Zahlreiche deutsche Betriebe können nicht vom Megathema Industrie 4.0 so profitieren wie sie wollen. Zwar bezeichnen acht von zehn Industrieunternehmen Industrie 4.0 als strategisch wichtig für ihr Geschäft. Genauso viele erwarten, dass die Bedeutung in den nächsten fünf Jahren sogar noch zunehmen wird.
- Anteil der Industrie-4.0-Anwender steigt nur leicht von 38 auf 41 Prozent – Autobranche Vorreiter
- Vor allem hohe Kosten und mangelndes Know-how hindern Unternehmen am Einsatz
- Geschätzte Kosteneinsparungen von durchschnittlich sieben Prozent
- Große Unternehmen setzen stärker auf Industrie 4.0 als kleinere
Aber insgesamt nutzen lediglich vier von zehn Industrie-Unternehmen Industrie-4.0-Anwendungen. Der Anteil liegt momentan bei 41 Prozent, das sind lediglich zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. 23 Prozent planen die zukünftige Anwendung, das ist ein Prozentpunkt mehr als im Vorjahr. Die Unternehmen haben vor allem mit hohen Kosten und dem leergefegten Arbeitsmarkt zu kämpfen. 66 Prozent nennen hohe Investitionen und 61 Prozent den Fachkräftemangel als größte Hindernisse für die Einführung von Industrie 4.0.
Allerdings würde sich die Einführung durchaus lohnen – im Schnitt erwarten die Unternehmen Kosteneinsparungen von sieben Prozent. Großes Potenzial erwarten sich die Industrieunternehmen vor allem von der Erhöhung der Produktionsflexibilität (68 Prozent), dem Erreichen schnellerer Reaktionszeiten (59 Prozent) und der Erhöhung der Effektivität (46 Prozent).
Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young), für die insgesamt über 700 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes und der Informationstechnologie befragt wurden. Als Industrie 4.0 werden die intelligente Fabrik und die Vernetzung von Produkten untereinander bezeichnet.
„Gerade bei kleineren und mittelgroßen Betrieben ist die Einstiegshürde nach wie vor sehr hoch“, beobachtet EY-Partner Christoph Kilger. „Sie haben oft nicht das nötige Geld oder die nötigen Leute, um ihre Produktion intelligenter zu machen. Für sie kann es oft effektiver sein, Unterstützung von Dritten hinzuzuholen.“
„Hinzu kommt: Der Hype um Industrie 4.0 legt sich langsam und macht Platz für echte Business-Lösungen“, ergänzt EY-Partner Stefan Bley. „Viele Unternehmen konnten inzwischen Erfahrungen sammeln und wenden Industrie 4.0 in den Bereichen an, die für sie Sinn ergeben. Manche mussten aber eben auch feststellen, dass die intelligente Fabrik und die Vernetzung nicht überall gleich gut funktionieren.“
Exemplarisch dafür steht der Einsatz intelligenter, mobiler Endgeräte wie Tablets in Produktion und Logistik. Sahen vor einem Jahr noch 24 Prozent der Unternehmen großes Potenzial darin, sehen das in diesem Jahr nur noch 19 Prozent der Unternehmen so.
Große Unternehmen setzen Industrie 4.0 eher ein als kleinere
Während bereits mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Industrieunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten Industrie-4.0-Anwendungen einsetzt und weitere 25 Prozent dies planen, sind es bei den Unternehmen mit 100 bis 499 Mitarbeitern deutlich weniger: Nur 38 Prozent nutzen Industrie-4.0-Anwendungen bereits und 22 Prozent planen die Nutzung. Die Unternehmen, die Industrie 4.0 bereits nutzen beziehungsweise dies planen, wollen in diesem Jahr durchschnittlich 4,8 Prozent ihres Jahresumsatzes in das Thema investieren. Die Mittel sollen vor allem in Personal (41 Prozent) sowie Softwaresysteme und -konzepte investiert werden.
Am weitesten sind die Unternehmen des Automobilbaus: 47 Prozent wenden Industrie 4.0 bereits an, weitere 20 Prozent wollen sie anwenden. Auch im Maschinenbau haben bereits überdurchschnittlich viele Unternehmen Erfahrungen mit Industrie 4.0. 44 Prozent sind bereits Anwender, 25 Prozent planen die Anwendung. Aufholbedarf hat noch die Konsumgüterindustrie, in der nur 35 Prozent der Unternehmen auf Industrie-4.0-Lösungen setzen. Dementsprechend ist der Anteil der Unternehmen, die den Einsatz in Zukunft planen der höchste – 30 Prozent wollen in Zukunft Industrie 4.0 ins Unternehmen integrieren.
IT-Unternehmen treten häufiger als Anbieter von Industrie-4.0-Lösungen auf
Die wenigsten treten allerdings als Anbieter auf: Lediglich sechs Prozent – genauso viele wie im vergangenen Jahr – bieten anderen Unternehmen Industrie-4.0-Lösungen an. 18 Prozent planen es. Anders ist das bei den Unternehmen der IT- und Softwarebranche, die deutlich offensiver auch als Anbieter von Industrie-4.0-Softwarelösungen beziehungsweise -Dienstleistungen auftreten – 35 Prozent tun dies bereits, weitere 28 Prozent planen künftig als Anbieter aktiv zu werden. Tendenziell ist ihnen das Thema Industrie 4.0 auch wichtiger als den Industrieunternehmen. Neun von zehn IT-Anbieter sprechen Industrie 4.0 eine große strategische Bedeutung zu. Ebenfalls neun von zehn Unternehmen gehen davon aus, dass die Bedeutung in den nächsten fünf Jahren noch zunehmen wird.
Erhebliche Unterschiede ergeben sich bei der Bewertung der größten Hemmnisse für die Einführung von Industrie 4.0. Während die Industrieunternehmen vor allem den hohen Investitionsbedarf und zu wenig qualifiziertes Personal beklagen, sehen die IT-Anbieter andere Hürden. 78 Prozent sehen Sicherheitsbedenken als Haupthindernis für die Einführung von Industrie 4.0, 72 Prozent beklagen mangelnde Standards. Einen zu hohen Investitionsbedarf bemängeln nur 53 Prozent der IT-Anbieter, zu wenig qualifiziertes Personal nur 45 Prozent.
„Die Unternehmen in Deutschland wollen Industrie 4.0 einsetzen und zeigen ein großes Interesse“, fasst Kilger abschließend zusammen. „Allerdings müssen die Lösungen auch passen und dem Unternehmen einen echten Mehrwert bringen – also Kosten- oder Zeiteinsparungen.“
Bley erwartet, dass die Anreize für Unternehmen, Industrie 4.0 einzusetzen, mit der Zeit immer mehr werden, wenn sich einheitliche Standards durchsetzen. „Zunächst werden sich mehrere technologische Lösungen am Markt etablieren, die sich dann weiter konzentrieren werden, bis sich am Ende einige wenige Standards durchsetzen. Dieser Prozess wird von den großen Unternehmen bestimmt. Aber am Ende werden auch kleinere Betriebe profitieren. Denn durch gemeinsame Standards muss entsprechendes Know-how nicht unbedingt In-House aufgebaut werden, sondern kann auch von außen kommen. Industrie 4.0 wird dadurch auch für kleinere Unternehmen deutlich günstiger.“