Immer mehr Unternehmen, die mit einer Vielzahl an Verträgen und Rechtsdokumenten arbeiten, erkennen, dass der Einsatz von automatisierten Lösungen zur Vertragsprüfung und -analyse ein neuralgischer Punkt für sie ist. Software, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basiert, kann Vertragsbedingungen, -klauseln, Fälligkeiten und vieles mehr extrahieren.
Sie hilft Unternehmen, komplexe Texte schneller zu überprüfen und verbessert die Sichtbarkeit wichtiger Informationen, die in mehrseitigen Dokumenten versteckt sind. Automatisierte Lösungen versprechen so, Fachexpert:innen von mühsamen und fehleranfälligen manuellen Überprüfungsaufgaben zu befreien. Auf diese Weise wird auch sichergestellt, dass Compliance-Anforderungen eingehalten werden – und rechtliche Risiken damit verringert.
Um die Vorteile dieser KI-basierten Lösungen vollständig nutzen zu können, sollte die Auswahl sorgfältig getroffen werden. Bei dieser Auswahl gilt es fünf entscheidende Kriterien zu beachten:
1. Kann das System Begriffe und Klauseln mit einem hohen Maß an Genauigkeit identifizieren?
Ein automatisiertes Vertragsprüfungs-Tool sollte in der Lage sein, zuverlässig Schlüsselinformationen aus Tausenden von komplexen Verträgen zu extrahieren, auch wenn sie eine uneinheitliche und vielfältige Terminologie besitzen. Es ist ebenso wichtig, dass das System die Bedeutung ganzer Sätze, Absätze und längerer Texte erkennt. Das ist eine grundlegende Voraussetzung – vor allem, um Probleme der Mehrdeutigkeit einer Sprache und der Vielfalt des Vokabulars zu lösen. So haben beispielsweise die Formulierungen “bei Abschluss dieser Vereinbarung” und “bei Unterzeichnung des Vertrags” eine ähnliche Bedeutung, verwenden aber völlig unterschiedliche Wörter – die KI-Lösung sollte diese Ähnlichkeit verstehen.
2. Wie simpel und schnell kann die KI-Lösung auf die unternehmensspezifischen Anforderungen trainiert werden?
Einige Systeme, die mit vordefinierten Extraktionsmodellen geliefert werden, sind nahezu sofort einsatzbereit. Diese Systeme eignen sich gut für kleinere Unternehmen, die mit einer begrenzten Anzahl von Standardverträgen arbeiten, bei denen die Klauseln und Bedingungen kaum variieren. Größere Unternehmen mit einer Vielzahl von Anwendungsfällen hingegen, die unterschiedliche Arten von Verträgen enthalten, benötigen zusätzliches Training – ein teurer und langwieriger Prozess, da die meisten KI-Vertragsprüfungssysteme auf Ansätzen basieren, die eine statistische Analyse von Texten durchführen. Um diese Algorithmen für die korrekte Identifizierung und Interpretation juristischer Sprache zu trainieren, muss das System mit einer sehr großen Menge an Dokumenten gefüttert werden und einen überwachten Lernprozess durchlaufen, bis es ein akzeptables Maß an Genauigkeit erreicht.
In Leistung übertragen bedeutet ein Implementierungs- und Schulungsprozess, bei dem 1.000 Dokumente manuell geprüft werden, mindestens acht Wochen Zeitaufwand für Fachexpert:innen (unter der Annahme von 20 Minuten pro manueller Vertragsprüfung). Ein System hingegen, das mit nur 100 Dokumenten trainiert werden kann, spart Zeit und Geld und verschafft dem Unternehmen zusätzlich mehr Flexibilität bei der Bearbeitung einer großen Menge an Verträgen.
3. Kann das KI-System Bedingungen auf Basis ihrer Bedeutung interpretieren und klassifizieren?
Ein effizientes Vertragsprüfungs-Tool erleichtert den Analyseprozess, indem es die Vertragsbedingungen auf Basis der Anforderungen des Unternehmens prüft und klassifiziert. So sollte das Tool beispielsweise zwischen einer akzeptablen Kündigungsklausel und einer Kündigungsklausel, die eine zusätzliche Prüfung erfordert, unterscheiden können. Und das Tool muss beispielsweise den Satz “Versicherte Arbeitnehmer müssen sich nicht an den Kosten für die Langzeitinvaliditätsversicherung beteiligen” interpretieren können und als “100 % arbeitgeberfinanziert” einstufen.
4. Ermöglicht die KI-Lösung eine semantische Suche?
Die Möglichkeit, ein oder mehrere Dokumente oder sogar die gesamte Datenbank zu durchsuchen, ist ein essenzielles Feature. Wenn eine neue Kündigungsklausel eingeführt wurde, muss das Tool alle Dokumente identifizieren, in denen die Kündigungsklausel vom neuen Standard abweicht. Da Benutzer:innen oft nicht genau wissen, wie sie ihre Suchanfrage formulieren sollen, sollte das Tool zudem sowohl stichwortbasierte als auch natürlichsprachliche Suchvorgänge unterstützen und natürlich alle relevanten Ergebnisse liefern.
Gute Tools entdecken sogar versteckte Informationen, die Mitarbeitenden entgehen – entweder, weil sie nicht in dieses spezielle Dokument geschaut hätten oder weil sie nicht wussten, dass diese Information überhaupt existiert.
5. Lässt sich die KI-Lösung problemlos in andere Systeme integrieren?
Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Unternehmen bereits verschiedene Systeme zur Verwaltung von Dokumenten und zur Abwicklung von Arbeitsabläufen einsetzt. Ein leistungsfähiges Tool zur Vertragsprüfung verbessert die Transparenz bestehender Dokumentenspeicher und erweitert die Kapazitäten von Contract Lifecycle Management (CLM)-Systemen. Es sollte sich daher leicht in existierende Systemlandschaften integrieren lassen, am besten über eine RESTful API, da es keine Programmierung oder komplexe Softwarearchitekturplanung erfordert. Neben der Erweiterung von CLM-System um bedeutungsbasierte Extraktions- und Klassifizierungsfunktionen ist auch eine Anbindung an Business-Intelligence-Tools hilfreich. So trägt das Tool zu einer besseren Risikobewertung bei und kann neue Erkenntnisse liefern.
Angesichts der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Rezession müssen Unternehmen ihren Wettbewerbsvorteil aufrechterhalten, indem sie entweder ihre Abläufe und Prozesse optimieren oder neue Chancen ergreifen. Ein KI-basiertes Vertragsprüfungs-Tool, das oben genannte Kriterien erfüllt, kann definitiv den Unterschied ausmachen, indem es den Mitarbeitenden hilft, effizienter zu arbeiten, und den Führungskräften wiederum, bessere Entscheidungen zu treffen, um den Kund:innen insgesamt ein besseres Ergebnis zu liefern.