Der Bundesverband der IT-Anwender (VOICE) hat die Geschäftspraktiken des Technologiekonzerns Broadcom und seiner Tochtergesellschaft VMware scharf kritisiert. In einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fordert der Verband ein Einschreiten gegen das, was er als missbräuchliches Marktverhalten bezeichnet.
Im Zentrum der Kritik steht die grundlegende Umstellung des Lizenzmodells von VMware nach der Übernahme durch Broadcom. Das Unternehmen hat sein traditionelles Lizenzierungsmodell durch ein Cloud-Abonnement-System ersetzt – ein Schritt, der nach Ansicht von VOICE zu „gravierenden Nachteilen und erheblichen Kostensteigerungen“ für die Kundenunternehmen führt. VOICE ist mit über 440 Mitgliedern und 3000 Unternehmen die größte Interessenvertretung von Digital-Entscheidern im deutschsprachigen Raum, die Unternehmen verschiedener Größen vernetzt.
Besonders problematisch sei die neue Bündelungsstrategie von bislang einzeln erhältlichen Anwendungen und Diensten. Diese Praxis führe bei manchen Unternehmen zu Preiserhöhungen von mehr als hundert Prozent, wie der Verband berichtet. Zudem habe Broadcom/VMware ein Kategorisierungssystem eingeführt, das den Zugang zu bestimmten Diensten für verschiedene Kundengruppen entweder stark verteuere oder gänzlich einschränke: „Broadcom/VMware hier seine Marktmacht missbräuchlich aus“, sagt der Verband.
In Abstimmung mit seinen europäischen Schwesterorganisationen – darunter Beltug, Cigref und CIO Platform Nederland – hat VOICE einen Forderungskatalog mit acht konkreten Punkten vorgelegt. Zu den Kernforderungen gehört, dass VMware-Produkte für Server-, Speicher- und Netzwerkvirtualisierung wieder einzeln und ohne Bündelungszwang angeboten werden müssen. Auch sollen sämtliche Kunden uneingeschränkten Zugang zu allen Produkten erhalten, unabhängig von ihrer Kategorisierung. Bemerkenswert ist die Reichweite der Forderungen: Der Verband verlangt nicht nur eine Änderung der aktuellen Geschäftspraktiken, sondern auch eine rückwirkende Anpassung bereits geschlossener Verträge und die Erstattung dadurch entstandener Mehrkosten. Zudem sollen bestehende unbefristete Lizenzen beim Übergang zu Abonnementmodellen „angemessen kompensiert“ werden.
Das sind die 8 Forderungen
- VMware-Produkte für Server-, Speicher- und Netzwerkvirtualisierung (vSphere/vCenter, vSAN, NSX) werden (auch) einzeln ohne kommerzielle Bündelung untereinander oder mit anderen Produkten (wie Aria) verkauft.
- Mehrkosten für Verträge, die bereits nach dem neuen Lizenzsystem abgeschlossen wurden, werden umgehend erstattet.
- Sämtliche VMware-Kunden können sämtliche VMware-Produkte ohne Einschränkungen in Bezug auf Kategorisierungen wie Kundengruppen usw. erwerben.
- Rabatte werden auf alle Produkte gewährt, ohne dass eine eindeutige Bevorzugung vorliegt, so dass kein der Bündelung gleichwertiger Effekt erzielt wird.
- Broadcom/VMware gewährt die vertraglich vereinbarten Verlängerungsklauseln zum Ende der Vertragslaufzeit (sog. „outyear renewal clause“).
- Bestehende unbefristete Lizenzen werden beim Erwerb von Abonnementlizenzen angemessen kompensiert.
- Die Anforderung von mindestens 16 Cores pro CPU bei der Ermittlung der Lizenzkosten wird ersatzlos gestrichen.
- Alle Verträge, die bereits unter dem von Broadcom eingeführten Lizenzsystem abgeschlossen wurden, werden rückwirkend auf das unter Ziff. 1 bis 8 beschriebene System umgestellt, so dass die Kunden auch rückwirkend die gewünschten Produkte individuell ohne kommerzielle Bündelung auswählen können.
Die Initiative von VOICE ist keine Einzelaktion. Bereits im März dieses Jahres hatte der Verband in einem ersten offenen Brief an die EU-Kommission auf die problematischen Entwicklungen hingewiesen. Sollten die geforderten Änderungen nicht umgesetzt werden, behält sich VOICE ausdrücklich rechtliche Schritte vor.