Digitale Wertmarken als Eintrittskarten zum Deutschrap-Festival im Metaverse? Klingt kompliziert – ist es auch. Doch die Tokens werden immer wichtiger. Sowohl für Fans als auch für Musikschaffende.
Schallplatte, Kassette, CD, MP3, Streaming-Dienst. Die Musikbranche hat in den vergangenen Jahrzehnten einige Veränderungen durchlebt. Nun hat eine neue Technologie die Branche umgekrempelt: Die Non-Fungible-Tokens (NFTs). Ab jetzt können Musikfestivals mit NFT-Eintrittskarten von der Couch aus besucht werden, Musik kann als Geldanlage genutzt und mit dem Lieblingskünstler online gechattet werden. Aber was steckt dahinter?
Non-Fungible-Tokens – ein Begriff mit vielen Fragezeichen.
Der Begriff Non-Fungible-Token wirft erst einmal viele Fragen auf. Ist man in den Gefilden nicht unterwegs, kann es hier schon einmal komplizierter werden. NFT bedeutet auf Deutsch so etwas wie «nicht austauschbare Wertmarke». Die Wertmarke zertifiziert die Echtheit eines digitalen Kunstwerks oder Musikstücks und macht das Original so unterscheidbar von Kopien. Digitale Güter, wie zum Beispiel Songs, Songtexte oder digitale Kunstwerke werden also mit einem nicht austauschbaren Besitzzertifikat, dem NFT, versehen.
Statt mit dem eigentlichen Kunstgegenstand wird dann mit dem NFT gehandelt. Im Gegensatz zum Musikstück ist der Token außerdem nicht reproduzierbar. Auch die Manipulation ist schier unmöglich, denn NFTs werden mit Hilfe der Technologie der Blockchain, einer digitalen Datenbank, gespeichert. «Mit Hilfe der Blockchain können wir Transaktionen zwischen Individuen digital verifizieren und dokumentieren, ohne dafür zentrale Institutionen nutzen zu müssen», erklärt Jan Denecke, Geschäftsführer von «twelvextwelve». Das Berliner Start-Up hat sich zur Aufgabe gemacht, NFTs in der Musikbranche zu etablieren.
Sind NFTs die digitale Schallplatte?
«Wenn ich plötzlich in der Lage bin, Eigentum in einem digitalen Raum mit rein digitalen Werten, vielleicht digitalen Personen austauschen zu können, dann hat das Auswirkungen auf die ganze Kreativindustrie», so Denecke. In der Musik gehe es dabei um das «Digitale Vinyl» – die digitale Schallplatte sozusagen. Doch geht es bei dem Besitz einer Schallplatte nicht eigentlich um den emotionalen Wert und persönlichen Bezug? Ja, bestätigt Denecke.
Doch genau das Prinzip des Sammelns der Schallplatten und des besonderen Konsums lässt sich durch NFTs nun auf den digitalen Raum übertragen. «Mit dem digitalen Vinyl macht man nichts anderes, als dem Markt besondere Inhalte in einer limitierten Auflage zur Verfügung zu stellen», erklärt Denecke. Durch die NFTs sei es für Musikschaffende nun möglich, ihre Songs, Texte und Rechte ohne zwischengeschaltete Dritte zu verkaufen. Daraus ergebe sich die Möglichkeit neuer Einnahmequellen.
«An Wertsteigerungen hat der Künstler damals nicht partizipiert, weil es dafür keine Möglichkeit gab. Es konnte sein, dass er eine Platte für zwanzig Euro verkauft hat und diese später wesentlich teurer weiterverkauft wurde», sagt Denecke. Bei jedem Weiterverkauf eines NFTs sei es für Künstler nun möglich, mit einem gewissen Prozentsatz an der Wertsteigerung beteiligt zu werden.
Musikschaffende und Fans profitieren durch vielfältige Möglichkeiten
Die britische Rockband Muse («Uprising») hatte beispielsweise ihr im vergangenen Sommer veröffentlichtes Album nicht nur in Form von CDs und Platten, sondern auch als limitierte NFTs angeboten. Neben der Download-Versionen der Songs hatte es zum NFT ein paar persönliche Extras wie digitale Autogrammkarten gegeben. Und genau darum geht es auch – den persönlichen Bezug für Fans.
Laut David Stammer, Digital Innovation Manager der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim, hat die Wertmarke für Fans auch einen emotionalen Wert «wenn sie einen Künstler unterstützen wollen und diese Unterstützung – und ihren Status als Fan – im digitalen Raum zeigen können.» Deshalb bieten einige Künstler auch ein persönliches, virtuelles Erlebnis als NFT an. «Dabei berechtigt der Besitz des NFTs etwa Zugang zu geschlossenen Chat-Gruppen, oder schaltet Erlebnisse in virtuellen Räumen frei», so Stammer.
Doch der Kauf von NFTs bringe natürlich auch Risiken mit sich, der Markt sei schwankend. «Nach einer Hype-Phase vor allem im Jahr 2021 ist die Anzahl an Verkäufen ist im Lauf des Jahres 2022 stark gefallen und es kam zu Wertverlusten», erklärt Stammer. Hinzu kämen rechtliche Unsicherheiten, viele Fragen seien noch nicht geklärt.
«Der Handel mit und die Lizenzierung von Musik ist urheberrechtlich komplex. Neue Geschäftsmodelle, die darauf aufbauen, müssen deshalb sorgfältig geprüft werden», sagt er. Außerdem seien die klimaschädlichen Auswirkungen von NFTs ein weiterer Diskussionspunkt, «auch wenn viele Musik-NFT Projekte betonen, mit nachhaltiger(er) Blockchain-Technologie zu arbeiten», so Stammer.
NFT-Eintrittskarten machen erstes Deutschrap-Festival im Metaverse möglich
Das Berliner Start-Up «twelvextwelve» möchte nun die exklusiven NFT-Events im Metaverse auf ein neues Level bringen. Im März soll dort das erste Deutschrap-Festival stattfinden. Das Metaverse als Veranstaltungsstätte mit virtuellen Konzerträumen und Platz für Austausch. «Man hat einen eigenen Avatar, kann diesen beliebig gestalten, Frisuren machen, anziehen und nach Belieben anpassen. Mit diesem kann man dann durch Räume gehen», erklärt Denecke.
«Es gibt sogar eine Bar, dort kann man digitales Bier trinken – danach wird alles ein bisschen verschwommener», sagt der NFT-Experte schmunzelnd. Dabei gehe es darum, das Erlebnis so echt wie möglich zu gestalten, man könne sogar tanzen. Die Form eines Online-Festivals gebe die Möglichkeit, sich ortsunabhängig über Grenzen hinaus auszutauschen und auch Menschen mit geringen finanziellen Mitteln ein Festival-Erlebnis zu ermöglichen.
Auftreten sollen an den zwei Festivaltagen sechszehn Rap-Künstler, mit dabei Haftbefehl, Xatar und Jamule. Rapstar Haftbefehl freut sich schon auf das Event. «Vor allem, weil das mal richtig digital ist, völlig neu und cool mit den ganzen Avataren und so. Ich bin sehr gespannt, wie meine Fans reagieren und kann nur sagen: Kommt alle vorbei, Baba Haft wird das Ding da im Metaverse mit euch abreißen», sagte er in einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung.
Doch ist das nun das Ende von schwitzenden Menschen vor Festivalbühnen? «Die echten Festivals haben weiterhin ihre Daseinsberechtigung und das wird auch eine digitale Welt nicht ersetzten. Durch ein Metaverse und ähnliche digitale Welten werden aber zusätzliche Möglichkeiten für den Fan geschaffen den Artist erlebbar zu machen. Zukünftig werden beide Welten im Rahmen einer fortschreitenden Digitalisierung mehr und mehr zusammenwachsen», erklärt Denecke.
Von Ann-Marie Utz, dpa