Embedded Finance

APIs als Geschäftsmodell: Verzahnung von IT und Geschäftsbereich entscheidend

APIs

Über technische Schnittstellen (Application Programming Interfaces, kurz APIs) können Finanzdienstleistungen direkt in digitale Anwendungen bankferner Unternehmen integriert werden. Damit eröffnen sich für Banken und ihre Partner neue Wachstumschancen in Märkten, die sie bisher kaum im Blick hatten.

Die Erweiterung des Geschäfts um datengetriebene Modelle erfordert jedoch eine Transformation, die insbesondere die interne Zusammenarbeit zwischen IT und Geschäftsbereich betrifft.

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Wo früher der Gang zur Bank an der Tagesordnung war, erwarten Kunden heute Finanzdienstleistungen online – direkt dort, wo der Bedarf entsteht, in den Apps und Anwendungen, die sie täglich nutzen. Sprünge zwischen verschiedenen Anbietern werden als störend empfunden und erhöhen die Abbruchraten bei Bestellungen und Käufen. Die Devise lautet: Immer schneller, immer bequemer und nur wenige Klicks entfernt. Damit gehen neue Anwendungsfälle einher, bei denen nicht nur digitale Zahlungen, sondern auch Kredite, Investments oder Versicherungen über APIs in die Produkte von Nicht-Banken eingebunden werden.

Diese sogenannten „Embedded-Finance“-Lösungen sind kein fernes Zukunftsszenario mehr. Viele technische Grundlagen und Regularien sind bereits vorhanden. Doch um sie sinnvoll zu implementieren, müssen die richtigen Leute zur richtigen Zeit zusammenarbeiten – innerhalb der Finanzinstitute, aber auch außerhalb.

ExpeditionFinance - Embedded Finance
Video: Was sind APIs und wie funktionieren sie? ExpeditionFinance Entdecker JĂĽrgen Schmitt trifft sich mit “Mr.API” Joris Hensen in einem Wohngebiet und lässt sich vor Ort zeigen, was theoretisch möglich wäre.

Neues Produktdenken durch Embedded Finance

Ein wichtiges Sprungbrett für eingebettete Finanzen („Embedded Finance“) war die Einführung der neuen EU-Richtlinie für Zahlungsdienste (Payment Services Directive 2, PSD2). Diese verpflichtet Banken dazu, externen Unternehmen Zugriff auf bestimmte Daten ihrer Kunden zu ermöglichen, sodass sie ihre Angebote für Endkunden personalisieren können. Eine weitere Öffnung der Banken hin zu einem Open-Finance-API-Framework ist bereits heute abzusehen und wird zusätzliche Funktionalitäten seitens der Finanzunternehmen erfordern.

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Die Deutsche Bank bietet auf ihrem Entwicklerportal aktuell bereits mehr als 40 APIs an, auf deren Basis eine Vielzahl an Embedded-Finance-Lösungen entwickelt werden können. Damit löst sich die Bank vom klassischen Vertriebs- und Produktdenken und erschließt sich durch Partnerschaften neue Möglichkeiten für kontextualisierte Angebote. Dieses Vorgehen zeigt sich jedoch nicht nur in der Finanzbranche, sondern immer häufiger auch in anderen Industrien. Aus der branchenübergreifenden Zusammenarbeit können immer weiter gefasste Anwendungsfälle entstehen, so wie etwa der Verkauf von Nachbarschaftsstrom aus privaten Solaranlagen und die Abrechnung über ein direkt mit der Anlage verbundenes Bankkonto.

Die IT-Abteilung als Wegbereiter neuer Geschäfts- und Vertriebsmodelle

IT-Abteilungen fällt bei diesem neuen Produktdenken eine Schlüsselrolle zu. Sie werden zum Wegbereiter für völlig neue Geschäfts- und Vertriebsmodelle. Die technische Voraussetzung für Embedded-Finance-Lösungen ist der Einsatz einer möglichst unternehmensweiten API-Plattform. Auf dieser Grundlage können schnell und flexibel neue Produkte entwickelt werden. Entscheidend dafür ist, dass innerhalb des Unternehmens kontinuierlich technische Dienste und Services entstehen, die über APIs nach außen verfügbar gemacht werden können. Hinzu kommt die Umsetzung eines „API-First“-Ansatzes: Wann immer ein neues digitales Produkt entwickelt wird, sollten entweder bereits bestehende APIs und Komponenten genutzt oder die notwendigen Schnittstellen gleich mitentwickelt werden.

Bei der Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle wird die enge Verzahnung von IT und Geschäftsbereich mehr denn je zum Erfolgsfaktor. So werden einerseits klassische IT-Rollen wie Entwickler, Tester oder Softwarearchitekten benötigt, um die Infrastruktur der Plattform aufzubauen. Andererseits braucht es Teammitglieder, welche die eigentliche „Produkt-Evolution“ sowohl intern als auch extern vorantreiben, also etwa Produkt- oder Community-Manager, Kommunikationsspezialisten und Technische Redakteure. Insbesondere wenn APIs nach außen veröffentlicht und Partner angebunden werden sollen, sind zudem Vertriebs-, Kunden- und Support-Experten gefragt.

Bild 1: Verzahnung von IT und Geschäftsbereich
Bild 1: Verzahnung von IT und Geschäftsbereich
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Die sechs Phasen einer API-Strategie

Die Implementierung und Realisierung einer API-Strategie sollten als iterativer und kontinuierlicher Prozess betrachtet werden. Der Weg von der Exploration bis zum Geschäftsmodell kann in sechs Phasen unterteilt werden:

  1. Prototyp und Gewinnung von Stakeholdern: Zu Beginn gilt es, die Kernbereiche des Geschäfts zu definieren, in denen APIs schnell und mit großer Wirkung neue Möglichkeiten eröffnen. Anhand erster Prototypen mit Testdaten können intern Versuche durchgeführt und APIs pilotiert werden. Auch ein interner Hackathon bietet sich an, um Ideen sichtbar zu machen.

  2. Aufbau der technischen Plattform: Bei der anschlieĂźenden Auswahl einer API-Plattform sind Kriterien wie Abrechnungsmodelle oder mitgelieferte Tools zu definieren. In der Regel sind hierbei Anpassungen notwendig, weshalb es sich lohnen kann, auch in dieser Phase weiter an einem Prototyp zu arbeiten.

  3. Aufbau interner APIs: Elementar für den Aufbau einer API-Plattform sind die technischen Schnittstellen und die damit verbundenen internen Daten. Eine große Rolle spielt auch die Digitalisierung der Prozesse. Denn nur, wenn auch die Prozesse hinter einer API kundenfreundlich und nahtlos gestaltet sind, können die daraus entstandenen Produkte erfolgreich sein. Ebenso entscheidend ist die Kommunikation im Unternehmen. Verstehen alle den Mehrwert? Gibt es Manager im Unternehmen, die das Vorgehen unterstützen?

  4. Externer Zugang zu APIs: Um ein Geschäftsmodell aufzubauen, müssen interne APIs auch extern zugänglich sein. Während die technische Plattform gleich bleibt, müssen die APIs möglicherweise angepasst werden. Welche Daten werden nach außen gegeben? Sind die gewählten Bezeichnungen auch für Dritte verständlich? Neben der Klärung dieser Fragen gilt es zudem, die Prozesse und Strukturen für die Anbindung der Partner vorbereiten.

  5. Anbindung der ersten Partner: Schließlich werden die ersten Kunden an die API-Plattform angebunden. Es werden Verträge geschlossen und das Onboarding durchgeführt. Im Anschluss erhält der Kunde den produktiven Zugang zu den Daten. In der Folge kann Feedback vom Kunden gesammelt werden.

  6. Skalierung und Ausbau der Plattform: API-basierte Geschäftsmodelle bauen häufig auf der sogenannten Long-Tail-These auf. Das Angebot setzt sich dabei aus vielen Nischenprodukten zusammen und bedient eine große Zahl an unterschiedlichen Zielgruppen. Je mehr externe APIs ein Unternehmen also anbietet, desto größer ist die Chance, in mehreren Themenfeldern eine relevante Rolle einzunehmen. Damit das passieren kann, muss ein zentrales API-Team möglichst viele Geschäftsbereiche darin unterstützen, gemeinsam mit Partnern die Produktpalette zu erweitern.

Dies passiert sinnvollerweise in einem agilen Ende-zu-Ende-Prozess, bei dem Kundenfeedback aufgegriffen, APIs kontinuierlich verbessert und das Produktangebot mit einer wachsenden Zahl von Anwendungsfällen weitergedacht wird. Im Kern geht es darum zu verstehen, wie Daten mittels APIs innerhalb von Partnerprodukten einen Mehrwert kreieren können, um dann eine Verknüpfung zum eigenen API-Angebot herstellen und innovative Produktideen entwerfen zu können. Hilfreich sind hier auch Kreativitätstechniken wie etwa Design Thinking.

Bild 2: API-Lebenszyklus von der Entwicklung bis zur Vermarktung
Bild 2: API-Lebenszyklus von der Entwicklung bis zur Vermarktung

Wohin geht die Entwicklung?

Neue Wege, um Produkte lebensnah und kontextualisiert entwickeln und anbieten zu können, entstehen insbesondere bei branchenübergreifenden Partnerschaften. Embedded-Finance-Lösungen sind dabei für alle Unternehmen relevant, die regelmäßig im finanziellen Kontext mit ihren Endkunden interagieren. Bereits bis 2025 prognostiziert Accenture ein Umsatzwachstum von bis zu 92 Milliarden US-Dollar durch Embedded-Finance-Angebote. Je mehr Branchen sich über APIs öffnen, desto mehr kundenzentrierte Produkte können entwickelt werden. Diese Branchenöffnung ist mit traditionellem Vertriebs- oder Produktfokus jedoch nicht denkbar. Stattdessen ist Mut zum Experimentieren gefragt – belohnt wird er mit neuen Geschäftsmodellen und einer größeren Produktvielfalt für die eigenen Kunden.

Joris Hensen Deutsche Bank

Joris

Hensen

Co-Leiter des API-Programms

Deutsche Bank

Joris Hensen verantwortet das API-Programm der Deutschen Bank, das er Anfang 2015 mitbegründet hat. In seiner mehr als zehnjährigen Tätigkeit für die Deutsche Bank war er als Projekt- und Innovationsmanager in verschiedenen internationalen Projekten tätig. Joris Hensen versteht sich als Intrapreneur und widmet sich der Frage, wie Open-Banking- und
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