“ Software, die vergleichsweise weniger Risiken aufweist und sich gleichzeitig nachhaltig dank der höchstrichterlichen europäischen Rechtsprechung „gebraucht“ weiterveräußern und nutzen lässt. Dieser Markt ist die absolute Ausnahme, ein europäisches Juwel, das die Machtstrukturen der großen Softwareanbieter aufbricht und Kunden ihre europäischen (Eigentums-)Rechte und Grundfreiheiten an der Software bewahrt. Auf diese europäischen Grundwerte leichtfertig durch Abo-Modelle zu verzichten, wenngleich es weiterhin aktuelle On-Premises-Versionen gibt, erscheint zumindest unreflektiert.

Die Änderungen bei Microsofts Bedingungen wirken sich durch die neu eingeführten Vertragslaufzeiten aber auch auf das seit Langem unter Druck stehende Partner-Netzwerk negativ aus. So müssen Partner nun Verträge mit den Kunden schließen, die auf eine fixe Laufzeit geschlossen sind. Infolgedessen entstehen Risiken für die Microsoft-Partner, wenn der Kunde nicht zahlt beziehungsweise zahlen kann. In dem Fall soll der Partner gegenüber Microsoft einstehen. Microsofts soll Partnern hierzu raten, vorab einen Bonitätscheck des Kunden anzufordern oder eine wenig kundenfreundliche Vorauszahlung verlangen.

Es zeigt sich, dass sich Microsoft als großer Profiteur der krisenbedingt hohen IT-Nachfrage seiner Machtposition genau bewusst ist und diese auch zum eigenen Vorteil zu nutzen weiß. Das bekommen Kunden wie Partner spätestens jetzt zu spüren.

Manche Entscheider werden erst jetzt erkennen, dass Cloud-Services keineswegs leichtfertig, unvorbereitet und unverhandelt sowie ohne gesicherte Fallback-Möglichkeiten eingegangen werden sollten. Vielmehr gilt es, die problematisierten Einschränkungen einschließlich des Lock-in-Effekts sowie der datenrechtlichen Dimension in jedem Einzelfall individuell zu bewerten. Im Ergebnis wird Ausfluss dessen zum Beispiel die Streuung von Risiken sein, wobei der liberalisierende Aspekt „gebrauchter“ Software als Alternative einen positiven Effekt entfalten kann.

Andreas

E. Thyen

Präsident des Verwaltungsrats

LizenzDirekt AG

Andreas E. Thyen ist Präsident des Verwaltungsrats der LizenzDirekt AG und bereits seit über 20 Jahren in führenden Positionen auf dem Gebrauchtsoftware-Markt tätig. Schwerpunkt seiner Tätigkeit war insbesondere die Klärung rechtlicher Fragestellungen. Er ist zudem ausgewiesener Experte für den Einsatz von gebrauchten Software-Lizenzen im Behördenmarkt. (Bildquelle: Lizenzdirekt)
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