Viele Unternehmen suchen Programmierer in Jobbörsen, aber der Markt ist leergefegt. TYPO3 hat dieses Problem erkannt und bietet Unternehmen die Ausbildungskampagne „Send a Junior“. Welche Voraussetzungen potenzielle Kandidaten mitbringen sollten und wie das Programm konkret aussieht, erläutern Mathias Schreiber, CEO der TYPO3 GmbH, in einem Interview.
Jedes Unternehmen, aber auch Kommunen und Städte brauchen heute eine gute Website, die Kunden, Besuchern und Partnern einen sicheren Service bietet und der auf verschiedensten mobilen Geräten schnell verfügbar ist. Ein Blick in die Jobbörsen zeigt: Viele Unternehmen und Agenturen suchen Programmierer, aber der Markt ist leergefegt. TYPO3 hat dieses Problem erkannt und bietet Unternehmen mit seiner Kampagne „Send a Junior“ die Möglichkeit, einen eigenen Entwickler bei der TYPO3 GmbH in zwölf Monaten unter Anleitung von erfahrenen TYPO3-Entwicklern ausbilden lassen. Die Kosten für die Ausbildung trägt TYPO3, Unternehmen erhalten das Know-how.
Herr Schreiber, woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass derzeit so viele Web-Entwickler gesucht werden?
Mathias Schreiber: Dies liegt daran, dass sich immer mehr aktuelle Entwicklungen in das Web verlagern. Dieser Trend ist zwar nicht neu, verstärkt sich aber zunehmend.
Warum nutzen Unternehmen, die Entwickler suchen, nicht einfach eine Jobbörse?
Mathias Schreiber: Viele Unternehmen suchen zwar neue Mitarbeiter in Jobbörsen, doch der Markt für Entwickler ist aufgrund des Fachkräftemangels praktisch leergefegt. Es gibt eine riesige Nachfrage bei einem knappen Angebot. Wenn Entwickler mit ihrem aktuellen Arbeitgeber zufrieden sind, der sie in der Regel auch gut umsorgt, tragen sie sich nicht in Jobbörsen ein. Denn sie haben keinen Grund, den Arbeitgeber zu wechseln.
Darum bietet TYPO3 etwas grundlegend anderes: Wir machen die Entwickler, die schon im Unternehmen sind, zu noch besseren Entwicklern. Zusätzlich arbeiten wir mit der Studentenvereinigung AIESEC zusammen, um Studenten aus dem Ausland mit Agenturen aus dem TYPO3-Umfeld zu vernetzen. Wir treffen die Vorauswahl und bieten dann ein angepasstes „Send Your Junior“ an, bei dem die Studenten im Quartalswechsel in der Agentur und bei uns sind. Auf ähnliche Weise arbeiten wir auch mit den IHKs zusammen, um talentierten Flüchtlingen einen beruflichen Start zu ermöglichen.
TYPO3 übernimmt die Kosten für die Ausbildung UND stellt einen Trainer bereit. Das ist ja eine ziemlich große Investition. Welchen Nutzen verspricht sich TYPO3 davon? Und gehen die Unternehmen damit irgendwelche Verpflichtungen ein?
Mathias Schreiber: Die Gehälter werden weiterhin von den Agenturen bezahlt, die ihre Juniors zu uns schicken. Wir berechnen die Trainer nicht, sondern integrieren die Juniors direkt in eines von zwei Teams, je nachdem, welchen Fokus die Agentur für den Entwickler vorgesehen hat. Wir haben davon einen dreifachen Nutzen: Erstens helfen wir Agenturen, sich selbst zu helfen, und erhalten damit gute Geschäftsbeziehungen, die sich auch auf anderen Gebieten positiv auswirken können. Zweitens steigern wir so die Qualität von TYPO3-Projekten im Markt, wodurch sich die Markenwahrnehmung von TYPO3 verbessert. Drittens erhöhen wir die Zahl der Juniors für diese Plattform, um ihre Zukunftsfähigkeit zu gewährleisten. Dass wir zusätzlich mehr Projekte im TYPO3 Core abwickeln können, ist ein angenehmer Nebeneffekt.
Verpflichtungen gibt es für die Agenturen im Prinzip keine, außer dass sie sich an den vereinbarten Zeitplan halten müssen. Zum Beispiel dürfen sie nicht nach einer Woche anrufen und den Entwickler zurückholen, weil ein Projekt „gerade brennt“.
Was hat das Unternehmen davon, einen Mitarbeiter für mehrere Monate zu Ihnen zu schicken? Schließlich fehlt er ja dann als Entwickler ganz für diese Zeit?
Mathias Schreiber: Das ist auch bei normalen Schulungen der Fall. Der Unterschied zu klassischen Schulungen liegt darin, dass ein Entwickler in unserem Programm Routine bekommt. Eine herkömmliche Schulung dauert meist nur zwei bis drei Tage, danach ist der Entwickler wieder im Alltag der Agentur eingebunden und kann gar keine Routine für die neuen Prozesse entwickeln. So vermittelt die Schulung zwar tolle Ideen und Konzepte, die aber aufgrund von Unsicherheit oft nicht umgesetzt werden.
Eigentlich müsste die Rechnung anders aufgestellt werden: Eine Schulung auf unserem Niveau kostet rund 1.000 Euro am Tag. Entscheidet sich ein Unternehmen, einen Entwickler über die volle Zeitspanne von einem Jahr zu uns zu schicken, bekommt es einen Gegenwert von rund 220.000 Euro – wir halten das für ein gutes Geschäft.
Welche Voraussetzungen sollte ein Entwickler mitbringen, um am „Send a Junior“-Programm teilnehmen zu können?
Mathias Schreiber: Die genauen Anforderungen würden den Rahmen dieses Interviews sprengen. Wenn ein Unternehmen Interesse daran hat, kann es im Anmeldeformular auf typo3.com nachsehen, welche Kriterien wir abfragen. Kurz gesagt, sollte der Junior die TYPO3-Plattform schon einmal gesehen haben und die notwendigen Programmiersprachen beherrschen.
Was lernen die Entwickler bei Ihnen und wie lange dauert das Programm?
Mathias Schreiber: In einem Ausbildungspfad werden die Entwickler in das TYPO3 Core-Team eingebunden. Da TYPO3 eine Open Source Software ist, kann und darf jeder den Quelltext verändern und verbessern. Allerdings gibt es hier eine mentale Hürde, da Entwickler häufig der Meinung sind, sie wären nicht gut genug, um etwas zum TYPO3 Core beizutragen. Diese Hürde bauen wir konsequent ab. Dadurch kann sich der Entwickler in der Agentur im Falle von Bugs in TYPO3 einfach selbst helfen. Und es macht auch noch Spaß, in einem internationalen Team zu arbeiten.
Im anderen Ausbildungspfad binden wir die Entwickler in unsere internen Projekte ein. So lernen sie von der Pike auf, wie man vorbildlich in TYPO3 entwickelt. In der Praxis lässt es der hektische Alltag im Agenturgeschäft oft nicht zu, in Ruhe und ohne Zeitdruck saubere Workflows einzuführen. Dieser Pfad bietet die Möglichkeit, Erweiterungen für TYPO3 mit wenig Aufwand sauber zu schreiben. Das ist letztlich das tägliche Geschäft eines Entwicklers im TYPO3-Umfeld.
Das klingt ja gut, aber haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen Juniors, die jetzt wieder zurück im Unternehmen sind? Was hat sich nach der intensiven Ausbildung geändert?
Mathias Schreiber: Wir haben einen ausgesprochen guten Kontakt zu ihnen und freuen uns immer sehr, wenn sie sich bei uns melden oder wenn sich die Wege etwa bei einem der vielen TYPO3-Events kreuzen. Manchmal kommt auch jemand auf einen Kaffee im Büro vorbei, wenn er gerade in der Nähe ist. Unser Team freut sich, wenn sich die Gelegenheit für ein Gespräch ergibt – das sind Fachgespräche auf Augenhöhe und mit viel Spaß! Dabei erklären die ehemaligen Juniors immer wieder, wie viel sie bei uns für ihren täglichen Job gelernt haben und wie wertvoll dieses Praxiswissen ist. Auch das Feedback ihrer Vorgesetzten ist durchweg positiv. Sie berichten von mehr Initiative und mehr Struktur ihrer Entwickler beim Arbeiten – also genau das, was wir ursprünglich erreichen wollten.