Das einstige Bildungsvorzeigeland Deutschland steckt in einer tiefen Krise: Es mangelt an Lehrkräften, die Leistungen der Schülerinnen und Schüler sacken im internationalen Vergleich ab und die seit Langem versprochene Digitalisierung von Gymnasien und Co. stockt.
Doch gerade innovative Software kann helfen, Bildungslücken zu schließen und neue Möglichkeiten für das Lernen schaffen. Julian Schröder, CEO des Berliner ED-Tech-Startups Fuxam, nennt im Interview die Vorteile von Bildungssoftware – und sagt aber auch, wo deren Grenzen liegen.
Herr Schröder, sind Sie als Anbieter einer Bildungssoftware nicht der natürliche Feind jedes Lehrers und jeder Lehrerin?
Ganz im Gegenteil: Zum einen handelt es sich bei Bildungssoftware nicht um einen Ersatz für eine klassische Lehrkraft. Es geht nicht darum, dass „eine KI“ – diese Angst gibt es ja inzwischen in vielen gesellschaftlichen Bereichen und Berufsfeldern – den Menschen ersetzt. Vielmehr handelt es sich bei Softwarelösungen dieser Art immer um eine Unterstützung der Menschen: der Lehrenden sowie der Schülerinnen und Schüler, aber auch von Studierenden. Die Digitalisierung kann den Weg zu einem besseren und gerechteren Bildungssystem ebnen. Zur Hard- und Software muss aber immer auch das menschliche Know-how für den richtigen Umgang und Einsatz der Technik kommen.
Was spricht aus Ihrer Sicht für die Digitalisierung von Bildung?
Der wesentliche Vorteil von Online-Plattformen im Bildungswesen liegt in ihrer Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an die Erfordernisse einer sich stetig wandelnden Welt. Während Bücher und traditionelle Methoden wie Stift und Papier nach wie vor ihren Wert haben, insbesondere im Grundschulbereich, ist es unerlässlich, dass Lernende ab einem gewissen Alter auf das Leben in einer digital dominierten Gesellschaft vorbereitet werden. Online-Plattformen erlauben es, das Lernen in diese digitale Welt zu integrieren. Erfolgsentscheidend ist dabei, dass die „virtuelle Bildung“ alle Facetten nutzt, die junge Menschen auch aus ihrem privaten Alltag in sozialen Medien oder dem Web kennen. Damit meine ich konkret die Einbettung von Gamification, Virtueller Realität, künstlicher Intelligenz und personalisierten Lernpfaden, die auf die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten sind. Diese innovativen Ansätze können das Engagement und die Effektivität des Lernens steigern, indem sie ein immersives und interaktives Erlebnis bieten. Gerade virtuelle Plattformen erlauben es zudem, dass das Lernen individueller wird und in Inhalten und Lerntempo den Nutzern stärker entgegenkommt als das klassischer Frontalunterricht in Schule oder Hochschule jemals könnte.
Kommen wir einmal genauer auf „Fuxam OS“ zu sprechen. Was leistet es?
Fuxam OS adressiert spezifische Bildungslücken, indem es eine umfassende „All-in-One“-Lösung für Bildungseinrichtungen bietet. Anstatt auf verschiedene separate Lösungen zurückzugreifen, können Bildungseinrichtungen mit unserer Software alles in einer Plattform finden. Diese umfassende Lösung unterstützt den Lernprozess auf vielfältige Weise. Beispielsweise integrieren wir künstliche Intelligenz in unsere Plattform, sodass Lernende neben ihren Dokumenten einen KI-Chat nutzen können. Die KI kann PDF-Dokumente lesen und sogar Fragen dazu beantworten. Im Gegensatz zu anderen Lösungen, die oft nur als Dateiablage verwendet werden, ermöglicht das Programm den Studierenden, tatsächlich zu lernen. Und wir selbst lernen auch jeden Tag dazu: Wir organisieren etwa regelmäßig Administratoren-Calls mit E-Learning-Leitern verschiedener Bildungseinrichtungen und führen Umfragen unter Lernenden und Lehrenden durch. Diese Rückmeldungen fließen direkt in die Weiterentwicklung der Software ein.
Die Diskussion um die notwendige Digitalisierung im Bildungswesen ist nicht erst gestern losgebrochen. Woran liegt es, dass wir in Deutschland hier seit Jahren kaum von der Stelle kommen?
Erstens glaube ich, dass Ihre grobe Einschätzung zwar stimmt, aber sich unter dem Mantel des Schweigens in den vergangenen Jahren dennoch bereits viel zum Positiven gewandelt hat. Nur zweitens eben noch nicht im notwendigen Tempo und vor allem Ausmaß. Eine, wenn nicht die zentrale Herausforderung bei der weiteren Integration von Technologie und Software in Bildungseinrichtungen besteht meiner Ansicht nach darin, dass einige Einrichtungen noch zu konservativ sind und lieber an bestehenden Systemen festhalten. Innovationen werden möglicherweise nicht immer willkommen geheißen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, streben wir danach, ein Betriebssystem für jegliche Bildungseinrichtungen zu entwickeln, das alle bestehenden Systeme ablöst.
Vielen Dank für das Interview, Herr Schröder.