Open Source

Schleswig-Holstein weist Weg aus US-Anbieter-Abhängigkeit

Schleswig Holstein Flagge

Spätestens seit Donald Trump ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, zeigt sich in aller Deutlichkeit, wie gefährlich die digitale Abhängigkeit Europas von den USA ist.

Denn während die US-Tech-Riesen mit der Regierung kuscheln, könnten im Zoll-Konflikt auch unsere europäischen Grundwerte zur Verhandlungsmasse werden. Schon seit Langem ist bekannt, dass Unternehmen und Behörden mit den Cloud-Lösungen der großen US-amerikanischen Anbieter hohe datenschutzrechtliche und finanzielle Risiken eingehen.

Anzeige

Jetzt macht Schleswig-Holstein als erstes Bundesland vor, wie der Ausweg aussehen könnte: Die Landesverwaltung wendet sich konsequent von Microsoft ab und setzt künftig auf Open Source Software. „Die Gefangenschaft in Softwarelösungen großer, insbesondere außereuropäischer, Anbieter ist nicht nur eine Bedrohung für unsere Sicherheit, sondern lähmt auch das Wachstum unserer Digitalwirtschaft“, erklärte Schleswig Holsteins Digitalisierungs-Minister Dirk Schrödter gegenüber BILD. „Wir können es schaffen, digitale Souveränität durch die Nutzung quelloffener Systeme zu erreichen.“

Gefährliche Liebschaften: Die Verflechtung der Tech-Giganten mit der Politik

Digitale Souveränität bedeutet nicht nur, die Kontrolle über die eigenen Daten und digitalen Prozesse zu behalten und frei entscheiden zu können, welche Technologien man einsetzt, sondern auch die strategische Unabhängigkeit zu bewahren und die Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung der Grundrechte im digitalen Raum sicherzustellen. All das steht auf dem Spiel, wenn sich Unternehmen und Behörden nicht aus der schon viel zu lange gewachsenen Abhängigkeit von den großen US-Anbietern befreien. Denn wer ohne die Software und Cloud-Dienste der Tech-Giganten nicht mehr handlungsfähig ist, muss deren Preispolitik und Datenschutzpraktiken zähneknirschend akzeptieren.

Durch die enge Verflechtung von Digitalwirtschaft und Politik gewinnen die Risiken neue Dimensionen. Viele der großen US-Technologie-Konzerne kuscheln mit dem Präsidenten, weil sie sich davon Vorteile erhoffen. Allen voran Elon Musk, der Trumps Wahlkampf mit mehr als 250 Millionen Dollar unterstützte und nun einer seiner engsten Berater ist. Mark Zuckerberg schaffte kurzerhand Faktenchecks bei Facebook ab und bezeichnete den digitalen Rechtsrahmen der EU als „Zensur“. In einem Podacst-Interview forderte er die US-Regierung dazu auf, die US-amerikanische Technologiebranche gegen die Durchsetzung der EU-Digitalregeln zu verteidigen. Zum Glück zeigte sich die EU-Kommission bisher unbeeindruckt und verhängte kürzlich Bußgelder gegen Meta und Apple in einer Höhe von insgesamt 700 Millionen Euro wegen Verstößen gegen den Digital Markets Act.

Anzeige

Cloud-Kunden sollten sich auf eine Preisexplosion einstellen

Allerdings könnten die EU-Sanktionen gegen Meta und Apple den transatlantischen Handelskonflikt wieder anheizen, obwohl derzeit sowohl Trumps Strafzölle als auch die geplanten EU-Gegenmaßnahmen ausgesetzt sind. Auch die Drohung der EU-Kommission, eine Digitalsteuer für amerikanische Anbieter zu erheben, dürften die Tech-Giganten am Ende weniger beeindrucken als erwartet und könnten sich sogar als Boomerang erweisen. Denn Konzerne wie Microsoft, Google und Amazon haben in der Vergangenheit bereits ihre Bereitschaft gezeigt, die Mehrkosten einfach über erhöhte Abo- und Lizenzgebühren auf ihre Kunden abzuwälzen. Microsoft etwa hat seit 2022 wiederholt die Preise für M365 erhöht und für April 2025 erneut drastische Steigerungen um bis zu 40 Prozent angekündigt. Cloud-Kunden bekommen zu spüren, was digitale Abhängigkeit bedeutet. Wer einmal im Vendor-Lock-in gefangen ist, hat kaum eine Alternative, als zu zahlen.

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.

Schleswig-Holstein zeigt den Weg aus der Kostenfalle

Die hohen Lizenzgebühren sind einer der Gründe, warum sich Schleswig-Holstein entschied, Microsoft Office ab November durch die Open Source Software Libre Office abzulösen. Anschließend ist der Wechsel von Exchange zu Open-Xchange und von Windows zu Linux geplant. Im Gegensatz zu Bundesländern wie Bayern und selbst der Bundesverwaltung, die sich zunehmend auf Cloud-Dienste wie Microsoft 365 stützen, gehen die Norddeutschen damit einen mutigen Schritt in Richtung digitale Souveränität. In den vergangenen Jahren sind die Lizenzkosten für Microsoft-Produkte in der Bundesverwaltung geradezu explodiert. 2024 lagen sie bei fast 205 Millionen Euro.

Zu den finanziellen Risiken kommen erhebliche Datenschutzbedenken, denn nach dem Cloud Act sind US-Firmen verpflichtet, den US-Behörden Zugriff auf in der Cloud gespeicherte Daten zu gewähren, selbst wenn diese der DSGVO unterliegen. Im neuen Klima jenseits des Atlantiks ist der Druck auf Unternehmen hoch. Man denke nur daran, wie schnell die großen Tech-Konzerne bereit waren, ihre Diversitäts-Programme abzuschaffen. Dass die US-Regierung sogar versucht, europäische Unternehmen zu erpressen, der diskriminierenden Politik zu folgen, spricht für sich.

Nicht länger den Kopf in den Sand stecken

Statt sensible Daten zu gefährden, Budgets überzustrapazieren und sich immer tiefer in die Abhängigkeitsspirale zu begeben, wird es höchste Zeit, die eigenen IT-Strategie zu überdenken. Gerade vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Unsicherheit und des transatlantischen Vertrauensverlustes nimmt die Dringlichkeit zu, wieder mehr Unabhängigkeit von den US-Tech-Giganten zu gewinnen. Der wichtigste Schritt besteht darin, nicht blind den Werbeversprechen der Cloud-Anbieter zu folgen.

Die Hyperscaler haben ein ureigenes Interesse daran, Kunden in Abo-Modelle zu drängen, um die digitale Abhängigkeit noch zu erhöhen. Denn wer Software nicht mehr selbst besitzt, sondern mietet, kann Applikationen nur nutzen, solange er dafür bezahlt. Anbieter können dann jederzeit die Daumenschrauben anziehen, beliebig die Preise erhöhen und ihre Lizenzbestimmungen ändern. Daher sollten IT-Entscheider gut überlegen, welche Cloud Services sie wirklich brauchen und wo vielleicht doch On-Premises Lösungen sinnvoll sind. Klassische Perpetual-Lizenzen zahlt man nur einmal und kann sie anschließend uneingeschränkt nutzen. Selbst Microsoft bietet mit Office 2024 LTSC oder Windows Server 2025 noch immer neue Software als On-Premises-Version.

Mit einer hybriden IT-Strategie digitale Souveränität zurückgewinnen

Empfehlenswert ist ein hybrider Ansatz, der Cloud-Services und On-Premises Software kombiniert. Kritische Daten und Anwendungen bleiben dann unter eigener Kontrolle, während die Cloud nur dort eingesetzt wird, wo unbedingt Flexibilität und Skalierbarkeit gefordert ist. In einem „Bring Your Own License“-Modell können Unternehmen und Behörden selbst entscheiden, welche Software sie in welcher Cloud-Infrastruktur betreiben möchten. Dadurch vermeiden sie nicht nur Vendor-Lock-in und gewinnen mehr Unabhängigkeit, sondern können langfristig auch Kosten senken.

Besondere wirtschaftliche Vorteile ergeben sich durch den Einsatz von gebrauchten Lizenzen, denn diese sind bei spezialisierten Händlern im Vergleich zum Neupreis um bis zu 70 Prozent günstiger erhältlich. Bereits seit 2012 ist der Handel mit Gebrauchtsoftware laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs absolut rechtskonform möglich. Unternehmen und Behörden können Lizenzen auf diese Weise nicht nur günstiger erwerben, sondern auch wieder verkaufen, wenn sie diese nicht mehr benötigen.

Jeder sollte jetzt den Weckruf gehört haben

Die Entscheidung der Landesregierung Schleswig-Holstein, sich unabhängig von monopolhaften Anbietern aus den USA zu machen, ist mutig und strategisch wichtig. Sie zeigt, dass es einen Ausweg aus dem Souveränitäts-Dilemma gibt, wenn man es denn will. Bleibt zu hoffen, dass viele diesem Beispiel folgen werden. Schon vor dem Zollkonflikt waren die Risiken offensichtlich und ein Wechsel der IT-Strategie längst überfällig. Seit über 10 Jahren weise ich unermüdlich in den verschiedensten Medien darauf hin, in welch unfassbar große Gefahr sich Unternehmen und Behörden durch die einseitige Abhängigkeit von US-Tech-Giganten begeben. Angesichts der aktuellen Entwicklung dürfte jeder jetzt den Weckruf gehört haben. Auf ein hybrides Modell zu setzen und die Vorteile von (gebrauchten) On-Premises-Lizenzen mit einer skalierbaren Cloud-Infrastruktur, vorzugsweise europäischer Anbieter, zu kombinieren, ist ein aktiver Schritt zu mehr Verlässlichkeit und strategischer wie finanzieller digitaler Souveränität.

Andreas

E. Thyen

Präsident des Verwaltungsrats

LizenzDirekt AG

Andreas E. Thyen ist Präsident des Verwaltungsrats der LizenzDirekt AG und bereits seit über 20 Jahren in führenden Positionen auf dem Gebrauchtsoftware-Markt tätig. Schwerpunkt seiner Tätigkeit war insbesondere die Klärung rechtlicher Fragestellungen. Er ist zudem ausgewiesener Experte für den Einsatz von gebrauchten Software-Lizenzen im Behördenmarkt. (Bildquelle: Lizenzdirekt)
Anzeige

Weitere Artikel

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.