Die Debatte um die Nutzung von Cloud-Diensten – wie Microsoft 365 (M365) im öffentlichen Sektor und die damit verbundenen Risiken – gewinnt zunehmend an Bedeutung. Neben den wirtschaftlichen Faktoren stehen vor allem Aspekte der digitalen Souveränität und der Sicherheit im Vordergrund.
Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) hat bereits mehrfach vor den Risiken gewarnt, die durch die starke Abhängigkeit von einem einzigen Anbieter entstehen können.
Digitale Souveränität und On-Premises-Lösungen
Die Entscheidung, sich auf Cloud-Dienste wie M365 zu verlassen, wirft Fragen zur digitalen Souveränität auf. Digitale Souveränität bedeutet, die Kontrolle über kritische IT-Infrastrukturen und Daten zu behalten, ohne von ausländischen Anbietern und deren Rechtsvorschriften abhängig zu sein. Cloud-Anbieter wie Microsoft unterliegen US-Rechtsvorschriften, darunter der Cloud Act, der US-Behörden potenziell Zugriff auf in der Cloud gespeicherte Daten gewährt. Dies stellt besonders für europäische Länder, die strenge Datenschutzvorschriften wie das schweizerische DSG und die DSGVO einhalten müssen, ein erhebliches Problem dar.
Eine attraktive Alternative bietet die Nutzung von On-Premises-Software, die lokal auf eigenen Servern betrieben wird. Diese Option ermöglicht es Unternehmen und Behörden, die volle Kontrolle über ihre Daten zu behalten, ohne von externen Anbietern und potenziellen Preiserhöhungen abhängig zu sein. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist Office LTSC 2024, eine neu verfügbare Office-Version, die ohne Cloud-Anbindung auskommt. Dies widerlegt die weitverbreitete Annahme, dass Office nur noch als Cloud-Lösung erhältlich ist. Die Verantwortlichen im Schweizer Bundesrat und der Bundesverwaltung gingen also fälschlicherweise vom Gegenteil aus. Insofern erscheint es geradezu tragisch, dass die Behörde alle kostenpflichtigen Cloud-Dienste von M365 abschalten will, anstatt das bedarfsgerechte On-Premises-Produkt zu wählen. Damit werden Leistungen vergütet, deren Beanspruchung ausgeschlossen ist. Wirtschaftlichkeit geht anders.
EU-Verfahren und Entbündelung von Microsoft Teams
Ein weiteres zentrales Thema in der Diskussion um Microsoft ist das laufende EU-Kartellverfahren. Microsoft steht wegen des Bündelns von Microsoft Teams mit anderen Office-Produkten unter Druck: Die Europäische Kommission hat das Unternehmen dazu aufgefordert, Teams als eigenständiges Produkt zu vertreiben, um die Wettbewerbsbedingungen zu verbessern. Dies zeigt, dass Microsoft zunehmend wegen seiner Marktposition und Geschäftspraktiken in den Fokus der Regulierungsbehörden gerät. Das sollte auch in der Schweiz zu denken geben.
Die Entbündelung von Teams ist ein wichtiger Schritt, um den Wettbewerb auf dem Softwaremarkt zu fördern und den Vendor-Lock-in-Effekt zu vermindern. Kunden, die nicht auf Cloud-Dienste wie M365 angewiesen sein wollen, können so flexibler agieren und Lösungen von anderen Anbietern wählen, ohne sich an ein umfangreiches und teures Lizenzmodell zu binden. Dies unterstreicht die Bedeutung, alternative Lösungen in Betracht zu ziehen, die die digitale Souveränität bewahren und die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern reduzieren.
Deutschland setzt SAP noch auf Microsoft drauf
Auch in Deutschland nimmt die Kritik neue Ausmaße an. Hier geht es nicht nur um die Abhängigkeit und hohen Kosten im Verhältnis zu Microsoft, sondern auch zu SAP. Bis zu 700 Millionen Euro wurden für diese Dienste eingeplant, was viele als ineffizient betrachten. Mitarbeiter der Verwaltung nutzen oft nur einen Bruchteil der verfügbaren Funktionen, während gleichzeitig die Kosten für ungenutzte Kapazitäten weiter steigen.
Besonders verzweifelt wirkt hier das offenbar staatlich erwünschte Zusammenspiel von Microsoft und SAP. Mit der Delos Cloud will SAP ab 2025 Clouddienste von Microsoft aus eigenen Rechenzentren anbieten. Dadurch soll die amerikanische Microsoft Software mit dem europäischen Datenschutz in Einklang gebracht werden. Mit anderen Worten: Der Staat muss zusätzliche Aufwände tragen, um die rechtlichen Defizite im Verhältnis zu Microsoft zu kompensieren.
Auch hier stellt sich die Frage, ob die Cloud-Elemente von M365 überhaupt benötigt werden oder nicht verstärkt auf On-Premises-Software oder hybride Modelle zurückgegriffen werden sollte, um Kosten zu senken und die IT-Kontrolle zu behalten.
Fazit: Hybride Strategien als Lösung
Die finanzielle Belastung durch Cloud-Dienste, gepaart mit den Risiken für Datenschutz und digitale Souveränität, verdeutlicht die Notwendigkeit, alternative IT-Strategien zu verfolgen. Hybride Modelle, die Cloud-Dienste und On-Premises-Lösungen kombinieren, bieten dabei eine ausgewogene Lösung. Durch die Nutzung lokaler Software wie Office LTSC 2024 oder auch Vorversionen, die oftmals sämtliche benötigte Funktionen mitbringen, lassen sich Kosten senken und die Unabhängigkeit wahren, ohne auf den technologischen Fortschritt zu verzichten.
Ein weiterer Vorteil von On-Premises-Lizenzen liegt in der Möglichkeit, gebrauchte Lizenzen zu kaufen und zu verkaufen. Der Handel mit Gebrauchtsoftware ist in der Schweiz und der EU rechtlich zulässig und kann erhebliche Einsparungen ermöglichen. Behörden könnten durch den Kauf gebrauchter Lizenzen ihre IT-Kosten deutlich senken, ohne auf hochwertige Software verzichten zu müssen. So lassen sich Kosten einsparen, was bei Mietmodellen schlichtweg nicht möglich sind.
Darüber hinaus bietet der Gebrauchtsoftwaremarkt eine gewisse Flexibilität: Wer die Software nicht mehr benötigt, kann die Lizenzen verkaufen, was weitere Einnahmen generiert. Dies ist bei Cloud-Lösungen nicht möglich, da die Nutzungslizenzen zeitlich begrenzt sind und nicht wiederveräußert werden können.
Es ist entscheidend, dass öffentliche Institutionen und Unternehmen ihre IT-Strategien kritisch hinterfragen und alle verfügbaren Optionen in Betracht ziehen, um langfristig sowohl Kosten als auch Risiken zu minimieren. Die Entbündelung von Microsoft Teams in der EU und der Verzicht auf Cloud-only-Modelle zeigen, dass Alternativen nicht nur verfügbar, sondern auch wirtschaftlich und sicherheitsrelevant sind.
Zutreffend resümiert Andreas E. Thyen, Verwaltungsratspräsident der LizenzDirekt AG: „Die Schweiz sollte einen bedachten und nachhaltigen Weg wählen, der Unabhängigkeit bestmöglich wahrt. Die offenkundigen Irrtümer in der Vergangenheit sollten nicht Grundlage für die Zukunft der schweizerischen IT sein.“