Das ‚Problem des Handlungsreisenden‘ ist aus dem Mathematikunterricht bekannt: Je mehr Stationen angefahren werden, desto schwieriger wird es, die optimale Handelsroute zu finden. Durch das exponentielle Wachstum der zur Verfügung stehenden Routen ist das Problem sogar viel komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.
Dasselbe Prinzip steckt hinter dem „Gate Assignment Problem“, bei dem ankommende Flugzeuge für die Abfertigung zu einem freien Gate geleitet werden müssen.
Eine Rechnung verdeutlicht die Dimensionen: „Bei fünf möglichen Gates und einem Flugzeug gibt es nur fünf Zuordnungsmöglichkeiten. In diesem Fall hat die Flugleitung leichtes Spiel. Bei fünf Gates und zwei Flugzeugen sind schon 25 Varianten möglich. Allerdings sind Airports in der Regel größer. Bei 15 Gates und 10 Flugzeugen gibt es über 570 Milliarden Möglichkeiten“, erklärt Dr. Joseph Doetsch, Quantum Computing Lead der Lufthansa Industry Solutions (LHIND). Klassische Computer stoßen hier aufgrund des hohen Rechenaufwands schnell an ihre Grenzen. Aus Zeit- und Effizienzgründen ist eine bestmögliche Zuordnung aber sowohl für die Passagiere als auch für die Fluggesellschaften von großer Bedeutung. „Bisherige Algorithmen für kombinatorische Optimierungsprobleme skalieren sehr schlecht, so dass die Rechenzeit überproportional mit der Problemgröße wächst. Dies macht selbst für Supercomputer Echtzeitlösungen für viele praktische Industrieanwendungen unmöglich. Stattdessen sind – aus mathematischer Sicht – bisher oft nur Näherungslösungen im Einsatz“, sagt Prof. Dr. Dieter Jaksch, Quantenphysiker an der Universität Hamburg.
Weltweit erste Anwendung dieser Art
Um das Problem besser lösen zu können als bisher, haben die Universität Hamburg und Lufthansa Industry Solutions jetzt ein Kooperationsprojekt gestartet. „Wir arbeiten an einem Quantenalgorithmus, der skalierbar ist und alle realistischen Randbedingungen an Flughäfen berücksichtigt. Damit wären wir weltweit die Ersten, die in der Praxis für das ‚Gate Assignment Problem‘ nicht konventionelle Rechner, sondern Quantencomputer einsetzen, die für diese Aufgabe deutlich besser geeignet sein sollten“, sagt Jaksch. LHIND kennt als Lufthansa-Tochter bestens die Anforderungen der Airlines und Flughäfen, und beschäftigt sich bereits seit Jahren intensiv mit dem Thema Quantencomputing.
Da Quantensoftware speziell auf die jeweilige Quantencomputer-Architektur zugeschnitten ist, muss auch die Hardware-Entwicklung berücksichtigt werden. Erste kommerziell nutzbare Quantencomputer werden derzeit sukzessive auf den Markt gebracht. „Unsere Gate-Assignment-Lösung ist schon jetzt verfügbar und von Flughäfen für die Planung und Echtzeitsteuerung nutzbar. Aktuell basiert sie auf klassischen Computern und soll in den nächsten Jahren durch die Nutzung von Quantencomputern weiter verbessert werden. Dabei profitieren wir von dem großen Talentpool in der Stadt und der starken Förderkultur in Hamburg“, sagt Doetsch.
Das Projekt wird über seine Laufzeit von drei Jahren im Rahmen der Initiative Quantencomputing der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB) gefördert. Ziel ist der Aufbau, die Etablierung und die Stärkung des Quantencomputing-Standortes Hamburg.
Die Universität Hamburg und die Technische Universität Hamburg sind bereits gemeinsam im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt „Hamburg Quantum Computing School“ aktiv. LHIND ist zudem Gründungsmitglied von Hamburg Quantum Innovation Capital (hqic), einem zentralen, branchenübergreifenden Ansprechpartner, Koordinator und Ecosystem-Builder für Quantentechnologien.
(pd/Lufthansa Industry Solutions)