Evolutionskonzept beim Kennzahlen-Profiling: Der Weg zu intelligenten Kennzahlen

Im vorangegangen Beitrag in Ausgabe 3-2010 von it management wurden die charakteristischen Merkmale des Kennzahlen-Profilings dargestellt. Darauf aufbauend soll nun eine praxisnahe Antwort auf die Frage gegeben werden, wie eine solche „gute“ oder „intelligente“ Kennzahl denn überhaupt zu entwickeln ist.

Dieser Prozess lässt sich an einem Evolutions-Modell erklären, das die Entwicklung in fünf Stufen einordnet:

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1. Evolutionsstufe: Die Beschäftigung mit der Zahl

Ausgangspunkt für eine einfache Zahl. Hierfür kann man beispielsweise die Zahl 42 verwenden. Sie allein ist nicht nur auf den ersten Blick, sondern grundsätzlich bedeutungslos für Entscheidungen, da sie nur eine Quantität vermittelt. Wir sind zwar in der Lage, uns durchaus 42 Stück eines Gegenstands vorzustellen, es fehlt jedoch jeder Bezug sowie entscheidende Anhaltspunkte. Ergänzt man die Zahl noch um bestimmte Einheiten wie etwa Gewicht (42 kg) oder Währung (42 €), dann ändert sich nichts grundlegendes, weil es unverändert schwer fällt, daraus eine Aussage abzuleiten. Selbst einfache Aussagen sowie Berechnungen wie: „im September wurden 42 Paar Turnschuhe verkauft“, werten die Zahl im Sinne von Entscheidungsrelevanz nicht auf. Insofern sind wir nicht in der Lage, daraus irgendwelche Erkenntnisse oder gar Schlussfolgerungen zu ziehen. Trotzdem werden heute häufig Zahlen in dieser isolierten und bedeutungslosen Form erstellt und unter Titeln wie „Statusliste“, „Monatsbericht“ etc. zur Verfügung gestellt.

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2. Evolutionsstufe: Zahl mit Inhalt verbinden

Wenn keine ausreichende Aussagekraft besteht, muss die Kennzahl also durch weitere Informationen ergänzt werden. Dies erfolgt in der nächsten Evolutionsstufe, wo die Zahl durch ihre konkrete Definition und zusätzliche Beschreibungen (etwa. Interpretationshilfen, Herkunft) angereichert wird. Immerhin ist man mit dieser Kennzahl aber bereits in der Lage, mit eingeschränkter Aussagekraft Hinweise auf Abweichungen in den Wertentwicklungen zu geben. Dennoch bleibt auch hier noch der Informationsgehalt begrenzt, weil weiterhin entscheidende Elemente fehlen, die für eine tiefergreifende Analyse zur Lösung eines Problems notwendig sind. Auf dieser Evolutionsstufe stehen heute die meisten Unternehmen. Allerdings muss bereits auf dieser Stufe der Nutzen dieser Qualität von Kennzahlen in Frage gestellt werden. Im Vordergrund scheint nicht der saubere Aufbau von Inhalten für die Kennzahl zu stehen, sondern der Schwerpunkt liegt mehr oder weniger auf der Technologie. So wurde eine Erwartungshaltung erzeugt, mit Tools Probleme lösen zu können, ohne im Vorfeld jedoch ein konkretes Verständnis aufgebaut zu haben, welche Fragestellungen diese Tools beantworten sollen.

3. Evolutionsstufe: Ergänzung von Kennzahl und Inhalt durch Kontext

Zur Weiterentwicklung von „Kennzahl und Inhalt“ müssen diese um ihren Kontext erweitert werden. Hierbei handelt es sich um Aspekte, die sich aus der Betrachtung des Umfelds der Kennzahl und der zu betrachtenden Situation ergeben. Dies folgt dem Ziel, das Problem genauer lokalisieren zu können, so dass man die zugrunde liegende Situation eingrenzen und bei der Interpretation berücksichtigen, sprich überhaupt analysieren kann. Ein solcher Kontext besteht aus Dimensionen und deren inhaltlichen Beschreibung, die das „Umfeld“ des lokalisierten Problems tatsächlich umreißen. Mit dieser durch den Kontext ergänzten Kennzahl ist man der optimalen Entscheidungsrelevanz schon ein gutes Stück näher gekommen. Wer damit arbeitet, kann Rückschlüsse hinsichtlich kritischer Entwicklungen ziehen. Zudem kennt man die Wurzeln der Kennzahl. In den Fokus rückt nun sehr viel stärker das Verständnis der zu bewertenden Gesamtsituation im Zusammenhang mit einer Abweichung innerhalb von Wertschöpfungsprozessen. Allerdings ist der Informationsgehalt dieser Kennzahl noch recht statisch und erlaubt es, sich im Rahmen eines sehr isolierten Betrachtungsbereiches zu bewegen. Insgesamt lässt sich zu Kennzahlen bis zu dieser Evolutionsstufe feststellen, dass sie überwiegend aus der Perspektive von einzelnen Personen entwickelt und genutzt werden. Das bedeutet, nicht das übergreifende und werteschaffende Unternehmensziel steht im Mittelpunkt, sondern die Interessen, abgeleitet aus den individuellen Zielen, einzelner Personen oder Gruppen wie Abteilungen oder Teams. Man kann bis hier auch von einem „Ich-bezogenen“-Ansatz sprechen, der die Bildung von Informationsinseln im Unternehmen stark begünstigt.

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4. Evolutionsstufe: Kennzahl + Inhalt + Kontext + Wirkungsnetz

Mit dem nächsten Schritt in der Evolution von „intelligenten“ Kennzahlen, der gleichsam auch den letzten Schritt im Inhaltsprozess darstellt, wird diese „Ich“-Perspektive verlassen. Der Fokus wird auf das Gesamtgeschehen innerhalb und außerhalb des Unternehmens erweitert. Das bedeutet: Es wird eine ganzheitliche Perspektive eingenommen – die „Wir“-Perspektive, womit der optimale Grad der Entscheidungsrelevanz erreicht werden kann und somit eine direkte Problemfokussierung möglich ist. An dieser Stelle kommt nun eine weitere Ebene zur Kennzahlmit Inhalt und Kontext hinzu, nämlich die Ebene der Beziehungen und Wirkungen zwischen den Elementen (Dimensionen des Kontext, zusätzliche Merkmale aus dem Bereich der weichen Faktoren, Kennzahlen etc.) im Kontext des Betrachtungsgegenstandes (Problem). Es wird dafür ein System von unterschiedlichen Wirkungen durch unterschiedliche Einflussfaktoren zugrunde gelegt, das sich in Regeln abbilden lässt. Diese Einflussfaktoren sollten gleichermaßen bei der Steuerung der Wertschöpfungsprozesse berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere mit Blick auf ihre Wirkungsweise, Wirkungsrichtung sowie Wirkungseigenschaften innerhalb der Beziehungen zwischen allen am Wertschöpfungsprozess beteiligten Objekten und Elementen. Diese Entwicklungsstufe der „intelligenten“ Kennzahlen erfordert eine permanente aktive Reflektion und Beobachtung des Umfelds des Unternehmens, so dass Veränderungen zeitnah im Beziehungsgeflecht mit seinen Wirkungseigenschaften und seinen Regeln berücksichtigt werden können. Hier wird die kontinuierliche und iterative Weiterentwicklung zum kritischen Erfolgsfaktor. Der Kennzahlen-Inhalt, der für den Entscheider in konkreten Problemanalyseprozessen angeboten werden kann, beinhaltet, neben einer ein-eindeutig definierten Kennzahl der über das Wirkungsnetz bewerteten und beschriebenen Probleme in seiner Ganzheit auch der Zugriff auf problemspezifische Informationen, wie Beschreibungen, Hinweise, Erklärungen, Verträge, Wettbewerber, Prozesse Diskussionen, Pläne, Skizzen etc., die unmittelbar mit der Situation zusammenhängen. Durch diesen Schritt ist man nun in der Lage, der Dynamik von Unternehmen mit einer ausreichenden Flexibilität zu begegnen.

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5. Evolutionsstufe: Kollaborative Nutzung

Ist die richtige Kennzahl ermittelt, entwickelt und umgesetzt, gilt es einen weiteren Aspekt zu berücksichtigen, der unmittelbar mit der Qualität der Kennzahl in Beziehung steht. Die richtige Kennzahl kann nur ihren Wert voll zum Tragen bringen, wenn sie an entsprechender Stelle richtig genutzt und eingesetzt wird. Deshalb gehört zur Evolution der richtigen Kennzahl auch die Fragestellung der richtigen Informationslogistik, Bereitstellung sowie Kommunikation – zusammengefasst unter dem Stichwort „Kollaboration im Unternehmen“.

MARIANNE WILMSMEIER

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe April 2010 des it management.

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