Im Handel mit gebrauchten Softwarelizenzen für den gewerblichen Bedarf taucht von Kundenseite eine Forderung immer wieder auf, die nach der Offenlegung der Lieferkette. Das ist nachvollziehbar, wenn auch rechtlich unbegründet. Ein aktuelles Beispiel macht deutlich, dass auch eine Offenlegung kein Allheilmittel ist.
Auf welche rechtlichen Aspekte es tatsächlich ankommt, klärt ein Interview mit Björn Orth, Gründer und Geschäftsführer des Gebrauchtsoftware-Händlers Vendosoft.
Herr Orth, Sie haben jüngst ein verlockendes Angebot zum Ankauf von 6000 gebrauchten Microsoft Office Lizenzen erhalten. Verraten Sie uns, was es damit auf sich hatte?
Ja das ist richtig. Im Raum stand der Ankauf von Microsoft Office Pro Plus Lizenzen zu einem extrem günstigen Preis. Das machte mich stutzig und so prüften wir das Angebot auf Herz und Nieren. Als Gebrauchtsoftware-Händler bestehen wir auf die Offenlegung der gesamten Lieferkette. In diesem Fall forderten wir zusätzlich eine Wirtschaftsauskunft über Creditreform an. Es schien ein sauberes Geschäft zu sein. Bis unsere Recherchen ergaben, dass die Software erstmals in Kanada in Umlauf gebracht wurde und die Lizenzen später einer britischen Niederlassung desselben Unternehmens übertragen wurden.
Stimmt das mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH und BGH zur sogenannten Erschöpfung überein?
Nein. EuGH und Bundesgerichtshof haben strikte Richtlinien für den Handel mit second-hand Software verordnet. Demnach gilt der erwähnte Erschöpfungsgrundsatz. Dieser ist im Urheberrechtsgesetz verankert und besagt, dass sich das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers – also des Herstellers – erschöpft, sobald er sein Werk erstmalig in Verkehr gebracht hat. Grundvoraussetzung ist, dass die Lizenzen ursprünglich innerhalb der Europäischen Union bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum vom Hersteller veräußert wurden. Danach ist die betreffende Kopie der Software zur Weiterverbreitung innerhalb der EU frei und ein Nacherwerber kann sich hierauf berufen.
Dieser Grundsatz trifft bei den aus Kanada stammenden Lizenzen nicht zu?
Höchstwahrscheinlich nein. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Hersteller der Übertragung von Kanada nach UK und im weiteren Verlauf der Übertragung von Großbritannien nach Europa zugestimmt hat. Auch möglich ist, dass es sich um in Europa erworbene Lizenzen handelt, die vertragsgemäß in einer kanadischen Niederlassung genutzt werden durften. Das konnten wir jedoch nicht feststellen.
Würde Microsoft als Rechtsinhaber eine Urheberrechtsverletzung gegen Käufer dieser Lizenzen in Deutschland geltend machen, dürfte sich diese nach deutschem bzw. europäischem Recht richten. Dann wäre dem Kunden aufgrund des kanadischen Ursprungs die Berufung auf den (europäischen) Erschöpfungseinwand verwehrt. Es birgt also einige Risiken, diese gebrauchten Lizenzen zu erwerben.
Wie haben Sie reagiert und was ist aus dem Angebot geworden?
Wir haben das Angebot abgelehnt und den Anbieter auf die mögliche Unrechtmäßigkeit des Handels aufmerksam gemacht. So wie wir hielten es nach unserem Wissen die meisten Gebrauchtsoftware-Händler in Deutschland.
Kamen die 6000 Lizenzen denn letztlich in Umlauf?
Ja, das kamen sie. Unsere Branche ist überschaubar, da werden derartige Geschäfte im Auge behalten. Mir wurde von verschiedenen Stellen zugetragen, dass ein süddeutscher Gebrauchtsoftware-Händler die Lizenzen aufgekauft hat – ausgerechnet einer, der lautstark mit der Offenlegung der Lieferketten wirbt. Wir sind gespannt, ob er seinen Kunden die Herkunft aus Kanada tatsächlich bekannt gibt und die notwendigen Informationen zur Aufklärung der Rechtmäßigkeit zur Verfügung stellt.
Wie ist das eigentlich mit der Offenlegung der Lieferkette – ist das ein Muss im Gebrauchtsoftware-Handel?
In verschiedenen Gerichtsurteilen (zuletzt 2016 von der Vergabekammer Münster) wird Käufern empfohlen, sich die Deinstallation der Kopie beim ursprünglichen Lizenznehmer in „geeigneter Weise“ nachweisen zu lassen. Damit gehen die Rechte an der Lizenz auf den neuen Käufer über. Eine Offenlegung der Rechtekette ist laut Gericht explizit nicht erforderlich und kann auch nicht verlangt werden.
Sie müssen sich vorstellen, dass wir gebrauchte Softwarelizenzen oft im drei- oder vierstelligen Bereich einkaufen und diese an viele verschiedene Käufer veräußern. Schon aus Datenschutzgründen können wir die sensiblen Daten des Erstbesitzers nicht 20, 30 oder mehr Käufern offenlegen.
Empfehlen Sie dennoch die Offenlegung?
Nein. Denn wie das Beispiel der kanadischen Lizenzen gezeigt hat, hätte ein Laie nicht aufgedeckt, dass die Basis der angebotenen Software in Kanada liegt. Die meisten Kunden gebrauchter Software verfügen nicht über eine ausreichend lizenzrechtliche Expertise.
Größte Sorge der Käufer ist in der Regel, nicht herstellerkonform lizenziert zu sein, weil dies Nachzahlungen und im Zweifelsfall rechtliche Konsequenzen hat. Um hier auf der sicheren Seite zu sein, sind folgende Unterlagen wichtig: Lieferschein und Rechnung, Bestätigung über den ordnungsgemäßen Erwerb der Software durch Erstkäufer und Händler sowie eine Deinstallationsbestätigung der erworbenen Lizenzen. Das alles von einem Wirtschaftsprüfer geprüft und besiegelt.