Auf international vernetzte Firmen kommen große Herausforderungen zu: Teams arbeiten länderübergreifend virtuell zusammen. Vermehrt kennen sich die Abteilungen, die zusammen arbeiten, nicht mehr persönlich. Vor allem in IT-Abteilungen und im Support- Bereich hat sich die virtuelle Arbeitsweise zur Normalität entwickelt.
Teams arbeiten weltweit verstreut in unterschiedlichen Ländern und Kontinenten – Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede können eine effektive Zusammenarbeit erschweren. Besonders viel Verantwortung übernehmen Mitarbeiter im Support-Bereich. Anfragen von innerhalb und außerhalb per Zuruf, E-Mail oder Telefonanruf an das Team stressen die Mitarbeiter und reißen sie ständig ungeplant aus ihren Arbeiten heraus. Wie können Mitarbeiter – oder auch ganze Abteilungen – den täglichen Stress reduzieren, Zeit für Innovationen haben und gleichzeitig produktiver arbeiten? Rollenbasierte Ansätze können hier einen Ausweg weisen. Abbott ist ein weltweit tätiges Pharmaunternehmen, vertreten in 180 Ländern mit einem jährlichen Umsatz von 22 Milliarden US-Dollar. Rund 90.000 Mitarbeiter sind weltweit bei Abbott beschäftigt. Das heute international agierende Unternehmen wurde vor 125 Jahren von Dr. Wallace C. Abbott, einem Arzt aus Chicago, gegründet. Abbott setzt sich für die Gesundheit der Menschen weltweit ein – durch fortschrittliche und ständig weiterentwickelte Produkte und Technologien in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung. Das breite Portfolio umfasst Diagnostik, Medizintechnik, medizinische Ernährung und etablierte Markenmedikamente. An den sieben Standorten des Supportbereichs in Europa, dem Mittleren Osten, Afrika und Russland, kurz EMEA, sind etwa 60 Mitarbeiter beschäftigt.
Virtuelle Teams: Stress und Störungen
Die Ausgangssituation im Support-Bereich war von ungeklärten Zuständigkeiten, Stress und häufigen Störungen des Arbeitsflusses gekennzeichnet. Es erwies sich als besonders schwierig für die Mitarbeiter, dass die lokale IT in eine zentrale IT gebündelt werden sollte. Die Umstellung von der gewohnten Arbeitsweise, bei der die Mitarbeiter vor Augen hatten, wer sich um welche Aufgaben kümmert, hin zu einer virtuellen Arbeitsweise, bei der gemessen wird, wer was wann macht, bereitete den meisten Mitarbeitern Schwierigkeiten. Darüber hinaus gab es Unstimmigkeiten in den lokalen Abteilungen und keine übergreifende Teamarbeit. Ein großer Störfaktor waren die nicht zielgerichteten Anfragen durch E-Mails, Telefonanrufe und Lync von Kollegen sowie von Kunden. Aufgrund der teils schon virtuellen Organisation war nicht ersichtlich, wer an welchen Themen arbeitete und mit welcher Intensität. Dies bedingte einen sehr hohen Kommunikations- und Abstimmungsaufwand, der wiederum für eine enorm große, aber wenig zielgerichtete Informationsflut sorgte. „Jeder kommunizierte nach bestem Wissen und Gewissen – an alle. Ein sehr hohes E-Mail- Aufkommen war die Folge. Benötigte Informationen waren selten zur richtigen Zeit bei dem Mitarbeiter, der diese benötigte“, erläutert Günther Lembach, Senior Manager Global Service Desk EMEA bei Abott. „Was in dem Resultat endete, dass Projekte nicht rechtzeitig implementiert oder ausgeführt wurden und die Mitarbeiter gleichzeitig über eine zu hohe Arbeitsbelastung klagten.“
Aus Ineffizienz resultierte Unzufriedenheit
Im Arbeitsalltag bearbeiteten unterschiedliche Mitarbeiter die gleichen Aufgaben oft in unterschiedlicher Ausprägung. Dies betraf beispielsweise das Training und die Know-how- Datenbankpflege. Zusätzlich dazu plante jeder Support-Standort seine Mitarbeiter separat: Schwierigkeiten in der internationalen Zusammenarbeit waren die Folge. Gleiche Probleme in unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen wurden nicht als gemeinsames Problem erkannt oder zusammen behoben. Daher wuchs die Unzufriedenheit bei Kunden über die Service-Leistungen der jeweiligen Abteilung. „Ein Skill-Sharing für die Ressourcen- Optimierung war standortübergreifend erforderlich, aber nicht umsetzbar. Es bestanden Verträge mit unterschiedlichen Supportmodellen, von „Body Leasing“ bis zu „Managed Services“, erläutert Lembach. „Dies erschwerte eine Harmonisierung der internen Prozesse und die Einhaltung der KPIs.“ Letztlich fehlte auch dem Management eine Übersicht über die tatsächliche Auslastung der Mitarbeiter. Erschwerend kam ein enormer Kostendruck auf den Support-Bereich durch globale Budget-Kürzungen hinzu. „Um diese Situation zu verbessern, haben wir uns für die patentierte rollenbasierte Methode AQRO entschieden“, resümiert Lembach. „Wir hatten bereits 2005 gute Erfahrungen im Kontext einer ITIL-Implementierung mit der Acuroc GmbH gesammelt. Daher bestand bereits ein Grundvertrauen von Seiten der Managementebene. Die Mitarbeiter mussten jedoch erst noch überzeugt werden.“
Berührungsängste abbauen
Zunächst herrschte eine große Skepsis bei den Mitarbeitern gegenüber der Einführung der neuen Arbeitsorganisation: „Die Mitarbeiter waren der Meinung, dass eine rollenbasierte Methode bei ihnen nicht funktionieren würde“, stellt Lembach fest. „Aus Mitarbeitersicht dominierten ungeplante Eskalationen den Supportbereich so stark, dass die Teams nur auf Zuruf agierten und eine Einteilung in Rollen ablehnten.“ Die Mitarbeiter beherrschte das Gefühl, den ständigen Anfragen von Kunden nicht ausweichen zu können. Für sie stellten sich die Anfragen als nicht steuerbar dar: Die Support-Teams waren gefangen in der täglichen Routine. Um diese aufzubrechen, ging die Acuroc GmbH auf die jeweiligen Bedürfnisse der Teams ein. „In ausführlichen Workshops und teamübergreifenden Gesprächen konnten die Vorbehalte abgebaut werden, sodass nach und nach ein offenes Klima gegenüber den anstehenden Veränderungen entstand“, berichtet Dr. Consuela Utsch, Geschäftsführerin der Acuroc GmbH. „Nach und nach stellten die Mitarbeiter fest, dass eine neue Arbeitsorganisation sie nicht in ihren Kompetenzen beschneidet und sie bei der Neuausrichtung der Organisation die zentrale Rolle spielen“, so Lembach.
An einem Strang ziehen
Die Herausforderung bei der Anwendung einer rollenbasierten Methode im Supportbereich von EMEA war die Implementierung in 36 Ländern mit 21 Sprachen. An oberster Stelle stand die Optimierung der Arbeitsorganisation und Transparenzschaffung. Zunächst lag der Fokus daher darauf, eine klare Rollenverteilung festzulegen und eine strukturierte und zielgerichtete Kommunikation zu entwickeln. Im Zuge der Implementierung von AQRO führte das Team der Acuroc GmbH Workshops durch, in denen gemeinsam alle Tasks und Aufgaben, für die sich die einzelnen Mitarbeiter zuständig fühlten, aufgelistet und priorisiert wurden. Danach folgte die Definition von neuen Rollen und den dazugehörigen Aufgaben unter Berücksichtigung vorhandener Funktionen und Aufgaben. Gemeinsam diskutierten die Mitarbeiter mit dem Team der Acuroc GmbH die Schwierigkeiten und Probleme, mit denen sich die einzelnen Mitarbeiter konfrontiert sahen. „Im Zuge dieses gemeinsamen Dialogs erarbeiteten wir die zukünftigen Rollen und Backups für die einzelnen Mitarbeiter, entwarfen klare Regeln, ein Mengengerüst für die Besetzung der Rollen und den Serviceplan“, so Dr. Utsch. Das Support-Team sowie auch die Managementebene wünschten sich gleichermaßen mehr klare Verantwortlichkeiten, eine sinnvolle Terminierung, die zuverlässige Priorisierung aller Aktivitäten und eine verbesserte Dokumentation. Die Reduktion der ungeplanten Störungen hatte in diesem Zusammenhang oberste Priorität: Neben der Festlegung der Rollen war für eine strukturierte und zielgerichtete Kommunikation von großer Wichtigkeit, die jeweilige Erreichbarkeit der Rollen festzulegen: „Wer kommuniziert wann mit wem, welche Medien werden benutzt, was wird kommuniziert und wer ist wann in welchen Rollen ansprechbar“, so Dr. Utsch. Nach Festlegung der Rollen folgte eine zweiwöchige Pilotphase, nach der sich die Rollenbeschreibungen und die Planung finalisieren ließen.
Bild 1: Wer kommuniziert wann mit wem, welche Medien werden benutzt, was wird kommuniziert und wer ist wann in welchen Rollen ansprechbar (Quelle Acuroc).
Bild 2: Share Point Als Plattform für Rollen, Kommunikation und Planung (Quelle Acuroc).
Bild 3: Ein zentraler Rollenplan zeigt, welche Rolle von wem und wann ausgeführt wird (Quelle Acuroc).
Innovationen durch Transparenz
Die positiven Auswirkungen der neuen Arbeitsorganisation spürten nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Managementebene – mehr Transparenz und eine klare Kommunikation auf beiden Ebenen sorgten für mehr Zeit und Verständnis. „Aufgaben, die früher nicht immer oder nur nach Aufforderung gemacht wurden, erledigen die Mitarbeiter nun regelmäßig“, ergänzt Lembach. Diese hohe Fokussierung und die maßgebliche Reduktion ungeplanter Störungen führten zu einer besseren Qualität der Arbeitsleistungen, zu mehr Freiraum für neue Ideen und zu einer erhöhten Motivation bei allen Mitarbeitern. „Aufgrund der klaren Rollenverteilung und des Zeitgewinns sind die Teams imstande, Projekte planmäßig umzusetzen und diese nicht mehr als zusätzliche Belastung anzusehen“, erklärt Lembach. Die Transparenz versetzt das Management in die Lage, zu führen und nicht anzutreiben, da die Mitarbeiter genau wissen, was wann zu tun ist. Globale Projekte lassen sich besser umsetzen, da aufgrund der Transparenz die Auslastung der Mitarbeiter jederzeit einsehbar ist – je nach Bedarf können zusätzliche Ressourcen ausgeschöpft oder Zeitfenster verschoben werden. „Neue Optimierungsmöglichkeiten ergaben sich im Laufe des Projektes: Die Auslieferung von Services findet nur noch an vier Standorten statt anstatt an sieben wie zu Beginn des Projektes“, so Dr. Utsch.
Ein zusätzlicher Pluspunkt für die Mitarbeiter und das Unternehmen: Seit der Implementierung der rollenbasierten Methode hat jeder Mitarbeiter einen Tag in der Woche keine festen Rollen eingeplant. Diese Zeit steht nun für Innovationen oder Aufgaben, die aus Zeitgründen vorher hinten anstanden, zur Verfügung. „Wir waren so getrieben, dass niemand mehr innovativ war. Alles steckte fest. Durch die neue Arbeitsorganisation haben wir wieder den Kopf frei, sind innovativ und setzen Ideen um“, erzählt Jochen Hammer, Manager Service Desk Central Europe. „Aufgrund der positiven Auswirkungen denken wir derzeit darüber nach, AQRO auch in den USA einzuführen“, resümiert Günther Lembach.