Muss die IT dem Menschen folgen oder folgt der Mensch der IT? Mit der neuen Studie zu den Megatrends 2020 gibt das Meinungsforschungsinstitut Gartner die Richtung vor: Da die Akzeptanz letztlich von Nutzer und Nutznießer der Anwendung abhängt, sollten IT-Unternehmen den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen.
Folgt man der aktuellen Gartner-Studie, dann besteht hier Handlungsbedarf. Drei von zehn der Top Ten-Punke haben den Menschen direkt zum Thema. Die meisten anderen ordnen sich diesen unter. „Wenn Sie den Menschen in den Mittelpunkt Ihrer Technologiestrategie stellen, wird einer der wichtigsten Aspekte der Technologie hervorgehoben – wie sie sich auf Kunden, Mitarbeiter, Geschäftspartner, die Gesellschaft oder andere Schlüsselbereiche auswirkt“, sagt Vice President und Gartner Fellow David Cearley.
Vertrauen erarbeiten
Deswegen heißt einer der Top Ten-Punkte auch ‚Transparenz und Nachvollziehbarkeit‘. Gartner spricht von einer Vertrauenskrise der IT, die sich durch den technologischen Fortschritt weiter verstärke und der man entgegenwirken müsse. Was für den Anwender gilt, gilt natürlich auch für Unternehmen. Wer Daten verarbeitet, sollte das transparent und nachvollziehbar gestalten – ein Problem, dem sich vor allem die Datenintegration im Unternehmen stellen muss. Das fängt bei der Gestaltung von Prozessen an. Welche Daten werden von welchem Quell- in welches Zielsystem überführt? Wer hat die Kontrolle über diesen Prozess? Wer ist in der Lage, jeden Schritt der Datenbewegungen nachzuverfolgen? Wenn Gartner von Digitaler Ethik spricht, dann funktioniert diese nur dann, wenn die ausführenden Systeme so einfach gestaltet sind, dass sie Transparenz auch zulassen. Komplexe Blackbox-Modelle auf Basis individueller Programmierungen sind dazu nicht geeignet; Standardsoftware mit umfassenden automatisierten Dokumentationsroutinen, nutzerfreundlichen Oberflächen und intuitiven Strukturen dagegen schon.
Know-how für alle
Mit zwei weiteren Punkten auf der Top Ten-Liste der Megatrends legt Gartner den Fokus ebenfalls auf den Menschen: ‚Demokratisierung von Wissen (expertise)‘, und ‚Menschliche Erweiterung‘. Aus Unternehmenssicht ist die Demokratisierung von Wissen nur dann umsetzbar, wenn die Technologien auch einfach zu nutzen sind. Um beim Beispiel Datenintegration zu bleiben: Die Software-geführte Abfolge von systematischen Schritten, um Daten eines Systems in ein anderes zu integrieren, damit die Daten dort weiter verarbeitet werden können, muss so gestaltet sein, dass nicht nur hoch spezialisierte Programmierer die Funktionsweise verstehen, sondern auch die fachlich involvierten Mitarbeiter der inhaltlich betroffenen Abteilungen. Der Effekt ist ein doppelter: Zum einen wird der Zugriff auf Strukturen und Know-how einer wesentlich größeren Anzahl von Mitarbeitern ermöglicht, während gleichzeitig die IT entlastet wird. Zum anderen können so deutlich mehr Daten miteinander in Beziehung gesetzt werden. Mit dem Grad der Vernetzung steigt auch der Grad des verfügbaren Wissens für jeden Einzelnen.
Natural Language in der Business-IT
Der dritte Aspekt, den Gartner hervorhebt, ist die ‚Menschliche Erweiterung‘. Dieser Begriff ist in der aktuellen Diskussion stark Hardware-geprägt. Wearables gehören ebenso dazu wie AR-Brillen, Cobots, automatische Rasenmäher und Staubsauger oder IT gestützte Implantate. Aber natürlich funktioniert diese Erweiterung auch auf der Software-Seite. Hier geht es um Programme, die komplexe Vorgänge automatisieren und die damit manuell einzugebende Programmschritte überflüssig machen. Aktuelle Höhepunkte dürften Systeme wie Google Duplex und der KI-Assistent der Alibaba-Tochter Caiano sein, die die Mensch-Maschine-Schnittstelle bilden und als Natural Language User Interface letztlich die intelligente Weiterentwicklung des GUI (graphical user interface) bilden.
Bild: Die Grafik bildet eine Schätzung des weltweiten Smart Speaker-Absatzes ab (Quelle statista.com)
Beim Vergleich der Verkaufszahlen von Smart Speakern zeigt eine aktuelle Statista-Infografik zwischen Q2 2018 und Q2 2019 ein sattes Verkaufs-Plus von 55 Prozent. Der Schluss liegt nahe, dass es das Mehr an Komfort, die Einfachheit der Anwendung und der Spaß beim Umgang mit Technologie sind, die diese Erfolge beschert. Auch hier muss allerdings die Datenverarbeitung dahinter möglichst standardisiert und automatisiert funktionieren, damit die Kunden bei der Stange bleiben. Das bedeutet: Daten, die abgefragt werden, müssen automatisch richtig erkannt, fehlerfrei zugeordnet, in die passenden Formate der Zielsysteme gebracht und problemlos integriert werden, damit sie weiterverarbeitet werden können. Und auch die Datenintegrations-Software selbst sollte in der Lage sein, Alexa-Befehle zu erkennen und umzusetzen. So wird Business-Software anwenderfreundlich und flexibel.
Um es mit David Cearley zu formulieren: Wie sich IT auf Kunden, Mitarbeiter, Geschäftspartner, die Gesellschaft oder andere Schlüsselbereiche auswirkt, sollte eigentlich für jedes Unternehmen Bedeutung haben. Das beginnt mit dem potenziellen Nutzen und ist eng verknüpft mit der Frage nach Vertrauen, den Möglichkeiten der einfachen Nutzung, der Alltagstauglichkeit sowie der Ergebnis-Qualität und der Funktionssicherheit.
Das erstaunlichste an der Gartner-Studie ist allerdings, dass man die selbstverständliche Kernaussage – IT ist für den Menschen gemacht – überhaupt zu einem Megatrend stilisieren muss.