Bauplan für eine SOA-Landschaft: Symbiose zwischen EAM und SOA

Serviceorientierte Architekturen (SOA) und Enterprise Architecture Management (EAM)werden häufig isoliert voneinander betrachtet. Serviceorientierung kann jedoch nur über eine Kombination von beiden effektiv umgesetzt werden.
Serviceorientierte Architekturen versprechen Agilität in der Veränderung des Geschäftsmodells. Um dies zu erreichen, muss eine SOA in hohem Maße fachlich getrieben sein. Fachliche Services, als die Kernfunktionalitäten des Unternehmens, müssen identifiziert, bereitgestellt, flexibel zusammengesetzt und isoliert weiterentwickelt werden. So kann sich das Unternehmen auf die sich rasch verändernden Geschäftsanforderungen aufgrund von Globalisierung, Mergers & Acquisitions und Veränderungen im Markt undWettbewerb vorbereiten. Enterprise Architecture Management (EAM) liefert den Bauplan für die SOA-Landschaft. Es zeigt auf, welche fachlichen Services für welche Geschäftsprozesse und Geschäftseinheiten erforderlich sind. Die technische Umsetzung der fachlichen Services auf der Basis einer SOA-Referenzarchitektur macht diese für das Tagesgeschäft nutzbar. Im Artikel wird aufgezeigt, wie EAM und SOA in Kombination aufgesetzt werden können, um für das Geschäft einen möglichst hohenWert- und Strategiebeitrag zu liefern. Ausgangspunkt bildet die Darstellung der typischen Ausgangslage in Unternehmen. Auf dieser Basis wird erläutert, wie das ausführlich beschriebene Ziel bild in machbaren kurzen Schritten erreicht werden kann. Hierzu wird ein Leitfaden für die Umsetzung einer serviceorientierten IT-Landschaft gegeben.

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Ausgangslage

SOA ist häufig technisch belegt. Web-Services oder Enterprise Service Bus (ESB) Infrastrukturen werden häufig als Stellvertreter für SOA benutzt. Doch ohne Betrachtung der Fachlichkeit können die genannten technischen Lösungen nur wenig Beitrag zur schnellen Veränderung der Geschäftsmodelle leisten. Um diese Diskrepanz zu überwinden, wird häufig Business Process Management (BPM) ins Feld geführt und das heile Bild der flexibel konfigurierbaren Prozesse durch das Zusammensetzen aus einzelnen Services aufgezeigt (siehe Bild 1). Die Realität in Unternehmen unterscheidet sich häufig stark von diesem Wunschbild einer flexiblen und frei orchestrierbaren IT. In vielen Unternehmen ist die installierte IT-Landschaft im Laufe von Jahrzehnten gewachsen. Einmal erstellte IT-Systeme oder Schnittstellen werden gemäß dem Grundsatz „never touch a running system“ nur verändert, wenn dies zwingend notwendig erscheint. Erweiterungen werden häufig nicht sauber integriert, sondern als „Rucksack“ implementiert. Die Dokumentation ist veraltet; die Implementierung der „fachlichen Services“ ist nicht isoliert, sondern mit ihrer Umgebung verwoben. Das Herauslösen der fachlichen Services ist somit häufig eine „Operation am offenen Herzen“, da schon kleine Änderungen in einem derart komplexen Gesamtsystem verheerende Auswirkungen haben können.

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Annäherung an das Wunschbild

Das ist in der Theorie relativ einfach. Man braucht ein klares serviceorientiertes Zielbild. Zudem muss man dies über machbare Schritte entlang der Weiterentwicklung der IT-Landschaft über Projekte und Wartungsmaßnahmen umsetzen. Dieses Zielbild sollte dabei idealerweise unabhängig von bestehenden technischen Einschränkungen und Randbedingungen definiert werden und die Soll-Vision im Bezug auf eine optimale Unterstützung der Geschäftsanforderungen darstellen.

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Serviceorientiertes Zielbild

Das fachliche Zielbild ist der wichtigste Bestandteil des serviceorientierten Zielbildes. Es muss sich aus dem Geschäftsmodell des Unternehmens und dessen strategischer Ausrichtung ableiten (siehe hierzu auch die Methode „Motion“ von Microsoft [Tom09]). Hier findet sich der erste Anknüpfungspunkt für das Enterprise Architecture Management (EAM): Im Rahmen der strategischen IT-Planung im EAM wird häufig ein fachliches Referenzmodell als Soll-Vision der fachlichen Strukturierung des Unternehmens vorgegeben. Die fachliche Strukturierung kann nach unterschiedlichen Kriterien erfolgen. In der Praxis hat sich bewährt, Kernfunktionen, Kerngeschäftsprozesse oder die Produkte als Hauptstrukturierungskriterium zu verwenden. In Bild 2 finden Sie ein Beispiel eines fachlichen Referenzmodells aus einem produzierenden Unternehmen. Gruppiert nach den Kernfunktionen werden die für das Geschäft erforderlichen fachlichen „Fähigkeiten“ benannt. Hilfestellungen für die Ableitung Ihres fachlichen Referenzmodells finden Sie in [Han09]. Die fachlichen Funktionen können aus einer Vielzahl von Teilfunktionen bestehen, was häufig bereits der Granularität eines fachlichen Services entspricht. Die fachlichen Services sollten aber nicht im Rahmen der Top-down-Ableitung der Unternehmensstrategie sondern eher Bottomup auf Grundlage der konkreten Umsetzung in Projekten festgelegt werden. Über die detaillierte Betrachtung der Use Cases und des fachlichen Objektmodells können Servicekandidaten identifiziert werden. So kann die Angemessenheit der fachlichen Services für die Umsetzung der Geschäftsanforderungen sichergestellt werden. Fachliche Services werden IT-technisch durch Komponenten von Informationssystemen umgesetzt. Die übergeordneten inhaltlichen Vorgaben, welche Informationssysteme mit welchen Komponenten wie umzusetzen sind, werden durch die Soll-Bebauung der IS-Landschaft im Rahmen des Enterprise Architecture Managements festgelegt. Über das EAM wird somit definiert, welche fachlichen Services in der Ziel-Vision durch welche Informationssysteme umzusetzen sind.

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Soll-Bebauungsplan

Die Soll-IS-Landschaft ist daher ebenso ein wesentlicher Bestandteil des Zielbildes. In Bild 3 wird ein Soll-Bebauungsplan für das Jahr 2015 dargestellt. Informationssysteme werden in Bezug zu den fachlichen Funktionen und zu Geschäftseinheiten gebracht. Die Art der vorgesehenen technischen Umsetzung ist durch Grautöne hervorgehoben. In Bild 3 werden drei verschiedene Arten von SOA-Referenzarchitekturen als Lösungsmuster für die verschiedenen Umsetzungsszenarien vorgegeben. Ein solches Lösungsmuster könnte zum Beispiel ein Adapter für die Kapselung beziehungsweise Entkopplung von vorhandenen Legacy-Anwendungenmittels WebServices und einer ESB-Architektur sein (siehe [Kra04]). Das fachliche Zielbild, die Soll-ISLandschaft und das technische Zielbild, zum Beispiel in Form der SOA-Referenzarchitekturen, sind wesentliche Bestandteile einer Soll-Bebauung im Enterprise Architecture Management. Das Zielbild gibt die Vision vor, die schlussendlich im Rahmen der konkreten Projekte und Wartungsmaßnahmen schrittweise umgesetzt werden soll. Dies kann sich über einen langen Zeitraum erstrecken. Das Zielbild kann sich durch  veränderte Geschäftsanforderungen wie ein „Moving Target“ gegebenenfalls in dieser Zeit auch verändern und weiterentwickeln. Umsetzung des Zielbildes in machbaren Schritten Ausgehend von der aktuellen Ausgangslage muss das serviceorientierte Zielbild durch Projekte und Wartungsmaßnahmen schrittweise umgesetzt werden. Die Vorgaben müssen für alle Projekte verbindlich sein. Zur nachhaltigen Einführung der Serviceorientierung muss diese hierfür im Vorgehensmodell in allen Projektphasen und insbesondere auch in der Organisation verankert werden. Um jedoch eine wirkliche Serviceorientierung zu erreichen, muss sich diese im Vorgehensmodell in allen Projektphasen und insbesondere auch in der Organisation niederschlagen. Anwendungen dürfen nichtmehrmonolithisch erstellt werden, sondern modular. Geschäftsregeln, Workflows und Konfigurationen müssen bei neuen Anwendungskomponenten separiert werden. Soweit im Rahmen von Wartungsmaßnahmen machbar (Kosten/Nutzen), müssen auch hier die Legacy-Systeme entkoppelt und in die SOA-Infrastruktur eingebunden werden. Zudem sind neue Rollen und Gremien erforderlich, die fachliche Services zur Nutzung bereitstellen undmanagen. Die bereitgestellten Services müssen im Rahmen der Anforderungsanalyse in Projekten im Hinblick auf ihre Eignung im Kontext des Projektes untersucht werden. So können Redundanzen vermieden werden. Zudem wird die IT-Landschaft insbesondere durch die organisatorische Verankerung zunehmend serviceorientierter.

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Fazit

EAM verschafft Ihnen eine ganzheitliche Sicht auf Business und IT in ihrem Zusammenspiel. Durch die Festlegung eines serviceorientierten Zielbildes (der Soll-Bebauung) wird der Bauplan für die Umsetzung einer SOA-Landschaft vorgegeben. Dieses Zielbild enthält insbesondere ein fachliches Referenzmodell sowie für die technische Umsetzung eine Soll-IS-Bebauung und SOA-Referenzarchitekturen. Den Bauplan müssen Sie evolutionär und nachhaltig im Rahmen von Projekten und Wartungsmaßnahmen entsprechend des Zielbildes umsetzen. Durch einen Vergleich von Ist-Situation und Soll-Modell lassen sich die Handlungsbedarfe ableiten. Die fachlichen Funktionen – Top-down von den Geschäftsanforderungen und der Unternehmensstrategie heruntergebrochen – können so schrittweisemit Leben gefüllt werden. Entsprechend der konkreten Geschäftsanforderungen können durch Analyse der Use Cases und des fachlichen Objektmodells die Servicekandidaten identifiziert und bereitgestellt oder verwendet werden. Dem Wunschbild einer flexiblen IT, die sich an verändernde Geschäftsprozesse anpasst, kommen Sie damit einen Schritt näher.

INGE HANSCHKE

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe Mai 2009 des it management .

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