In Baden-Württemberg regt sich Widerstand gegen den Einsatz von Microsoft-Produkten im Bildungsbereich. Der Grund: die vielfach kritisierte Abhängigkeit vom US-Softwareriesen und die damit verbundene Gefahr für die digitale Souveränität in Europa.
Der Plan der Kultusministerin Susanne Eisenmann, für die digitale Bildungsplattform an Schulen ausgerechnet auf Office 365 einschließlich Teams zu setzen, stößt auf scharfe Kritik – sowohl aus der Politik als auch von der Initiative Digitale Souveräne Schule.
Die Initiative bemängelt vor allem, dass Kinder und Jugendliche über ihre gesamte Schulzeit von klein auf immer mit dem gleichen „digitalen Setting einer einzelnen Firma“ konfrontiert werden. Aufgabe von Schule sei es jedoch vielmehr, Prinzipien zu vermitteln und Alternativen aufzuzeigen, um digitale Kompetenzen zu fördern. Insbesondere den bestehenden freiheitlichen OpenSource-Lösungen wurde als solche Alternative offenbar nicht ausreichend Beachtung geschenkt, lautet die Kritik.
Datenschutz von US-Herstellern ist unzureichend
Die Diskussion um die generelle Abhängigkeit von meist US-amerikanischen Herstellern ist nicht neu und schließt den Staat mit ein, der ernsthaft in seiner digitalen Souveränität bedroht ist. Im Zusammenhang mit dem Bildungssektor steht zudem das Thema Datenschutz im Fokus. Auch hier herrschen bereits länger große Bedenken aufgrund der unkontrollierten Erhebung von Telemetriedaten durch Microsoft. Erschwerend kommt eine Entscheidung des EuGH aus dem Juli dieses Jahres hinzu, wonach der auch von Microsoft beanspruchte „EU-US-PrivacyShield“ keine Rechtsgrundlage für eine ausreichende Datenübermittlung darstellt. Selbiges wurde im September vom Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitbeauftragten (EDÖB) in der Schweiz entschieden. Auch die Standardvertragsklauseln genügen im Fall von Microsoft aus den gegen das PrivacyShield angeführten Gründen nicht ohne Weiteres. Denn die kritisierten rechtlichen Rahmenbedingungen – die unverhältnismäßigen Zugriffsbefugnisse der US-Behörden und mangelnder Rechtsschutz – sind identisch.
Lock-In-Effekt schränkt Handlungsmöglichkeiten ein
Ein weiterer Diskussionsstrang ist die wirtschaftliche Abhängigkeit und Einseitigkeit, die bei Office 365 einen neuen Höhepunkt erreichen. Denn die Software ist bei Office 365 nur noch als Abonnement mit entsprechendem „Lock-In-Effekt“ erhältlich, statt wie bisher in Form von gekauften, dauerhaften Lizenzen. Gleichzeitig ist aufgrund der Dauerbindung kein Raum für Veränderungen mehr. Somit sind Nutzen, Kosten, Nachteile und Risiken genau abzuwägen. Dies zeigt sich an der aktuellen Diskussion über eine überraschende Änderung der Microsoft Lizenzbestimmungen (from SA / Cloud). Diese will europäische Großkunden trotz vorhandener aktueller Kauf-Lizenzen in ein Abonnement-Modell locken. Neuerdings wird „zum Dank“ für den Umstieg aber verboten, die nicht mehr benötigten Kauf-Lizenzen während des Abos zu veräußern. Ergo: Ist man erst einmal „ein-ge-lockt“, dürfte auch bei rasend steigenden Abo-Kosten in einem Cloud-Modell eine Rückkehr zu Kauf-Lizenzen kaum mehr möglich sein. Vielmehr sind Kunden so dem Preisdiktat des Herstellers unterworfen.
Gebrauchtsoftware statt Office 365 bringt Vorteile
Handlungsspielräume für Kunden sind damit rar und schützenswert. Die öffentliche Hand ist hierbei nicht nur aus vergaberechtlichen, sondern auch aus haushaltsrechtlichen Gründen Vorbild. Zwangsläufig bieten sich gebrauchte und damit bedarfsgerechte Lizenzen geradezu an, um sowohl unnötigen Abhängigkeiten entgegen zu wirken, als auch Vielfalt durch Ersparnisse zu fördern – anstatt noch weitere Abhängigkeiten zu schaffen. Das öffnet Möglichkeiten für europäische Angebote aus dem Mittelstand, wie auch für wichtiges Know-how im Umgang mit der Technik und vor allem Open-Source-Lösungen sowie umfassende pädagogische IT-Konzepte an Schulen. Zu betonen ist zudem, dass sich zusätzliche Mittel generieren lassen, indem unnötige Softwarelizenzen verkauft werden. Mit diesen Maßnahmen wird ein kleiner Beitrag für unsere europäische Freiheiten geleistet und diese mit gutem Beispiel den Schülern vorgelebt.
Während gebrauchte Software bei Ausschreibungen schon zum Standard gehört, gilt das für den Verkaufsfall noch nicht. Einschränkungen für den Weiterverkauf im Fall sogenannter Behörden- oder EDU-Lizenzen gelten nach Ansicht des BGH im Übrigen nicht, da es sich nur um freiwillige Rabattprogramme des Herstellers handelt und keine abweichenden Lizenzen im Hinblick auf die Verkehrsfähigkeit. Die Wirksamkeit des Weiterverkaufs an Unternehmen ist daher nicht eingeschränkt. Der An- und Verkauf von Lizenzen unterstützt Gebraucht-Händler. Diese weisen einen langjährigen Erfahrungsschatz mittels zertifizierter SAM (Software Asset Management)-Experten auf und behalten auch bei komplexen Vertragsstrukturen den Durchblick.
Fazit
Es ist höchste Zeit, eine europäische Antwort auf die Dominanz der US-Anbieter zu finden. Diese Antwort liegt nicht darin, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen und dabei noch Steuergelder zu verschwenden. Sofern es im Einzelfall tatsächlich keine Alternativen gibt, ist darauf zu achten, dass die erworbenen Kauf-Lizenzen (On-Premise) staatliches „Eigentum“ im Sinne des EuGH geworden sind. Dann müssten sie als Wert verstanden und veräußert werden, wenn kein Bedarf mehr an ihnen besteht.