Die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands steht aus Sicht junger Technologieunternehmen massiv unter Druck. Eine aktuelle Umfrage unter 44 Gründerinnen und Gründern von Startups im Bereich Verteidigungs- und Dual-Use-Technologien zeigt ein alarmierendes Bild.
Über zwei Drittel (71 Prozent) bewerten die militärische Verteidigungsfähigkeit Deutschlands als gering, ein Viertel sogar als „sehr gering“.
Diese Einschätzung kommt nicht von außen, sondern direkt aus der Innovationsszene, aus Unternehmen, die technologische Lösungen für die Bundeswehr entwickeln – von Künstlicher Intelligenz über Drohnentechnologie bis hin zu softwarebasierten Verteidigungssystemen.
Digitalisierung als Schlüssel zur Zeitenwende
„Wenn Deutschland ernst machen will mit der angekündigten Zeitenwende, dann müssen wir viel stärker auf digitale Technologien bei der Verteidigung setzen – von Aufklärungs-Drohnen über KI zur Lageanalyse bis zu Software Defined Defense“, mahnt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. Er fordert einen Kurswechsel: Nicht nur die traditionelle Rüstungsindustrie, sondern vor allem innovative Tech-Startups müssten in den Mittelpunkt einer modernen Verteidigungsstrategie rücken.
Wintergerst betont dabei auch den zusätzlichen Nutzen: „DefTechs machen die Bundeswehr schlagkräftiger und zudem für den nötigen Nachwuchs an Soldatinnen und Soldaten attraktiver.“
Bürokratie als Innovationsbremse
Ein zentrales Problem sehen die Gründer in der übermäßigen Bürokratie. Alle Befragten – 100 Prozent – fordern eine deutliche Vereinfachung und Beschleunigung der Beschaffungsprozesse. Gerade für junge Unternehmen stellen die langwierigen Verfahren ein kaum überwindbares Hindernis dar.
Ein weiterer Vorschlag der Startups: sogenannte Reallabore. 84 Prozent befürworten deren Einrichtung, um Innovationen unter realitätsnahen Bedingungen testen zu können. Dafür müssten unter anderem bestehende Regulierungen – etwa im Bereich der Drohnennutzung – temporär gelockert werden.
Kapital und Kooperationen: Forderung nach politischer Unterstützung
Auch in der Finanzierung sehen viele Startups Handlungsbedarf. 84 Prozent wünschen sich verstärkte öffentliche Investitionen in Verteidigungstechnologien, nicht zuletzt, um privates Kapital stärker anzuziehen. Fast ebenso viele (79 Prozent) sehen in besserer Vernetzung und der Bündelung bestehender privater und militärischer Innovationsinitiativen eine Chance zur Stärkung des Sektors.
Drei Viertel der Befragten (75 Prozent) befürworten zudem sogenannte Leuchtturm-Kooperationen. Diese könnten gezielt strategisch wichtige Technologien fördern und den Transfer zwischen Forschung, Startups und Militär beschleunigen.
DefTechs auf Abwegen: Deutschland verliert an Attraktivität
Trotz des Potenzials fühlen sich viele Gründerinnen und Gründer im eigenen Land nicht ausreichend unterstützt. Nur 39 Prozent würden ihre Firma erneut in Deutschland gründen. Der Rest zieht andere Regionen in Betracht: Die USA (25 Prozent), andere EU-Staaten (16 Prozent) oder weitere Weltregionen (18 Prozent). Lediglich 2 Prozent gaben an, keine neue Gründung anzustreben.
Ein zentrales Hindernis: die gesellschaftliche Haltung gegenüber militärischer Technologie. In Deutschland haftet ihr nach wie vor ein negativer Ruf an. 34 Prozent der Gründerinnen und Gründer berichten, dass sie sich in der Gesellschaft nicht wertgeschätzt fühlen. Bitkom-Präsident Wintergerst stellt klar: „Wer mit seinem Startup einen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit Deutschlands leistet, hat unsere öffentliche Anerkennung verdient.“